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Mein Handy vibrierte und zerriss meinen Traum. Ich schob meinen Kopf aus der Decke und tastete nach dem blöden Ding.
Als ich es anschaltete, schien mir der Bildschirm grell ins Gesicht. Murrend drückte ich auf Annehmen und legte mir das Handy auf das Kissen, auf welches ich dann meinen Kopf drückte.
"Hallo, hier Eden Hendriks?", nuschelte ich in den Hörer und hoffte insgeheim, dass nur irgendjemand sich einen Spaß mit mir macht und auflegte.
"Hey."
Es war kein Spaß. Definitiv. Kein. Scherz.
"Wieso rufst du an?", fragte ich etwas weniger verschlafen und setzte mich auf.
"Wir wollten uns doch heute Kleider angucken? Vergessen!", Ahna klang belustigt.
"Entschuldige, ich bin eben erst aufgewacht?", es hörte sich eher wie eine Frage an, als eine Entschuldigung.
"Es ist okay. Wenn du in... zwanzig Minuten fertig wirst. Ich stehe dann nämlich vor deiner Tür."
"Okay!", ich verabschiedete mich und legte auf. Erst dann dämmerte mir, dass ich nie zugesagt hatte. Und trotzdem huschte ich ins Bad, duschte und trocknete mich ab, zog mich an und trat in die leere Küche.
Granny schlief, seitdem sie mir den Krebs gestanden hatte, ziemlich lang, aber mir war es recht.
Ich schrieb ihr einen kleinen Zettel und aß ein Sandwich und packte mir eine Tasche mit Wasser, meinem Handy und meiner Geldbörse.
Dann schaute ich an mir herunter. Ein langer Pulli, der bis zu den Oberschenkel reichte, eine enge schwarze Hose und einen dicken Schal. Okay.
Ich zog mir meinen Mantel an, meine braunen Boots und trat vor die Tür mit dem Schlüssel in der Hand. Ahna war noch nicht da. Also lehnte ich mich an die Hauswand und verschränkte die Arme vor der Brust.

Nach einer Viertelstunde kam Ahna, Flüche und Entschuldigungen murmelnd, um die Ecke und drückte mich ausgiebig.
Wir liefen zur Bushaltestelle, nahmen den nächsten Bus und fuhren in die Stadt, Ahna führte mich durch die Stadt und hielt an einer kleinen Boutique.
Sie drehte sich zu mir um und sprach seit der Fahrt hierher zum ersten Mal mit mir: "Cool nicht wahr?"
"Ja irgendwie schon", ich meinte es ernst.
Wir traten ein und sofort schwirrten zwei Frauen um Ahna, sie riefen entzückende Laut aus und gurten Komplimente. Ahna lief rot an und lächelte mich an. "Mein Schwestern. Liz, Marie darf ich euch Eden, meine Freundin, vorstellen."
"Wir haben schon so viel von dir gehört", sagte die Frau mit den kurzen Haaren, wahrscheinlich Liz.
Ich nickte und setzte eine undurchdringbare Maske auf, obwohl ich innerlich vor Scham rot wurde. Seltsamer Weise wurde ich nur so richtig rot wenn Luke etwas Dummes tat.
Bitte lass das nichts mit alledem was in mir vorgeht zu tun haben.

Wir wurden von Liz und Marie ausgequetscht, bis die beiden uns zu wunderschönen Ballkleidern führten. Dort begann dann ihre Arbeit.
Sie massen unsere Körper und verschwanden mit den Notizen in den Reihen von Kleidernständern.
Ahna erklärte mir was Tüll und ein Herzausschnitt war.
Als ihre Schwestern wiederkamen waren sie mit Kleidern in allen erdenklichen Farben bedeckt. Ahna strahlte und ich sah einen schrecklich langen Tag vor mir.
Na toll. Vielleicht kann ich Ahna überreden mit mir essen zu gehen.

Ahna hatte ihr Kleid ziemlich schnell gefunden, ich hingegen brauchte wie Kaugummi langgezogene drei Stunden um endlich das Kleid zu finden, dass Ahna an mir leiden mochte. Es gefiel mir, aber ich hatte eben nur ein Kleid in meinem Schrank und das hatte ich zu der Beerdigung meiner Eltern anziehen müssen.
Aber ich vertraute Ahna und als ich aus der Kabine kam und sie anfing zu strahlen, wusste ich dass es das Richtige war.
Ahna behauptete, dass der Schnitt meine schmale Figur und das lindgrün des Kleides meine braunen Haare betonte. Ich kannte mich nicht mit Mode aus, aber ich selbst fand es auch schön an mir.

Das Wetter war noch ein bisschen besser geworden, Ahna hatte die Jacke über den Stuhl neben sich gehängt und bestellte bei der Kellnerin des Cafés einen Latte, ich hingegen nur einen Kakao und ein Stück Apfelstrudel.
Als wir unsere Bestellung bekamen, knabberte ich an meinem Kuchenstück und Ahna nippte an ihrem Kaffee.
"Ich bin so müde", seufzte sie und lehnte sich in dem kalten Metallstuhl zurück. Sie warf mir einen Blick zu, den ich nicht bestimmen konnte.
"Was ist?", meine Stimme klang ruhig, kühl. Obwohl ich eigentlich warm und besorgt klingen wollte.
"Ich habe mich nur gefragt mit wem du denn tanzen willst?", ich zog bei ihrer Frage die Augenbrauen hoch und schüttelte grinsend den Kopf. "Ich tanze nicht. Ich trete da auf."
"Was?!", Ahna sprang auf und schlug auf den Tisch. Einige der Gäste drehten sich verwundert zu uns um. Ich versuchte vergeblich sie zu beruhigen.
"Ich dachte du stehst da nicht so drauf?"
"Tue ich eigentlich auch nicht, aber Luke hat mich sozusagen gezwungen."
"Unser Luke", sie seufzte und grinste mich an. "Als ich ihn kennengelernt habe, war meine Mutter im Krankenhaus, sie hatte Krebs. Hat ihn aber überlebt", setzte sie stolz hinzu. "Und da war er dann und sah so gut aus wie immer. Er hat mich dazu gedrängt wieder in die Schule zu gehen", sie lächelte und betrachtete mich stillschweigend. "Aber er hat sich echt verändert. Jetzt ist er ruhig und trotzdem so... aufgeweckt", sie lächelte und strich sich Strähnen aus dem Gesicht.
Wir tranken unsere warmen Getränke aus und ich aß meinen Kuchen so schnell es ging auf. Ahna stand auf und nahm meine Hand, zog mich auf die Füße und wir liefen los.
Unsere Schritte waren im Einklang, wir stiegen zusammen in den Bus und setzten uns nebeneinander. Es fühlte sich normal an und doch empfand ich es als große Veränderung und war glücklich, dsss ich mich so verändert hatte. Ahna platzierte unsere Taschen, mit den Kleider drinnen, unter unseren Füßen und begann sich über das Wetter auszulassen. "Die Sonne scheint zwar aber trotzdem sollte es nicht so kalt sein. Wenn ich abends in meinem Zimmer sitze und ein Fenster öffne ist mir kalt, aber habe ich die Fenster zu dann ist es mir zu warm. Kennst du das auch?"
"Nein. Eher nicht, ich mache meine Fenster jeden morgen auf, von daher bin ich es wohl gewöhnt?", Ahna zog die Augenbrauen hoch und gähnte laut.
"Wirst du tanzen auf dem Ball? Mit Luke?", das kam wie aus dem nichts. Mir wurde kurz schwarz vor Augen, einfach schwarz, keine Gedanken und keine Gefühle.
Es verging eine Sekunde, dann noch eine, bis ich antworten konnte.
"Nein. Immerhin hat er doch eine Partnerin mit der er zum Ball geht."
"Na und? Einen Tanz wird es doch sicherlich geben."
"Aber Luke hat eine Tanzpar-"
"Emma Rodrig."
"Was?"
"Emma Rodrig hat ihn gefragt und er hat 'Ja' gesagt, aber ich glaube er wollte sich nicht mit ihr verabreden."
Ich kniff die Augen zusammen und suchte nach Anzeichen, die der Unterton den sie benutzt hatte, zeigen sollte. "Was meinst du damit?", fragte ich und konnte nicht verhindern, dass ich misstrauisch klang.
"Seien wir mal ehrlich. Du hast dich durch Luke verändert. Ihr verändert euch gegenseitig. Und wenn ihr euch anseht, miteinander sprecht und lacht, kann man sehen, dass ihr einfach zueinander passt.
Luke verschließt sich und du brichst ihn auf. Aber nicht rapide oder gewaltsam. Du kannst ihn mit nur einem Wort aufschließen und brichst seine Mauern herunter, ich liebe es euch beiden zuzusehen."
Meine Wangen färbten sich rot und ich wandte mein Gesicht ab. Auf eine ganz eigene Art war ich glücklich und auf einer anderen verwirrt und ängstlich. Es fühlte sich an, als würde man an mir zerren, um mich entzwei zu reißen.

Die restliche Busfahrt verlief ruhig, weder Ahna, noch ich wollten das Thema aufgreifen, oder sprachen ein anderes an.
Als Ahna aussteigen musste, sah sie mir ruhig in die Augen und umarmte mich fest. "Ihr wärt ein schönes Paar", damit winkte sie mir und stieg aus. Mir wurde heiß und ich versuchte mein Gesicht vor der warmen Sonne zu verstecken.
Verdammt nochmal! Ich bin nicht verliebt! Auf keinen Fall! Das kann nicht sein. Das sollte nicht sein.
Luke will mich doch gar nicht! Sonst hätte er mich nicht weggeschoben, als wir uns im Krankenhaus küssen wollten.
Ganz sicher!
Ich bin nicht verliebt! Ich bin nicht in Luke Orion verliebt!
Ich seufzte und schob mir meinen Pferdeschwanz über meine Schulter. Mein Gesicht stand in Flammen.
Oder doch?

Für Immer Bei DirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt