Kapitel 44 - Versickert im Sand

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„Rolle rückwärts!", rief Jaz.

Falrey rollte.

„Verteidigung!"

Er wich einem Schlag aus und wehrte einen ab.

„Stich!"

Er zückte einen Dolch und stach nach Jaz, doch der schlug seine Hand mit Leichtigkeit weg.

„Schneller", sagte Jaz. „Direkte Bewegung, gib keine Vorwarnung, indem du ausholst. Oder täusch was vor. Vor allem starr nicht dahin, wo du treffen willst. Nochmal!"

Falrey stach zu und wurde wieder abgewehrt.

„Nochmal!"

Jaz wich seinem Stich blitzschnell aus, packte seinen Arm und zog ihn daran nach vorne.

„Rolle vorwärts."

Zu seiner eigenen Überraschung gelang es Falrey tatsächlich, seinen Sturz in eine halbwegs passable Rolle zu verwandeln. Sein Rücken schmerzte, aber er stand wieder, schnellte herum und entging knapp dem nächsten Schlag.

„Abwehren und stechen!"

Falrey schlug Jaz Faust zur Seite und zielte in Richtung Bauchraum, doch im letzten Moment überlegte er es sich anders, lenkte den Schlag aufwärts und stach nach Jaz Kehle. Jaz riss die Hand hoch, packte Falreys Handgelenk und verdrehte es ihm so, dass er rückwärts fiel, liess ihn aber los, bevor er den Boden erreichte und Falrey machte eine Rolle rückwärts.

„Das war gestreift", sagte Jaz und deutete auf seinen Hals. Dann schlug er mit der anderen Hand zu und Falrey klappte fast zusammen.

„Deinen Gegner zu verwunden soll ihn unaufmerksam machen, nicht dich", sagte Jaz. „Verteidigung!"

Falrey wich einer Reihe von Schlägen aus und liess sich fallen, als Jaz plötzlich rief: „Runter!"

Jaz nickte ihm zu. „Aufstehen", befahl er. „Und jetzt gehen wir zu Befrem."

Falrey rappelte sich auf und streckte seine schmerzenden Glieder. Der Schmerz kam ausschliesslich von Jaz Schlägen und seinen Stürzen. Von einem etwaigen Kater hatte er überhaupt nichts gespürt, aber das war vermutlich nach einem einzigen Bier auch nicht zu erwarten.

Er kletterte Jaz voran die Leiter hinunter und ging in die Küche, um sich etwas Brot zu suchen. Es war noch recht früh am Nachmittag, aber er wusste nicht, ob sie nach Befrem zum Haus zurückkehren würden und nachdem er einmal vor Hunger fast umgekippt wäre, hatte er lieber immer etwas dabei. Er verstaute zwei dicke Scheiben Jarukbrot in seinem Beutel und sah aus dem kleinen Fenster mit dem Gitterkreuz auf die Strasse hinaus.

Er war unruhig. Natürlich wollte er seinen Vater finden, aber ein Teil von ihm fürchtete sich davor, dass er am Ende ein absolutes Arschloch war. Oder Alkoholiker. Oder tot. Er hörte, wie Jaz hinter ihm die Treppe hinunter kam und ihm schoss die Frage durch den Kopf, die er ihm gestellt hatte. Warum suchst du deinen Vater? Ja, warum? Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte. Weil es die einzige Idee gewesen war, was er mit seinem Leben anfangen sollte, einem Leben, das es eigentlich nicht hätte geben dürfen in den Augen der Leute, die er einmal für seine Freunde gehalten hatte.

Er drehte sich um und folgte Jaz in die gleissende Nachmittagssonne hinaus. Sie mussten nicht lange gehen bis zu Befrems Haus. Jaz klopfte an die alte, verblichene Holztüre und kurz darauf öffnete eine alte Frau mit grauweissen Haaren und freundlichen, verblasst braunen Augen. „Ja?", fragte sie und sah zu Jaz hinauf, der sie ein gutes Stück überragte, denn sie war nicht grösser als Falrey.

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt