Jaz Tritt weckte Falrey so zuverlässig, wie die Nacht auf den Tag folgte. Ächzend drehte er sich auf die Seite, richtete sich aber schnell auf, bevor Jaz aus der Türe verschwinden konnte. „Wie spät?"
„Eine Viertelzeit vor Silur etwa", antwortete Jaz, dann war er weg.
Shak, fluchte Falrey innerlich und stiess sich von der Matratze hoch, um auf die Füsse zu kommen. Als sie zurückgekommen waren, war es längst hell gewesen, Emila weg und er so müde, dass er das Gefühl hatte, einen ganzen Tag durchschlafen zu können. Aber erstens musste er am Abend arbeiten und zweitens war ihm gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass er sich davor mit Nemi verabredet hatte, und er hatte Jaz gebeten, ihn um Yainils Willen vor Silur zu wecken.
Noch halb benommen schnappte er sich Tunika und Weste und kam zum Schluss dass es keine schlechte Idee gewesen wäre, mal wieder zu Baden, aber dafür hatte er jetzt definitiv keine Zeit mehr. Er torkelte die Treppe hinunter und stolperte in die Küche, wo er erstmal einen Sprung rückwärts machte, als er den auf ihn gerichteten Dolch in Jaz Händen sah. Erst auf den zweiten Blick erkannte er den Schleifstein in der anderen und sein Herz schlug weiter, während er in den Raum trat und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Er warf die Kleider neben Jaz auf den Tisch und marschierte an ihm vorbei zum Eimer um sich zu waschen. Mit den Händen spritzte er sich Wasser auf den Oberkörper, dann ins Gesicht und zuckte zusammen, als er dabei schmerzhaft an seine geschwollene Wange fasste. Verdammt. Das hatte er völlig vergessen.
Innerlich fluchend wartete er, bis das Wasser im Eimer still wurde, um sein Spiegelbild zu betrachten. Es war zu dunkel, als dass er viel hätte erkennen können, aber er wusste auch so, dass es schrecklich aussah. Vorsichtig tastete er seiner Wange entlang und drehte den Kopf etwas mehr ins Licht. Definitiv nicht nur geschwollen, sondern auch blau. Verdammt!
Er bemerkte, dass das regelmässige Schrab von Jaz Schleifstein ausgesetzt hatte.
„Was hast du eigentlich so wichtiges um Silur?"
„Das geht dich nichts an", knurrte Falrey, stand auf und zog sich das Hemd über den Kopf. Er schlüpfte in die Weste und zog den Gürtel darüber fest, während er mit den Augen Jaz bedächtigen, regelmässigen Bewegungen folgte. „Hast du vor es heute zu brauchen?", meinte er, mit dem Kopf auf die Klinge nickend. Ihn schauderte immer noch bei dem Gedanken.
„Geht dich nichts an", gab Jaz zurück.
„Dich so offen ein Messer halten zu sehen ist irgendwie beunruhigend", sagte Falrey.
„Fresse", erwiderte Jaz nur.
Falrey fuhr sich noch einmal durch die Haare in der Hoffnung, wenigstens in die etwas Ordnung zu bringen, auch wenn das bei dem blauen Auge wohl auch keinen Unterschied mehr machte, und verliess dann das Haus.
Er war vor Nemi am Brunnen. Die Stadt lag bereits wieder im Schatten, aber die Tageswärme hielt sich noch im Kessel, sodass es auch ohne den Mantel angenehm warm war. Er hatte die Augen geschlossen, aber er hörte Nemis Schritte und drehte sich zu ihr um, bevor sie am Brunnen war. Sie trug Halbschuhe und ein knielanges Kleid mit warm aussehenden Strümpfen, darüber eine dünne, blaue Jacke mit etwas erhöhtem Kragen. Die braunen Haare hatte sie diesmal nicht hochgesteckt, sondern zu einem Zopf geflochten, der auf ihrer linken Schulter lag, und Falrey konnte nicht umhin, festzustellen, dass es noch schöner aussah, als er gedacht hätte. Sie lächelte, als sie ihn sah, und setzte an: „Hey Falr... ach du scheisse!"
Ihre Hand zuckte in Richtung Mund und einen Moment lang schien sie sich für den Kraftausdruck entschuldigen zu wollen, aber dann überwiegte die Bestürzung in ihren warmen Augen, als sie seine Wange betrachtete. „Was ist denn mit dir passiert?"
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Niramun I - Nachtschatten
FantasíaNiramun, die ewige Stadt, Kessel und Spitze, ein Schmelztiegel am Rande der Wüste. Ein Ort ohne Herrscher und Gesetze, an dem das Schicksal eines Halbwaisen nur eines ist unter hunderttausenden. Auf der Suche nach seinem Vater landet Falrey mit kau...