Er öffnete die Augen erst wieder, als durch seine Augenlieder der warme Schein der Nachmittagssonne drang. Im Raum war es still, von draussen drangen die üblichen Geräusche der Stadt herein. Blinzelnd richtete er sich auf. Er trug noch immer die Weste und fühlte sich schrecklich dreckig und zerschlagen. Emila schlief in ihrem Bett. Staubflocken tanzten durch das Sonnenlicht über den Kisten.
Schliesslich überwand Falrey seinen Unwillen sich zu bewegen und stand auf. Er zog die Weste aus und die Schuhe an, dann trat er leise zu Jaz Bett hinüber. Jaz war noch immer sehr bleich, aber er schien ruhig zu schlafen.
Möglichst leise, um niemanden zu wecken, verliess Falrey das Zimmer und ging hinunter in die Küche. Gerade als er sich etwas zu Essen gemacht hatte, klopfte jemand an die Türe und obwohl er eigentlich überhaupt keine Lust dazu hatte, ging Falrey hin und öffnete. Draussen stand Mesche und musterte ihn befremdet. Offensichtlich erkannte er ihn nicht wieder, dabei war er es gewesen, der ihn überhaupt zu Emila gebracht hatte.
Falrey hatte keine Lust, ihn über diesen Gipfel an Vergesslichkeit aufzuklären, sondern wartete, bis Mesche selber sagte, was er hier wollte. „Ist Emila da?"
„Ist es dringend?", fragte Falrey zurück.
Mesche wirkte irritiert. „Ich wollte sie nur abholen, um ins Teehaus zu gehen, ich weiss nicht..."
„Emila schläft", erklärte Falrey. „Sie hatte gestern Nacht einen Notfall. ich kann sie wecken gehen, aber ich schätze sie ist ziemlich müde."
„Ah, nein, dann lass sie schlafen", meinte Mesche leicht enttäuscht, dann fragte er: „Was denn für ein Notfall?"
Falrey gefiel Mesches Tonfall bei dieser Frage nicht. Er klang neugierig, aber nicht auf die gute Art. „Ein Patient hatte eine Lebensmittelvergiftung", gab er eine unverfängliche und der Wahrheit nicht allzu ferne Antwort. „Und es ist ziemlich anstrengend, die ganze Nacht auf jemanden aufzupassen, der sich die Seele aus dem Leib kotzt. Also wäre es vielleicht besser, du würdest morgen wiederkommen. Auf Wiedersehen."
Er schloss die Tür und ging zurück zu seinem Essen. Ihm war bewusst, dass er gerade nicht allzu höflich gewesen war, aber er hatte schlicht keine Lust höflich zu sein. Mesche würde schon darüber hinwegkommen. Er wirkte nicht wie die Art Mensch, die psychische Probleme bekamen wegen so etwas. Und selbst wenn er es Falrey übel nahm – wenn sie sich das nächste Mal begegneten, hatte er ihn eh wieder vergessen.
Als er seine Schüssel ausgelöffelt hatte, schnappte er sich die fast leeren Wassereimer und ging zum Brunnen. Ausnahmsweise war niemand sonst da und auch auf dem Platz hielten sich nur wenige Leute auf. Falrey füllte die beiden Eimer und lehnte sich an den Brunnenrand. Sein Kopf fühlte sich an wie in Watte gepackt und seine Haut war klebrig von eingetrocknetem Schweiss. Er durchbrach mit den Händen die spiegelglatte Wasseroberfläche und spritzte sich Wasser ins Gesicht, dann zog er kurzerhand das Hemd aus und tauchte mit Kopf und Oberkörper in den Brunnen.
Das Wasser war erstaunlich kalt und er schoss nach Luft japsend wieder auf, um gleich noch einmal unter zu tauchen. Als er sich das zweite Mal aufrichtete, blieb er auf den Brunnenrand gestützt stehen. Das Wasser aus seinen Haaren tropfte ihm vom Kinn und lief über seinen Rücken in den Hosenbund.
Plötzlich spürte er ein feines Kribbeln. Jemand beobachtete ihn. Er hob den Blick und sah Nemi nur wenige Schritte entfernt stehen. Als sie wusste, dass er sie gesehen hatte, kam sie auf ihn zu und meinte lächelnd: „Das Badehaus ist da drüben, weisst du nicht? Oder willst du meinem Vater seinen Gewinn vorenthalten."
Einen Augenblick lang fragte er sich, ob das ein Vorwurf war, aber in ihren Augen blitzte es freundlich. Ihm wurde bewusst, dass er halbnackt dastand und er griff hastig nach seinem Hemd, aber sie war schneller.
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Niramun I - Nachtschatten
Viễn tưởngNiramun, die ewige Stadt, Kessel und Spitze, ein Schmelztiegel am Rande der Wüste. Ein Ort ohne Herrscher und Gesetze, an dem das Schicksal eines Halbwaisen nur eines ist unter hunderttausenden. Auf der Suche nach seinem Vater landet Falrey mit kau...