Kapitel 82 - Eine Gesellschaft

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Sie liessen das Dach hinter sich und einige Strassen weiter stieg Jaz eine Treppe hinunter, sprang von dort auf das Dach eines kleinen Schuppens und dann hinunter in den Hinterhof. Als sie geduckt aus dem niedrigen Tunnel traten, der ihn mit der Aussenwelt verband, standen sie in einer abfallenden Gasse, direkt gegenüber einer Schenke. Im Licht der Laterne, die über der Tür hing erkannte Falrey die Aufschrift sofort: Zum langen Seil. Zappas Taverne.

Jaz stiess die Türe auf und trat ein. Drinnen sah schon alles relativ leer aus, lediglich an einem der hinteren Tische sass noch eine Runde Säufer, die grölend ihre Krüge schwenkten. Ein, zwei Stühle lagen umgeworfen am Boden und ein junger Mann wischte eben eine Pfütze mit einigen Scherben auf. Als er die Türe gehen hörte, blickte er auf . „Wir schliessen bald. Gibt nix mehr."

„Ist der Chef da?", fragte Jaz unbeirrt.

Bevor der Junge dazu kam zu antworten, erklang Zappas Stimme aus einer der Nischen. „Ist er. Was gibt's?"

Ohne weiter auf den Schankknecht zu achten, trat Jaz um die Trennwand herum, bis er Zappa sehen konnte. „Nur mich", meinte er grinsend.

„Jaz!", rief Zappa aus. „Ich hab dir hundertmal gesagt, du sollst früher herkommen, wenn du noch was zu trinken willst. Pavlov, bring uns ein Bier!"

„Zwei, wenns recht ist", meinte Jaz und zog Falrey nach vorne, während Pavlov mit einem verhaltenen Seufzer seinen Wischmop in den Eimer stopfte und beides vor die Theke stellte, bevor er begann dahinter herumzuwuseln.

„Sieh einer an", grinste Zappa. „Immer noch mit von der Partie."

Der alte Aufzugsführer sass am Kopfende des Tisches, mit zwei anderen Männern, jeder einen Krug Bier vor sich. Seine grauen Augen blitzten schelmisch. Dann verdüsterte sich sein Blick. „Hergottnochmal, was hast du mit deinem Gesicht gemacht?!"

„Schlägerei", erklärte Jaz. „Kam bisschen unter die Räder."

„Und da wolltest du ihm nicht helfen?", fragte Zappa mit einer hochgezogenen Augenbraue.

Jaz grinste breit.

Der Alte wies auf die noch freie Tischseite. „Na los, setzt euch erstmal, wir sind hier kein Ständerat. Lass mal sehen." Er bedeutete Falrey den Kopf zu drehen und reckte sich an Jaz vorbei über den Tisch um seine Haare zurückzuschieben, ohne ihn dabei zu berühren. „Das sieht nicht gut aus. Tilly! Komm mal her!"

„Sofort Paps!", kam die Antwort aus einer angelehnten Türe, kurz darauf hüpfte ein hochgewachsenes Mädchen zu ihnen an den Tisch. Sie war schlank, trug einen weiten Rüschenrock und ein enges Mieder über der Bluse, die braunen Locken zu einem langen Zopf geflochten und ihr Gesicht voller Sommersprossen. Auf den zweiten Blick erkannte Falrey, dass sie ein Stück älter war als er zuerst angenommen hatte, vermutlich neunzehn oder gar zwanzig, allerdings hielt sie das nicht davon ab, breit zu grinsen, als sie sich auf der Tischplatte abstützte. „Was gibt's, Paps?"

Pavlov schob sie zur Seite, als er an den Tisch kam, und stellte die Krüge vor Jaz und Falrey ab.

„Kümmer dich mal um den jungen Mann hier, Tilly", wies Zappa sie an und deutete auf Falrey. „Damit er sich wieder halbwegs sehen lassen kann."

Tilly rutschte kurzerhand neben ihn auf die Bank, drückte die Hand mit dem Bierkrug, die er gehoben hatte, wieder auf den Tisch und drehte seinen Kopf ins Licht. „Autsch", meinte sie, als sie die Schwellungen sah. „Warte hier. Ich bring Salbe."

Damit war sie auch schon wieder weg.

„Prost!", meinte Zappa und sie stiessen mit ihm und seinen Gästen an, um zu trinken.

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt