Kurz bevor ich losgegangen war, hatte ich mir eine Jeans angezogen und mein T-shirt nochmal gewechselt. Jetzt trug ich eine helle Jeans und einen grauen Pullover, ich fand das schon ganz schön aufgebrezelt.
Ich blieb bei dem Chinarestaurant stehen und blickte auf meine Uhr, ich war 5 Minuten zu früh. Suchend blickte ich mich um, da sah ich was ich begehrte, eine Bank.
Ich ließ mich auf sie fallen und zog mein Buch heraus.
Gerade kam es zum Schluss. Und dieser Augustus würde sterben, ich wusste das weil ich den Film gesehen hatte, mit Granny, sie hatge Rotz und Wasser geheult. Aber mal ehrlich, jeder würde irgendwann sterben, manche früher, manche später, so war das Leben halt: Ungerecht und fies.
Aber ich musste auch sagen, jetzt da ich jemanden kannte, der bald sterben würde, fühlte es sich erschreckend schwer an. Schwer auf dem Herzen, es zog mich nicht wirklich herunter, aber ich hatte ein mulmiges Gefühl dabei.
Je mehr ich mir den Kopf darüber zerbrach, desto verwirrender wurde es für mich und nach ein paar Minuten hatte ich Kopfschmerzen.
"Mist..."
"Hendriks!"
Ich hob meinen Kopf und nickte Luke Orion zu, er winkte, obwohl es unnötig war, weil wir nah beieinander standen. Ich stand auf und glättete mein T-shirt.
Luke Orion trug eine hellbraune Chinohose, dazu ein dunkelblaues langärmliges T-shirt, was ziemlich weit war.
"Kommst du?"
"Ähm... ja!"
Ich stand stand zögerlich auf und folgte ihm. Er lief vor mir her und bog in die Innenstadt ab. Anscheinend ist ihm jetzt erst eingefallen, dass ich hinter ihm mit ihm Schritt halten musste. Denn hinter der Ecke stand er und wartete geduldig.
"Entschuldigung."
"Ich muss mich entschuldigen!", Luke Orion lächelte gequält und fuhr sich durch die blonden Haare.
Irgendwas stimmte nicht. Ich runzelte die Stirn und versuchte in seinem Gesicht etwas zu lesen, doch er drehte sich um und zog mich mit sich. Seine Schritte passten sich meinen an und so liefen wir nebeneinander in der Stadt herum.
"Wie wäre es mit einem Kaffee?"
Luke lächelte mich an und ich nickte nur. Wir traten in das Café und ich suchte nach Sitzgelegenheiten während Luke einen Bananenmilchshake für mich und einen schwarzen Kaffee für sich bestellte. Mein Herz klopfte, ich war noch nie in so einem großen Café, die Wände waren mit gemusterten Tapeten beklebt und in jeder Ecke standen kleine grüne Sofas oder Sessel.
"Komm Eden."
Luke hatte unsere Getränke in der Hand und lotste mich zu einem Sofa, auf das wir uns setzten. Einige Mädchen, die hier Kaffee tranken, warfen Luke Orion schwärmerische Blicke zu, von denen normale Typen nur träumen konnten. Ich nippte an meinem Milchshake und warf Luke neugierige Blicke zu.
Ich hatte da so ein Gefühl, dass ihm etwas auf der Seele drückte.
"Ich hasse Cafés", murmelte ich und seufzte.
"Was?"
"Ich hasse Cafés."
"Okay...", Luke Orion fügte nichts mehr hinzu und ich wusste, dass er mir sonst mit irgendeinem 'Warum' oder 'Bist du blöd' geantwortet hätte. Etwas stimmte nicht!
So schnell ich konnte, schlürfte ich meinen Milchshake aus und stellte ihn auf den Tisch, nahm dann Luke Orions Kaffee und stellte ihn ebenfalls auf den Tisch.
"Hm?", machte Luke und blickte mich Stirn runzelnd an. Ich stand auf und zog ihn auf die Füße.
"Komm mit Luke Orion."
"Sagte ich dir nicht schon Luke reicht?"
Ohne zu antworten ging ich aus dem Café und lief die Straße herunter, hinter mir hörte ich einen fragenden Luke Orion, aber es war mir egal, solange er mir folgte.
Ich stieg ein paar Treppen hoch, zu einem Hochhaus und die Glastüren glitten auseinander. Flüchtig schaute ich mich um, ging zügig zu einer Fluchttür und stieß sie auf. Orion folgte mir, er wirkte so nervös.
"Eden, was soll das?!"
"Komm mit!"
"Wieso?"
"Weil ich es will. Hast du nicht mal sowas gesagt?"
"Ja und? Sowas sage ich öfters."
Stumm stieg ich die Feuertreppe hoch, nach vielen Stufen und Minuten keuchte ich, Luke Orion jedoch ging ruhig neben mir her, er schwitzte nicht, keuchte noch nicht einmal.
"Wie schaffst du das?"
Er blickte kurz angebunden auf mein feuerrotes Gesicht und gluckste.
"Ich trainiere jeden Tag."
"Das kann doch nicht gesund sein, bei deinem Herzen", murmelte ich und kassierte für mein Kommentar einen bösen Blick von Luke Orion.
"Ich kann selber auf mich aufpassen! Nicht du, nicht meine Familie, gar keiner kann mir was befehlen! Hast du verstanden?!", fauchte er und packte meinen Arm. Er drückte so fest zu, dass meine Haut um seine Hand blau und grün wurde.
"Au! L-luke, lass los!"
Nach meinem Aufschrei, realisierte er was er da tat. Seine Augen weiteten sich vor Schreck und er ballte seine freie Hand zur Faust, seine Hand zitterte.
"Entschuldigung...", sein Griff um meinen Arm lockerte sich und Luke Orion atmete tief ein.
"Entschuldigung Eden, ich bin heute nicht in der Stimmung. Entschuldigung."
Er ließ meinen Arm los, drehte sich um und rannte die Treppen wieder herunter. Ich konnte nicht einen Muskel bewegen, mein Körper zitterte und mir war übel, es fühlte sich so an, als hätte man mir in die Magengrube geschlagen.
Meine Beine gaben nach und ich sank auf die Stufe, zog meine Knie an meinen Kopf und weinte.
Ich weine? Das kann nicht sein, nicht wegen Luke Orion! Ich bin hart im Nehmen, so was kann mich nicht runter kriegen, oder?Ich hätte nicht gedacht, dass Luke Orion mich so fühlen lassen kann, mir wird schmerzlich bewusst wie alleine ich bin. Ich habe keine Mutter mehr, keinen Vater und keine Freunde. Und daran wird sich nichts ändern. Ahna Mercet, Manny Willings, Luke Orion, sie alle waren ein schöner Traum, aber auch nicht mehr.
In meiner Brust zog es, mein Herz verkrampfte sich. Bricht mein Herz gerade? Weil ich alleine bin?
Ich richtete mich auf und trottete die Treppe herunter, lehnte mich gegen die schwere Fluchttür und trat hindurch. Leise schlich ich mich durch die Lobby und trat vor das Hochhaus. Meine Füße wollten sich nicht richtig heben, deswegen schlurfte ich nur noch.
In die U-bahn, fuhr einige Stops weiter, stieg aus und schlurfte aus der Stadt, in eine Vorstadt und zog einen metallischen Zaun auf. Er quitschte als ich ihn wieder schloss, ich lief die gepflegten Pfade entlang und blieb stehen.
"Es ist friedlich hier geworden, nicht wahr?"
Ich drehte mich um und starrte den Grabstein von Mom und Dad an. Langsam setzte ich mich aufs Gras vor dem Grab und pflückte ein Büschel Gras, ich lächelte.
Damals hatte ich ein Bild meiner grinsenden Eltern ans Grab gestellt. Auf dem Bild waren Mom und Dad, sich im Arm haltend abgebildet. Moms braunen Haare wellten sich um ihr schönes ovales Gesicht und unterstrichen ihre blauen Augen.
Dads braune Augen schimmerten und blickten auf Mom, seine braunen Haare hatten einen Ansatz aus grauen Strähnen bekommen. Seine Nickelbrille saß schief auf seiner Nase und sein breites Grinsen ließ seine Zähne erscheinen. Mom hatte ein Lachen auf den Lippen und den Kopf leicht nach oben geneigt.
Sie waren so glücklich zusammen, immer lachten sie und respektierten sich. Ich liebte es ihnen früher beim Kochen fürs Weihnachtsfest zuzusehen. Mein Dad frotzelte über den Braten und Mom kicherte, während sie einen Gemüseauflauf vorbereitete.
So hatte ich sie in Erinnerung.
Ich wollte nicht an die Beerdigung denken und daran, dass ihre Särge geschlossen waren. Vermutlich weil sie so schrecklich zugerichtet waren.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Dieser verdammte Fahrer! Betrunken am Steuer fahren und dann trifft ihn auch noch nur bedingt Schuld, weil er ja in einer Midlifecrisis steckte. Ich schnaubte.
Von wegen Midlifecrisis! Du hast mir meine Eltern genommen.
Tränen stiegen in meine Augen, die ich mühsam bekämpfte. Dann atmete ich tief durch und begann zu summen, ein leises ruhiges Summen, das anschwillte zu einem ruhigen Gesang.
Das Lied, die Töne hüllte mich in schwammige Traurigkeit und gaben mir das Gefühl nichts anderes zu brauchen als das. Für einen kurzen Moment spürte ich, dass Mom und Dad über mich wachten. Doch das Gefühl verschwand als ich das Lied beendete. Es katapultierte mich zurück in die Gegenwart, in die Realität, ohne Mom und Dad.
Und dann musste ich an Luke Orion denken. Ich hatte kein hartes Leben, so wie Luke Orion, oder Granny, die mich mit so viel Mühe und Zaghaft aufgezogen hat. Sie haben so viel mehr durchgemacht als ich und ich bemitleide mich selbst! Ich bin so undankbar!
Seufzend stand ich auf und ging nach Hause. Ich wollte nicht mit dem Bus fahren, oder der Bahn, ich wollte einfach meinen Körper spüren, wie sich jeder Muskel anfühlte.
Langsam schweiften meine Gedanken wieder ab, zu Luke Orion und dem was er sagte. Es war seltsam, aber er hatte sich schon den ganzen Tag so verhalten, so komisch. Mir wurde bewusst, dass Luke mich damit vielleicht hatte abschrecken wollen. Das hatte er gut hingekriegt.
Ich bog in meine Straße ein und lief zu Grannys Haus, je näher ich kam, desto stärker wurde der Geruch von dem Abendessen.
Als ich vor der Tür stand und klopfte, hörte ich Granny Hendriks etwas rufen, dann wurde die Tür aufgerissen.
"Oh, Eden! Schon zurück?"
"Ähm... ja..."
Ich quetschte mich durch die Tür, ins Haus.
"War es nicht so schön?"
"Äh... N-nein eher nicht."
"Eden?"
"Ich war... b-bei Mom und... Daddy."
Die Tränen funkelten in meinen Augen und ich zog meine Nase hoch.
"Was ist denn? Eden?"
"Ich muss mal für mich alleine sein."
So schnell es ging, stieg ich die Treppe hoch und schloss meine Zimmertür. Mein Atem ging nur rasselnd und stockend, irgendwas in meinem Kopf war verschoben worden. Alles brannte in meinem Körper, alle Dinge die ich bis zu dem heutigen Tag gesehen hatte, tauchten vor meinem inneren Auge auf und legten einen schweren Mantel um mich. Es riss mich herunter, ich sank auf den Boden und raufte mir die Haare. Es tat alles weh, mir war heiß, dann kalt und dann wieder heiß.
Mein Körper stand unter Strom und war die ganze Zeit angespannt. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie mein Körper unter dem Gewicht eines Geheimnisses gelitten hatte. Aber es war zu viel für mich, alles kam hoch. Ich sprang auf und rannte ins Bad.
"Eden?!", Granny lief mir hinterher. Sie wirkte entsetzt.
Ich sprang zur Kloschüssel und übergab mich.
Entschuldigung Luke, aber ich glaube ich kann das nicht.
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Für Immer Bei Dir
RomanceIch räusperte mich. "Gehört das dir?" Er wirkte ehrlich geschockt, doch dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck. Seine Mundwinkel gingen leicht nach oben, doch seine Augen sagten etwas anderes als sein Lächeln. Es war erschreckend. Das Lächeln wi...