Kapitel 8

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Im Türrahmen hat sich ein Soldat aufgebaut. Es besorgt mich ein wenig, dass ich ihn nur verschwommen erkennen kann. Er ist so groß, dass er sich leicht bücken muss, um seinen Kopf nicht am Rahmen zu stoßen, und hat derbe Bauernhände, die wirken, als könnten sie einen Stier bei den Hörnern packen. Als sich mein Blick etwas aufklart, erkenne ich um die linke Achsel die gelbe Schnur, die ihn als Unteroffizier vom Dienst ausweist, den UvD.

„Was ist hier los?", brüllt er, nachdem er den Anblick auf sich hat wirken lassen.

Wir lösen uns alle aus unserer Starre und stehen stramm.

„Wer ist der Stubenälteste?", schnarrt der Unteroffizier mit kratziger Stimme.

Na klasse! Ich blicke an mir herunter und fahre kurz mit der Zunge über meine Unterlippe, die sich geschwollen anfühlt. Wahrscheinlich sieht mein Gesicht total zerstört aus. Ich nehme mich zusammen und trete vor.

„Anton Köhler, Herr Unteroffizier ..."

„Unteroffizier Stoß." Er mustert mich von oben bis unten. „Was ist mit dir passiert?"

„Bin hingefallen", presse ich hervor.

„So, auf die Schnauze geflogen? Schön Scheiße siehst du aus." Er lässt seinen Blick wieder durch die Stube schweifen. „Und was liegt ihr hier alle noch auf der faulen Haut? Habt ihr nichts zu tun, oder was? Glaubt ihr, das hier ist ein Ferienhotel?"

Keiner sagt etwas.

„Ich habe dir eine Frage gestellt, Stubenältester!", bellt der Unteroffizier mir ins Gesicht.

„Nein. Das denkt keiner von uns."

„Soll das eine ordentliche Meldung sein? ‚Nein Herr Unteroffizier' heißt das! Ich denke, ihr habt Befehle bekommen! Sollt ihr euch nicht unten zur Uniformausgabe melden?"

„Ja, Herr Unteroffizier. Wir wollten warten, bis die Schlange etwas kürzer wird."

Der UvD kneift kurz die Augen zusammen und sieht aus, als wittere er irgendwas. „Habt ihr die Zeit wenigstens genutzt, um in eurer Stube Ordnung zu schaffen? Lasst mich mal eure Spinde sehen!"

Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit. Ich bemühe mich, nicht zu humpeln, als der Unteroffizier sich von mir jeden Spind einzeln öffnen lässt. In manche späht er voll Abscheu hinein, aus anderen zerrt er kurzerhand alle Sachen heraus und wirft sie in einem unordentlichen Berg auf den Boden.

„Ein Sauhaufen ist das!"

Jetzt ja, denke ich.

Auch meine Unterwäsche fliegt auf den Boden, der von unseren nassen Stiefelsohlen in ein matschig-braunes Gebilde verwandelt worden ist. Der UvD macht noch eine Weile so weiter. Die anderen stehen still, aber ein Blick in ihre Gesichter zeigt wachsende Verzweiflung, in manchen auch Wut.

„Aufräumen!", schreit Unteroffizier Stoß, als er seine Inspektion beendet hat. „Und danach tretet ihr an zur Kleiderausgabe. Sollte es in einer halben Stunde hier nicht tiptop aussehen, fällt das Mittagessen für heute aus. Verstanden?"

„Jawohl, Herr Unteroffizier." Ich schlage vorsichtshalber die Hacken zusammen.

Sobald die Schritte des UvD auf dem Flur verhallen, beginnt ein hektisches Treiben in unserer Stube. Ich muss nicht einmal eine Anweisung geben. Keiner von uns will das Essen verpassen.

„Ich hab's euch doch gesagt!", motzt Wilhelm und klaubt widerwillig seine Kleidungsstücke vom Boden auf.

„Halt den Rand", sage ich. Auch die anderen sind nicht mehr zu Späßen aufgelegt.

Am Ende dieses JahresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt