Jaz weckte ihn verhältnismässig früh am nächsten morden – das hiess noch vor dem Mittag – mit dem obligaten Stiefeltritt in die Seite. Er liess ihn knapp essen und winkte ihn dann auf das Dach. „Heut zeig ich dir was anderes", meinte er, als Falrey automatisch in Abwehrstellung ging. „Ein paar Tricks, wie man Leute loswird, ohne sie zu sehr zu verletzen. Du sollst den Kunden schliesslich nicht die Zähne einschlagen."
Er zeigte Falrey verschiedene Hebel, mit denen man einen Gegner praktisch zur Marionette machte, wobei Falrey mehrere Male winselnd auf den Zehenspitzen stand und ahnte, dass verdammt wenig gefehlt hätte, um seine Gelenke zu brechen. Jaz schien beim: „Und wenn manns richtig macht, muss man nur ganz wenig Kraft anwenden", den zweiten Teil nicht so ganz im Griff zu haben.
Er zeigte ihm auch ein paar leichte Würfe, liess ihn aber vor allem die Hebel üben, immer wieder, erst langsam, dann schnell. „Tik", meinte er schliesslich. „Jetzt spiele ich den besoffenen Idioten und du wehrst mich ab."
Jaz spielte erstaunlich echt. Vermutlich war er vertraut genug mit der Rolle. Als Falrey ihn darauf hinwies, lachte er nur. Es war gar nicht so einfach und mehrere Male entglitt Falrey Jaz Arm und er bekam einen zwar ungenauen, aber nicht gerade schwachen Kinnhaken von dem „Betrunkenen" verpasst, aber schliesslich erwischte er ihn richtig, drehte ihm den Arm auf den Rücken und drückte ihn in den Hebel. Er liess erst los, als er merkte, dass Jaz auf den Zehenballen stand, um sein Gelenk zu entlasten, und beinahe vorne über kippte.
„Gut", meinte Jaz, und rieb sich den Ellbogen. „Braucht noch etwas Übung, aber funktioniert grundsätzlich. Noch etwas: falls einer aus irgendeinem Grund ein Messer ziehen sollte, vergiss alle Höflichkeit gegenüber Kundschaft und mach ihn fertig. Egal wie."
Falrey nickte.
Jaz legte die Hand über die Augen, um die Zeit abzuschätzen. „Wir haben noch bisschen. Lust auf freies Kämpfen?"
Falrey nickte nur, stellte sich breit hin, ging leicht in die Knie und hob die Hände, bereit zum Abwehren. Er liess Jaz den ersten Angriff machen und wich ihm aus. Den zweiten Schlag lenkte er mit dem Unterarm ab und zielte selber gegen Jaz Schulter. Seine Faust wurde abgefangen und er riss sie blitzschnell zurück, um Jaz nicht die Möglichkeit zu geben, ihn daran zu packen. Jaz folgte der Bewegung und schlug in Richtung von Falreys Kopf, aber als Falrey dort abwehrte, drehte Jaz sich schon auf der anderen Seite an ihm vorbei, hängte mit dem Arm an seinem Hals ein und warf ihn über das Bein. Falrey rollte automatisch ab, kam wieder auf die Füsse und duckte sich gleich unter dem nächsten Schlag weg, versuchte erneut selber zu treffen, verfehlte aber und bekam Jaz Knie in die Rippen, weil er auf dem falschen Bein gestanden hatte, um rechtzeitig ausweichen zu können. Keuchend vor Schmerz taumelte er rückwärts, um ausserhalb von Jaz Reichweite zu gelangen, aber der hob nur die Hand und rief: „Halt!"
Das Zeichen, das sie ausgemacht hatten, falls einer von ihnen zu nahe an den Dachrand kam. Falrey hielt sofort inne und blickte beunruhigt hinter sich, wo es drei Stockwerke tief hinunter auf die Strasse ging, aber Jaz hatte früh genug gestoppt, und er hatte noch über einen Schritt Sicherheit. Als sein Blick weiter glitt, sah er dass das Mädchen, das ihnen schon vor einigen Wochen, und seither mehr als einmal zugesehen hatte, auf dem Nachbardacht stand, und sie beobachtete.
Er trat weg von der Kante und stellte sich so auf, dass er mit dem Rücken zur Wand des Nachbarhauses stand. Jaz griff erneut an und sie tauschten einige Hiebe aus, bis Falrey sah, dass Jaz zu einem Kick ausholte. Instinktiv hob er sein Bein, um den Tritt zu blocken, aber er war einen Tisch zu spät und bekam die Stiefelspitze so heftig in den Oberschenkel gerammt, dass er fast aufgeschrien hätte. Jaz nächster Schlag erwischte ihn wehrlos und er ging zu Boden, was ihm einen weiteren Tritt in die Rippen eintrug.
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Niramun I - Nachtschatten
FantasiNiramun, die ewige Stadt, Kessel und Spitze, ein Schmelztiegel am Rande der Wüste. Ein Ort ohne Herrscher und Gesetze, an dem das Schicksal eines Halbwaisen nur eines ist unter hunderttausenden. Auf der Suche nach seinem Vater landet Falrey mit kau...