Kapitel 31 - Mörder!

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Falrey stand perplex da. Was meinte Misty damit? Er hatte doch nicht richtige Gespenster gesehen? So etwas gab es doch gar nicht. Andererseits, wenn es keine Gespenster waren, was war es dann? Und warum hatte Misty nicht geantwortet, als er ihn nach dem Verrat fragte? Er erzählte doch sonst so gerne?

Grübelnd ging er hinüber zu Emilas Haus und trat ein. Emila war da. Sie blickte auf, als er in die Küche kam und grüsste ihn, dann verengten sich ihre Augen. „Was hast du denn angestellt?", fragte sie und wies auf seine Schulter.

„Oh", meinte Falrey und blickte hinunter. Das hatte er ganz vergessen. Aber wie er es nun sah, musste er zugeben, dass es unschön aussah mit dem eingetrockneten Blut. „Ich bin einer Mauer etwas nahe gekommen."

Emila sah aus, als würde sie gleich entnervt die Augen verdrehen, aber sie sagte nichts, sondern drückte ihn auf die Bank, wusch das Blut ab und strich irgendeine Salbe darauf.

„Danke", sagte Falrey verlegen.

Sie stellte ihm wortlos einen Becher Wasser und zwei mit Cuff bestrichene Brotscheiben hin. Während er sie ass, wurde es dunkel im Raum, als der Schatten der Kraterwand über das Haus glitt, ein untrügliches Zeichen dafür, dass es schon bald Abend sein würde. Falrey stand vom Tisch auf und ging nach oben, um Tunika und Weste anzuziehen. Jaz sass noch immer vor seiner vollgekritzelten Wand, doch das, was nun dort stand, sah aus wie ein fertiger Text, und er war damit beschäftigt, ihn auf ein Schilfpapier abzuschreiben. Als er Falreys neugierigen Blick bemerkte, fuhr er ihn an: „Was schaust du so blöd?"

„Nichts", meinte Falrey sofort beschwichtigend und wandte sich ab.

Wenig später kam Jaz in seiner üblichen Montur herunter und sie brachen auf. Sie gingen zu einem Wirtshaus, das Falrey bereits kannte: es war dasjenige, in dem Mishu, Sovi und Seb Stammkunden waren. Sie sassen auch alle da, die ganze fröhliche Runde und Jaz und Falrey quetschten sich zu ihnen. Sie blieben eine Weile dort und als sie gehen wollten, bat Seb sie, doch noch ein wenig zu bleiben, es sei doch noch früh, Didi sei noch nicht einmal vor Lachen von der Bank gefallen, aber Jaz winkte ab und sie verliessen die Schenke.

Dann gingen sie zu Laflabem. Das überraschte Falrey nicht sonderlich, denn genau wie Vasser war er sich mittlerweile sicher, dass Jaz insgeheim Angst hatte, was geschehen würde, wenn er es nicht tat. Nein, was ihn überraschte, war der Weg, den sie einschlugen, denn es war derjenige, der über den beleuchteten Platz mit den Dirnen führte, nicht wie die letzten Male durch stille, dunkle Gassen. Wie beim ersten Mal wandte Falrey sofort den Blick ab, doch diesmal flüsterte eine spöttische Stimme in seinem Kopf: Warum eigentlich? Sie wollen doch begafft werden, oder? Dem musste er recht geben, aber er tat es trotzdem nicht. Stattdessen fragte er sich, warum Jaz manchmal diesen Weg ging, aber nicht immer. Vielleicht wollte er manchmal gesehen werden und manchmal nicht.

Als sie Laflabems Raum betraten, blieb Jaz nicht wie sonst zwei Schritte vor dem Tisch stehen, sondern ging einfach weiter und zog dabei mit einer schnellen Handbewegung etwas schmales, längliches aus seiner Kleidung. Falreys Magen verkrampfte sich und in Laflabems Augen flackerte Angst auf. Er würde doch nicht etwa...

Doch Jaz blieb stehen und knallte ein Papier auf die Tischplatte, dann trat er wieder zurück. Falrey und Laflabem atmeten gleichzeitig auf, wobei Laflabem nach dem Papier griff. Seine Augen glitten hin und her, während er las, und stockten manchmal, wenn er etwas nicht entziffern konnte. Dann legte er das Blatt sorgfältig wieder auf den Tisch und sah Jaz an, die Augenbrauen leicht hochgezogen. „Du denkst du bist unterfordert?"

Jaz antwortete nicht, aber die Antwort war ohnehin klar.

Laflabem seufzte gekünstelt. „Nun, wenn du das sagst, dann wird es wohl so sein. Und ich will ja kein... Können verschwenden. Du möchtest also... angemessenere Aufträge? Nun... gut. Ich werde dir etwas geben, wenn ich etwas habe. Willst du solange warten? Oder akzeptierst du einen anderen Auftrag?"

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt