Kapitel 11

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„Anton? Bist du wach?"

Ich schrecke auf, muss wohl auf dem Stuhl kurz eingenickt sein, denn mein Kopf schnellt nach oben, als wäre er auf meine Brust gesunken. Einen Moment brauche ich, um mir klar zu werde, wo ich bin: Feldbetten in einem halbdunklen Raum, der nur von einer fuseligen Lampe auf dem Nachttisch beleuchtet wird; ein Geruch nach Putzmittel und Medizin und dem kalt gewordenen Essen liegt in der Luft. Ich schaue auf August. Seine Augen sind offen und schimmern im Halbdunkel wie glühende Kohlen.

„Wie fühlst du dich?", frage ich.

„Ging mir schon besser", haucht er, aber allein die Tatsache, dass er mit mir redet, ermutigt mich.

„Warum ... bist du noch hier? Ist es nicht spät?"

„Mitten in der Nacht", gebe ich zu und zucke mit den Schultern. „Ich wollte dir Gesellschaft leisten ... falls du aufwachst."

Er schaut mich seltsam an. „Wegen dem, was Mama gesagt hat?"

„Nein", protestiere ich. „Weil du mein Freund bist."

Augusts Wangen überziehen sich mit einem leichten, rötlichen Schimmer. „Echt?"

„Klar. Warum bist du so überrascht?"

Er hustet leicht in seine Faust. „Ich dachte nur ... du hast ja Gerhard."

„Ich kann doch mehrere Freunde haben."

Er schweigt und scheint darüber nachzugrübeln ... vielleicht auch über irgendetwas ganz anderes, so verträumt wie sein Gesichtsausdruck plötzlich wirkt. Ich überlege, ob es etwas gibt, womit ich ihn aufmuntern kann.

„Weißt du was, Anton?", flüstert August, bevor mir etwas einfällt.

„Ja?"

Er zögert, und ich warte geduldig, dass er weiterspricht.

„Ich will unbedingt gesund werden, damit ich auch fürs Vaterland kämpfen kann. Die glauben alle, ich bin ein Schwächling ..."

Ich will protestieren, aber er macht eine leichte Kopfbewegung, die mich davon abhält. Seine Augen sehen auf einmal alt aus.

„Es stimmt doch", sagt er leise. „Ich wünschte, ich wäre so sportlich wie du ... so mutig ..."

„Nein — ich wünschte, ich wäre so klug wie du", widerspreche ich. „Du musstest mir doch immer beim Diktat helfen! Ich bin sogar zu dumm zum Schreiben."

„Du bist nicht dumm. Ehrlich nicht."

„Und du kein Schwächling!" Er sieht nicht überzeugt aus. Da fällt mir etwas ein. „Hey, das Fußballspiel im Sommer ... weißt du noch? Als wir mit unserer Mannschaft gegen die von Wilhelm angetreten sind?"

Augusts Augen leuchten kurz auf und er nickt.

„Du warst der Held des Tages! Wie du den Elfer von Braun gehalten hast ..."

Ein leichtes Lächeln umspielt seine Mundwinkel. „Das war aber auch dein Verdienst. Wenn du mir nicht gut zugeredet und mir verraten hättest, in welche Ecke der Braun immer zielt ..."

Ich schüttle den Kopf. „Das wusste ich selber nicht, war nur geraten. Aber das ist ja auch egal. Letztendlich warst du derjenige, der den Ball gehalten hat."

August schweigt und ich hoffe, dass ich ihn überzeugt habe.

„Du solltest dich jetzt ausruhen", sage ich dann. Das Sprechen scheint ihn erschöpft zu haben.

August liegt lange Zeit still da und ich glaube schon, dass er wieder eingeschlafen ist. Dann sagt er mit schwacher Stimme: „Ich würde gern Musik hören ..."

Am Ende dieses JahresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt