Kapitel 41

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Die nächsten Tage vergehen wie in einem Nebel aus Wachen und Schlafen, Tagträumen und Albträumen, aus denen ich schweißgebadet erwache.

Ich liege im Feldlazarett der Amis, zusammen mit Dutzenden anderen deutschen Soldaten. Wilhelm haben sie schon nach einem Tag wieder entlassen, nachdem er sich von der Tortur erholt hatte.

Aber aus mir will das Fieber nicht weichen. Jedenfalls glaube ich, dass es Fieber ist. Ich meine mich zu erinnern, dass in einem meiner wachen Momente einer der Ärzte, ein deutscher, etwas von Infektion gesagt hat. Schüttelfrost, bei dem meine Zähne so heftig aufeinander klappern, dass ich schon Angst habe, mir einen zu brechen, wechselt mit Hitzeschwällen, in denen ich mir am liebsten alle Kleidung vom Leib reißen würde. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er verbrennen, meine Lippen sind aufgeplatzt und rau, die Augen schmerzen in den Höhlen.

Dann fühlt es sich wieder an, als würde jemand mit einem heißen Eisen meine Backenzähne berühren. Der Schmerz, der mich durchfährt, ist so heftig, dass ich aufschreie.

Ich spüre etwas Kühles auf der Stirn, das gut tut, und jemand träufelt mir Wasser auf die geschundenen Lippen. Als ich kurz die Augen öffne, sehe ich durch den Schlitz verschwommen eine vertraute Gestalt sitzen. Gerhard, denke ich, und schlafe erschöpft, aber zufrieden wieder ein.

Irgendwann kehrt mein Bewusstsein zurück und ich schaue mich verwirrt um. Reihen von Feldbetten mit grauweißen Tüchern, in denen magere Gestalten liegen.

Und an meinem Bett steht — Wilhelm. Enttäuschung durchfährt mich. Es war doch nicht Gerhard, der sich letzte Nacht — oder wann immer es war — um mich gekümmert hat. Aber warum sollte Wilhelm das tun?

Da legt wieder jemand heiße Eisen an meine Backenzähne und ich zucke zusammen. Mit einer Hand taste ich nach meinen Wangen. Sie fühlen sich stark geschwollen an.

Wilhelm geht und kommt mit einem Arzt zurück, der mich untersucht.

„Du hast dich unterkühlt und jetzt sind deine Backenzähne vereitert", sagt er, nachdem er mit den Fingern vorsichtig meinen Mund aufgemacht und hineingespäht hat. Schon das lässt mich wieder tausend Schmerzen leiden.

„Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als sie zu ziehen. Sonst geht der Eiter ins Blut und löst eine Blutvergiftung aus. Ich bereite alles zur OP vor."

Er geht und ich starre an die Decke. Jeder Muskel in meinem Körper tut weh, aber die Schmerzen in meinem Kiefer überschatten alles. Obwohl ich mir nicht gern die Zähne ziehen lasse, kann ich es kaum erwarten, bis diese Dinger draußen sind, wenn dann nur endlich die Schmerzen aufhören.

Dann erst bemerke ich, dass Wilhelm noch neben meinem Bett steht und unschlüssig auf mich herabschaut.

„Morgen, Köhler. Hast ja lang genug geschlafen", brummelt er.

Ich versuche, etwas zu erwidern, aber alles in meinem Mund fühlt sich geschwollen an, auch die Zunge, und ich bringe kein Wort zustande.

Er knetet seine Mütze in den Händen. „Ist ... ist bestimmt nur ne kurze OP. Da hast du noch Glück gehabt, dass es nur deine Zähne erwischt hat. Bei den anderen Männern hier ... die Hälfte kommt nicht mehr dazu, die Hosen hochzuziehen."

Ich runzele die Stirn und forme mit den Lippen ein Wort. Ruhr? Wilhelm nickt.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es besser getroffen habe; der Schmerz, der von meinem Kiefer ausstrahlt, ist immer noch benebelnd, obwohl die Morphinspritze, die mir der Arzt vorhin gegeben hat, langsam Wirkung zeigt. Allerdings stelle ich es mir auch nicht besonders angenehm vor, ununterbrochen zu scheißen. Und um mich herum liegen viele Soldaten, denen Gliedmaßen fehlen. Ich habe nicht einmal den kleinen Finger verloren ...

Am Ende dieses JahresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt