Kapitel 18

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Wir finden in einer leeren Box im Pferdestall Unterkunft. Bauer Besecker schüttet rasch noch etwas frisches Stroh auf. Im Stroh zu schlafen macht mir nichts aus. Gerhard und ich haben das im Sommer schon Hunderte Male bei Bauer Moltke auf dem Heuboden gemacht.

Aber jetzt ist Winter und der Stall ist unbeheizt. Der Atem gefriert vor unseren Nasenlöchern. Trotzdem ist es besser, als draußen im Wald zu übernachten. Die Tiere spenden mit ihren Körpern etwas Wärme. Der süßliche Stallgeruch weckt in mir Erinnerungen an Kindheit und Heimat, als ich es mir auf dem stacheligen Lager auf einer alten Pferdedecke bequem mache. Gerhard liegt dicht neben mir, so können wir uns gegenseitig wärmen.

„Wenn es deinem Fuß morgen nicht besser geht, dann bleiben wir. Die Bäuerin hat's ja so freundlich angeboten", murmele ich schläfrig.

Er rollt sich zu mir herum. „Die Lena ist nicht übel, was?"

„Kann sein ..."

„Dafür, dass sie erst fünfzehn ist ... oho."

„Quatsch nicht, du bist selber erst fünfzehn."

„In einem Monat nicht mehr", protestiert Gerhard.

„Wie auch immer ... Schlag sie dir aus dem Kopf."

Es bleibt still und meine Augen fallen zu. Das Quietschen der Stalltür und dann ein leises Rascheln im Stroh lassen mich wieder aufschrecken.

Ich setze mich gerade auf. Gerhard neben mir tut das Gleiche. Ich spüre es eher, als dass ich es sehen kann, denn es ist stockdunkel. Dann das leise Tapsen von leichten Schritten auf dem Steinboden vor unserer Box. Ich überlege schon, was ich im Notfall als Waffe verwenden kann, da ertönt eine leise helle Stimme: „Hallo? Ich bin's, Lena."

„Lena?", fragt Gerhard entgeistert.

„Pst!"

Einen Moment später öffnet sie die halbhohe Tür zu unserem Schlaflager und der Schein einer Taschenlampe leuchtet mir kurz ins Gesicht. Ich kneife geblendet die Augen zu, dann wandert der Lichtkegel weiter. Lena ragt vor uns auf, in einen dicken Wollmantel gewickelt.

„Ich wollte nur schauen, ob ihr's auch gemütlich habt hier. Und ob ihr alles habt, was ihr braucht."

„Ja, haben wir", sagt Gerhard.

„Ah. Das ist gut."

„Das ist sehr lieb von dir, dass du extra rauskommst und nachfragst", fügt er hinzu.

Ihr Gesicht leuchtet auf. „Ich habe euch noch ein paar Kekse mitgebracht, wenn ihr wollt. Die hat Mutter vorhin vergessen. Aber ich bin sicher, sie hätte nichts dagegen, wenn ich sie euch anbiete."

Sie schaut die ganze Zeit nur Gerhard an, während sie spricht. Es ist, als würde ich gar nicht existieren.

„Ich würde liebend gern ein paar Kekse essen", sagt Gerhard.

Ich würde eigentlich am liebsten nur schlafen, aber ich sage nichts, als Lena durch die Tür schlüpft und sich zögerlich zwischen uns im Stroh niedersinken lässt, wo Gerhard ihr Platz gemacht hat. Sie stellt die Taschenlampe neben sich auf, sodass sie einen fahlen Lichtkegel an die Stalldecke wirft. Dann zieht sie einen Leinentuch aus ihrer Tasche, das sie vor uns im Stroh ausbreitet und auseinanderfaltet. Lauter krümelige Kekse kommen zum Vorschein.

„Greift zu."

Gerhard steckt sich sofort einen in den Mund. Ich bin vom Abendessen noch total satt, aber nehme mir aus Höflichkeit auch einen. Ich hätte mir die Mühe auch sparen können — Lena beachtet mich ohnehin kaum.

„Schmeckt's?", fragt sie Gerhard, nachdem sie ihm eine Weile schweigend und mit leuchtenden Augen beim Essen zugeschaut hat.

Er nickt mit dicken Backen.

Am Ende dieses JahresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt