Kapitel 33 - Überleben

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Falrey stieg hinter Jaz die Treppe empor und verfluchte ihn mit jedem Schimpfwort, das ihm einfiel. Sein Oberkörper war ein einziger blauer Fleck, selbst das Atmen war unangenehm. Warum musste Jaz so fest zuschlagen? Er spürte doch auch bei leichteren Schlägen, dass er ihn getroffen hatte. Und nur weil es mehr wehtat, wurde er auch nicht schneller im Ausweichen, im Gegenteil, der Schmerz lähmte ihn eher. Was war der Zweck des ganzen? Gar nichts, sagte er sich. Jaz hat nur Spass daran, Leute zu schlagen.

Er schickte in Gedanken eine weitere üble Verwünschung zu der dunklen Gestalt vor ihm, die sich immer deutlicher abzeichnete, je näher sie dem Licht vor Laflabems Haus kamen. Dann verfluchte er zusätzlich den Türwächter und Laflabem. Ersterer war ihm unsympathisch und zweiterer hatte es sowieso verdient.

Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss und Jaz fixierte Laflabem mit einem kalten Blick.

Der starrte ebenso eisig zurück. „Hast du den Auftrag erledigt?"

Jaz antwortete, indem er sich zu seiner vollen Grösse aufrichtete. Natürlich, sagte seine Körperhaltung, oder wofür hältst du mich?

Laflabem lächelte dünn. „Ich frage nur, weil du dich in letzter Zeit mit einigem ziemlich schwer getan hast. Ganz zu schweigen davon, dass du vor einem Auftrag plötzlich kalte Füsse bekommen und dich ganze achtzehn Tage lang irgendwo verkrochen hast. Und anstatt selber aufzutauchen und einzugestehen, dass das von dir Verlangte über deine Fähigkeiten hinausging, hast du feige diesen... Jungen da..." Er deutete mit dem Kopf auf Falrey. „...mit irgendwelchen Ausreden von wegen keine Zeit vorgeschickt."

Jaz ballte die Fäuste vor Zorn, aber er schwieg. Warum sagt er ihm nicht einfach, dass er verwundet war?, fragte sich Falrey. Dann ging ihm die Antwort auf: weil er damit zugeben müsste, dass er einen Kampf verloren hatte. Und das hätte seine Situation wohl nur noch schlimmer gemacht.

Laflabem lehnte sich genüsslich zurück und meinte: „Vielleicht hätte ich dich dafür töten lassen sollen. Du solltest mir dankbar sein dafür, dass ich es nicht getan habe. Allerdings frage ich mich mittlerweile, ob es sich überhaupt gelohnt hat, dich leben zu lassen. Besonders nützlich bist du mir nicht."

Er beugte sich wieder vor und holte einen Beutel unter dem Tisch hervor. „Du wartest natürlich noch auf deinen Lohn."

Er warf den Beutel Jaz zu, der ihn auffing und öffnete. Während er die Münzen in seine Hand abzählte, fuhr Laflabem fort: „Es ist nicht ganz die selbe Menge wie die letzten Male, ich weiss. Ich bin sicher, du verstehst das."

Jaz ballte die Hand mit dem Geld langsam zur Faust, sodass die Münzen knirschten. Sein Gesicht gefror zu einer stahlharten Maske. Er liess den Beutel zu Boden fallen.

Laflabem nahm keine Notiz davon, sondern sprach munter weiter: „Erstens hat deine Zuverlässigkeit in der letzten Zeit nachgelassen und zweitens wurde dieser Preis ausgemacht, als ich dich noch für... eine andere Art von Aufträgen einsetzen konnte. Dir ist doch klar, dass ich für einen simplen Botendienst nicht dasselbe zahlen kann?"

Er hob die Augenbrauen, als würde er um Verständnis heischen, doch ihm musste klar sein, dass er es nicht bekommen würde. Schliesslich hatte er Jaz solche Aufträge gegeben, Jaz hatte sogar ausdrücklich andere gefordert, was immer er genau damit gemeint hatte. Aber Laflabem hatte ihn ignoriert.

Jaz gab seine Maske auf und bleckte die Zähne. Seine rechte Hand schnellte zum Gürtel, wie schon in der Auseinandersetzung mit Vasser. Doch diesmal verstand Falrey die Bedeutung dieser Geste und ihm gefror das Blut in den Adern. Am Gürtel war Jaz Dolch verborgen. Er wollte ihn ziehen. Die Hand hatte bereits das Gürtelleder berührt, als Jaz sie wieder zurückriss und zur Faust ballte. Seine Unterarme zitterten von der Anstrengung, die Beherrschung nicht ganz zu verlieren.

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt