Falrey griff tastend in die Innentasche seines Gürtels, um den Schlüssel zwischen den Münzen heraus zu fischen. Schließlich fand er ihn, steckte ihn triumphierend ins Schloss und drehte zweimal um. Die Riegel öffneten sich mit einem leisen Klacken.
Es war der dritte Tag, an dem er durch Niramun gelaufen war. Drei Tage, jedes Mal andere Wege, und doch war er nicht über den Nordwesten der Stadt hinausgekommen. An diesem Tag hatte er beschlossen früher zum Haus zurückzukehren, einerseits, weil es noch heißer war als die Tage davor und er das Gefühl hatte, dass sein Blut kurz vor dem Siedepunkt stand, andererseits, weil er allmählich ein schlechtes Gewissen bekam, wenn er den ganzen Tag nur herumlief und nichts Brauchbares tat.
Der letzte Abend war ähnlich verlaufen wie die vorigen, Emila und er hatten kaum gesprochen und später hatte jemand an die Tür geklopft um sie zu einer Frau zu rufen, die in den Wehen lag. Falrey hatte ihr angeboten, sie zu begleiten und ihr zu helfen, doch sie hatte abgewunken mit den Worten, dass Männer bei einer Geburt nichts zu suchen hatten und Jungen erst recht nicht.
Wann sie zurückgekehrt war wusste er nicht, sehr spät wohl, denn als er am Morgen aufgewacht war, hatte sie schlafend in ihrem Bett gelegen und er hatte das Haus verlassen, ohne sie zu wecken. Er hoffte nur, dass sie das nicht störte.
Falrey drückte gegen die Tür und trat ein. Erlösende Kühle umgab ihn, angenehme Schatten nach dem grellen Licht auf der Straße. Mit einem leisen Seufzer drehte er sich um, um die Tür wieder zu verschließen, als ihn plötzlich ein Kribbeln am Nacken erfasste. Wie von einer unsichtbaren Hand am Genick gepackt, versteifte er den Rücken und zog den Kopf ein. Das Gefühl war ihm so unvertraut, dass es eine ganze Weile dauerte, bis er es erkannte. Er wurde beobachtet. Nicht er beobachtete jemanden, jemand beobachtete ihn. Ruhig und langsam schob er die Riegel vor und drehte sich um.
Er starrte in zwei schwarze Augen. Jaz saß am Tisch in der Küche, das verletzte Bein auf die Bank gelegt aber voll bekleidet, inklusive der Stiefel, an deren Leder noch immer Blut klebte. Seinen Umhang trug er nicht, doch das bemerkte Falrey nur nebenbei. Es war Jaz Blick, der ihn fesselte und der ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, sich umzudrehen und wieder zu gehen, doch dann beschloss er, dass das lächerlich war. Zögernd trat er auf den Tisch zu. Der Blick folgte ihm. Es war nicht Neugier, die Jaz dazu veranlasste in so zu mustern, das spürte Falrey. Es war eine Prüfung. Und aus irgendeinem Grund war er sich sicher, dass er sie nicht bestehen würde.
Er fühlte sich wie Beute unter dem Blick des Jägers. Nervös setzte er sich an den Tisch und hob den Blick, doch er schaffte es nicht, denjenigen von Jaz länger als einen Moment zu erwidern. Die schwarzen Augen in dem hellen Gesicht waren ihm unheimlich.
„Du heißt Falrey?" Jaz rauhe Stimme zerschnitt die Stille und Falrey zuckte unwillkürlich zusammen, obwohl sie gar nicht so unfreundlich geklungen hatte wie erwartet. Eher sehr neutral.
„Ja", antwortete er und ärgerte sich. Warum konnte nicht wenigstens seine Stimme klingen wie die von anderen seines Alters? Warum verdammt noch mal sprach er immer noch so hoch und piepsig? „Und du bist Jaz?", fragte er zurück.
Jaz nickte nur knapp. Eine Weile schwiegen sie beide, dann fragte Jaz: „Du suchst deinen Vater?"
„Ja. Meine Mutter ist tot und sonst habe ich keine Verwandten." Eigentlich wollte er weiter sprechen. Erzählen, wie er nach Niramun gekommen war, warum er gerade hier suchte, so wie er es Emila erklärt hatte und sich selbst eingeprägt an all den einsamen Abenden auf der Reise, aber irgendetwas hielt ihn davon ab, sagte ihm, dass er im Grunde schon zu viel geredet hatte.
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Niramun I - Nachtschatten
Viễn tưởngNiramun, die ewige Stadt, Kessel und Spitze, ein Schmelztiegel am Rande der Wüste. Ein Ort ohne Herrscher und Gesetze, an dem das Schicksal eines Halbwaisen nur eines ist unter hunderttausenden. Auf der Suche nach seinem Vater landet Falrey mit kau...