Kapitel 51 - Ein Plan

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Am nächsten Tag liessen sie das Training aus und gingen stattdessen schon am frühen Nachmittag in die Gegend, in der Larbed wohnte. Sie blieben auf dem Platz am Ende der Gasse, an der sein Haus stand und lehnten sich an den Brunnenrand. Jaz murmelte Falrey zu, er solle sich normal verhalten, was auch immer das heissen mochte. Jaz selbst zum Beispiel verhielt sich für seine Verhältnisse ziemlich normal, aber der starrende Blick und seine unbewegte Haltung wirkten auf die meisten Passanten wohl eher etwas beunruhigend.

Falrey seufzte. Eine Weile lang plätscherte er mit den Fingern auf der Wasseroberfläche, dann versuchte er mit schnippen den gegenüberliegenden Brunnenrand nass zu spritzen. Einmal schnippte er auch nach Jaz, worauf ihm dieser einen Blick zuwarf, als würde er ihm am liebsten den Hals umdrehen, was Falrey wiederum veranlasste, das lieber bleiben zu lassen. Stattdessen holte er ein Stück Brot aus seiner Tasche und begann lustlos darauf herum zu kauen.

Gegen Epa kam Larbed die Gasse hinunter, neben ihm zwei seiner Leibwächter. Falrey brauchte eine Weile, bis er auch den dritten sah, denn dieser ging etwa fünfzehn Schritte hinter den anderen, vermutlich um etwaige Verfolger ausfindig zu machen.

„Meine Fresse", murmelte Jaz. „Der Typ leidet ja unter Verfolgungswahn."

„Nicht ganz unbegründet", meinte Falrey.

Jaz erwiderte nichts, sondern löste sich vom Brunnen und ging auf einen Laden mit Stickereien auf der anderen Platzseite zu, um im letzten Moment die Richtung zu ändern und den vier Männern in einigem Abstand zu folgen.

Einige Gassen weiter blieb Larbed stehen und betrat ein Haus. Jaz zog sich in eine Seitengasse zurück und sagte Falrey, er solle aufpassen, wann Larbed wieder auf die Strasse trat. „Du bist unauffälliger", sagte er, als Falrey zu der Frage ansetzte, wieso er das tun sollte. Es dauerte eine Weile, bis Larbed das Haus wieder verliess, dann folgten sie ihm weiter. So ging es den ganzen Nachmittag, einige Gassen weit nachlaufen, anhalten, weiterlaufen. Gegen Abend betrat Larbed ein edel aussehendes Lokal, vermutlich um zu Abend zu essen. Falrey kaute draussen an einem weiteren Stück Brot herum und fluchte innerlich.

Als Larbed das Restaurant wieder verliess, war es bereits dunkel. Sie hefteten sich wieder an seine Fersen, in genügend Abstand um auch dem hinteren Mann nicht aufzufallen. Nach einigen Strassenzügen bog Jaz ab und stieg eine Treppe auf eines der Dächer auf der linken Seite hinauf. Zuerst fragte sich Falrey, was das sollte, aber bald verstand er: die Strassen waren nun fast leer und die Fackeln brannten, selbst mit ihrer dunklen Kleidung wären sie aufgefallen, aber nur wenige Leute kamen auf die Idee auch über sich nach Verfolgern Ausschau zu halten.

Es hatte allerdings einen Nachteil: Jaz musste um den Männern zu folgen oft mehr Weg machen, um höhere Dächer und andere Hindernisse herum zu kommen, sodass sie rannten, um mit Larbed mit zu halten. Falrey gab sich Mühe, nicht zurück zu fallen, aber Jaz war einfach schneller. Wo Falrey, um auf ein einen Schritt höheres Dach zu kommen, sich mit den Händen und Knien abstützen musste, nahm Jaz einfach nur einen grossen Schritt. Und während Falrey die Lücken der schmalen Gassen, die den Häuserblock durchbrachen, im Dunkeln weitaus mehr Angst machten als bei Tageslicht, weil er immer befürchtete, er könnte den Rand nicht richtig sehen, setzte Jaz darüber hinweg und rannte weiter, als wäre da gar nichts.

Allmählich fiel Falrey etwas zurück. Plötzlich sah er Larbeds Hintermann in eine Gasse nach rechts abbiegen. Jaz jedoch lief geradeaus weiter. Irritiert blieb Falrey einen Augenblick lang stehen, dann rannte er Jaz über ein flaches Stück hinterher, so schnell er konnte. Als er ihn einholte, erkannte er den Grund für Jaz Kurs: Larbed und die anderen beiden Wächter waren geradeaus weitergegangen. Vermutlich sollte das Verfolger abbringen. Mit mir hätte es funktioniert, dachte Falrey. Er liess sich etwas zurückfallen. Dann sah er Jaz springen – und blieb abrupt stehen. Vor ihm tat sich eine Gasse von mindestens zwei Schritt breite auf. Da hinüber kam er nie im Leben.

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt