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Ich fuhr mit den Fingerspitzen über die Bügel und betrachtete die vielen Farben. Ahna zog immer wieder Kleider heraus und hing sie in eine Kabine. Nachdem mehr als ein Dutzend Kleider in der Kabine gelandet waren, drehte Ahna sich zu mir um.
Und stiefelte durch den Laden, nahm ein silbernes Kleid vom Haken und trug es zu mir.
"Ich würde sagen, dass du erstmal ein bisschen Farbe probierst. Lass die Finger von schwarz, sonst... irgendwas Harz", versuchte Ahna zu reimen und brach dann in Lachen aus. Meine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln und ich nahm ihr das Kleid ab.
Wir suchten mir noch ein rosè farbendes Kleid mit viel Tüll. Ein Türkises mit Ärmeln aus Spitze. Ein Waldgrünes, das trägerlos und bodenlang war. Und ein Hellblaues, das die Farbe von dem Meer hatte und auch bis zum Boden reichte.
Ich setzte mich auf die kleine Plüschcouch und gab Ahna immer ein No oder ein Go in Form eines Daumen runter oder hoch.
Ahna stand einfach jedes Kleid. Sie konnte ein grelles Pink tragen aber auch ein pastellfarbendes Braun, ihr stand alles.
Nachdem Ahna endlich alle Kleider durchprobiert hatte, hatten sich zwei finale Kleider herauskristallisiert. Ein grünes Kleid mit viel Glitzer an der Taille und ein rotes Kleid das perfekt zu ihren rötlichen Haaren und grünen Augen passte.
"Okay... also welches würdest du anziehen?"
"Keins. Aber ich finde das Rote stand dir besser", antwortete ich ehrlich und lächelte. Ahna grinste und hielt sich beide nochmal an den Körper.
"Aber das Grüne passt so schön zu meinen Augen!", quengelte sie und stöhnte weil sie sich nicht entscheiden konnte.
"Du musst es entscheiden. Ich mag beide an dir", Ahna warf mir einen genervten Blick zu und ich hob die Hände über den Kopf und grinste sie an.
"Okay, lass mich das nochmal überdenken", meinte sie und drehte sich zum Spiegel um.
Ich lehnte mich tief ins Sofa und dachte an die vergangene Woche. Die Zeit war an mir vorbeigerauscht und ich hatte immer wieder an alles gedacht was mit Luke zu tun hatte. Seit dem Gespräch mit Betty musste ich mir jeden Abend, bevor ich schlafen ging, hasserfüllte Worte gegen Betty und gegen das was sie tat, vormurmeln.
Ich weiß das es falsch war, Luke gar keine Schuld daran zu geben, aber ich konnte einfach nicht. Dafür wusste ich zu viel über ihn und seinen Charakter. Und eins wusste ich: So ein Arsch war er nicht.
Klar, er hatte mir mein Herz herausgerissen, es auf den Boden geworfen, zertrampelt und dann wieder in meine Brust gesetzt, aber... ich liebte ihn. Ich liebte ihn mit Leib und Seele, mit Haut und Haar und mit jeder Faser meines Seins.
Ich seufzte als mir klar wurde, wie dumm das klang. Ahna hatte währenddessen eine Entscheidung gefällt und stand vor mir, mit dem grünen Kleid. "Das ist es", sagte sie und grinste mich an.
Ich lächelte, richtete mich auf und zog den Vorhang vor meiner Kabine zu.
Ich zwängte mich in das silberne Kleid und musste feststellen, dass mein Busen so gut wie gar nicht bedeckt war. Als ich nach draußen trat, war mein Gesicht rot wie eine Backsteinmauer und meine Hände lagen an meinem Brustkorb.
"Ohhh, das ist... extravagant!", meinte Ahna und dehnte die Buchstaben unnötig, genervt stöhnte ich und drehte mich um und zog den Vorhang wieder zu. Trotzdem huschte mir ein Lächeln über die Lippen.
Danach zog ich das rosè farbene an, Ahna und ich lachten uns schlapp, als sie anmerkte, dass ich aussah wie ein Sahnetörtchen.
Bei dem Türkisen waren die Ärmel zu lang und machten das Kleid zu plumb, wie Ahna es beschrieb.
"Ab in den Wald", lachte Ahna und zeigte auf das Nächste, doch ich schüttelte den Kopf.
"Nein. Das fand ich von Anfang an blöd. Ich ziehe das Blaue an und wenn mir das auch nicht steht, dann trage ich einfach eine schwarze Hose."
Zwar verzog sie das Gesicht bei dem Gedanken, sagte aber nichts dagegen.
Ich schällte mich aus dem Türkisen und betrachtete den Stoff des anderen Kleides.
Es war ein seidig schimmernder Stoff, er reichte bis zum Boden und hatte zwei Schnitte an den Seiten, welche mit Perlen an den Rändern bestickt waren.
Ich streifte das Kleid an, zog den Reißverschluss am Rücken hoch und betrachtete mich.
Wow. So schön sah ich noch nie aus.
Lächelnd trat ich aus der Kabine und zeigte es Ahna, sie war sprachlos. Mit offenem Mund starrte sie mich und nickte dann langsam.
"Es ist... wunderschön", hauchte sie und sah mir in die Augen. Ich nickte kräftig und drehte mich um meine eigene Achse.
Die Löcher an den beiden Seiten gaben Blick auf meine Haut am Bauch, sie saßen an der Taille, weshalb ein Leberfleck sichtbar wurde.
Ich lächelte, jedoch konnte ich nicht verhindern, dass ich wieder an Luke denken musste.
Wir hatte über den Ball geredet und hatten vereinbart zusammen zu tanzen, wir waren glücklich gewesen, auch wenn es mir ein wenig peinlich gewesen war.
Meine Stimmung sank wieder in den Keller, so wie schon oft in den letzten Tagen.
Ahna trällerte noch etwas vor sich hin, während ich in die Kabine ging und sie mir den Reißverschluss öffnete.
Ich zerrte mir wieder meine schwarze Röhrenjeans über die Beine und das blass blaue T-shirt über meinen Kopf.
Als ich aus der Kabine trat starrte Ahna unverwandt in eine Richtung, sie bemerkte mich noch nicht einmal.
"Was ist los?", fragte ich besorgt und schielte in die Richtung in die Ahnas Augen blickten.
"Nichts!", rief sie plötzlich wie aus einer Trance erwacht, doch da war es schon zu spät. Ich hatte Luke mit Betty Hastings entdeckt, sie lehnte an ihm und knutschte fast penetrant mit ihm.
Und wieder bröckelte meine Gutmütigkeit gegenüber Luke Orion.
"Mir wird schlecht", ekelte ich mich wütend, drehte mich um und ging mit meinem Kleid zur Kasse.
Ich bezahlte schnell und obwohl ich wusste das Ahna hinter mir stand und auch bezahlen wollte, rauschte ich aus dem Laden heraus, in die warme Sommerluft.
Die Wut verpuffte und Tränen quollen aus meinen Augen. Ich weinte stumm und es war mir egal wie viele Leute mich seltsam musterten, es war mir egal wie viel sie tuschelten oder dass sie mich gar nicht bemerkten, ich wollte einfach weg.
Weg aus der Realität, weg von Luke... einfach taub sein.
Doch so sehr ich es mir wünschte, desto bewusster wurde mir, dass Luke immer in meinem Herzen sitzen bleiben würde. Weil ich ihn wirklich, innig und ehrlich geliebt habe.
Plötzlich stieß ich mit jemandem zusammen, schniefte und entschuldigte mich hastig. Doch als mich an der Person vorbeidrängeln wollte, packte er mein Handgelenk und zog mich zu sich heran. Und erst jetzt bemerkte ich, wenn ich vor mir hatte und ich war so erleichtert wie noch nie.
Manny presste mein Gesicht an seine Brust und blickte zu einem anderen jungen Mann, der ihn traurig anlächelt und sich zu Manny herunterbeugte und ihn küsste. Dann verschwand er ihn der Menschenmasse.
Oh... sein Freund.
Der Gedanke war so ernüchternd, dass mir wieder die Tränen kamen, doch Manny hielt mich auf indem er sich umdrehte, meine Beine ausdrückte und mich auf seinen Rücken lud.
Ich schlang meine Arme um seinen Hals und ließ mich von ihm tragen. Die Tränen waren noch lange nicht versiegt und Manny schien stark genug zu sein, mich bis ganz nach Hause zu tragen. Also wieso sollte ich das nicht zulassen?
Eine berauschende Stille legte sich über uns, es tat mir gut, endlich einmal nicht sagen zu müssen, dass es mir gut ging oder dass ich kein Problem mit der Trennung hatte.
Denn das waren immer Bekundungen meines Schmerzes und ich hatte keine Lust mehr zu beichten, ohne dass die Anderen diese Beichte vernahmen.
Manny trug mich aus der Stadt heraus und den Weg zu mir nach Hause ohne ein Wort gesagt zu haben.
Sein Handy bimmelte nur einmal, es war Ahna. Manny hatte ihr schnell alles erklärt und dann aufgelegt.

Langsam ließ ich mich von seinem Rücken rutschten, als meine Füße wieder Boden berührten, fühlte es sich seltsam fest an. Ich wischte mir die Tränenschlieren von den Wangen und lächelte Manny an.
"Danke."
Er betrachtete mich eingehend, kicherte dann und schüttelte den Kopf. "Du weißt gar nichts oder?"
"Was soll ich wissen?", verwirrt runzelte ich die Stirn und verschränkte meine Arme vor der Brust.
"Das mit Luke und dir."
"Da ist nichts mehr!"
"Genau das ist es!", er rippte mir mit seinem Zeigefinger auf das Schlüsselbein und sah mich mit ernstem Blick an. "Glaubst du wirklich das was du mit deinen Augen siehst? Ich kenne dich relativ gut und ich weiß, dass du immer tiefer in die Materie gehen willst, bevor du etwas glaubst. Wieso als nicht jetzt auch?"
"Wie meinst du das...?", ich runzelte meine Stirn und starrte zu Manny empor.
"Das musst du selbst herausfinden."
"Und wie?!", schimpfte ich aufgebracht.
Ich war es leid mir immer irgendetwas anhören zu müssen!
Sie wissen doch gar nicht wie es mir geht!
"Es wäre zum Beispiel ein guter Anfang mit Luke über alles zu reden", mit diesen Worten drehte er sich um, überquerte die andere Straßenseite und lief zurück zu seinem Haus.
Luke will mich nicht.
Und trotzdem schrie jede Faser meines Körpers, dass Manny Recht hatte.

Für Immer Bei DirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt