Kapitel 54 - Füchse im Taubenhaus

110 22 5
                                    


Jaz stand auf. Er sah zu, wie sie das Taubenhaus betraten, dann setzte er sich ruckartig in Bewegung über das Dach auf die Treppe zu, immer schneller, bis er fast rannte und Falrey Mühe hatte, ihm zu folgen. Sie waren noch nicht halb die Treppe hinunter, da ertönte ein Schrei. Jaz stiess einen lauten Fluch aus, sprang seitwärts von der Treppe auf die Strasse hinunter und rannte auf das Bordell zu. Als Falrey das untere Ende der Stufen erreichte, war Jaz bereits im Haus, die Tür stand sperrangelweit offen und warmes Lampenlicht fiel auf die Strasse.

„RAUS!", hörte Falrey Jaz drinnen brüllen. „Raus, oder ich leg euch alle um!"

Dann erreichte er selbst die Türe. Jaz stand in der Mitte des Raumes, den Dolch in der Hand, die Zähne gefletscht. Die Männer waren im Raum verteilt, einige hielten Messer, zwei von ihnen hatten wimmernde Mädchen an den Haaren gepackt, ein dritter drückte eine der Frauen gegen die Wand, ihre Bluse war zerrissen. Die übrigen Mädchen drängten sich angsterfüllt in die hinteren Ecken, Tomi stand bei der Treppe und sah völlig überfordert aus.

„Raus!", brüllte Jaz abermals und seine Stimme ging in ein heiseres Knurren über. Zwei der Männer wichen unwillkürlich einen Schritt zurück, aber einer hob ein Kissen auf und schleuderte es nach Jaz, dann trat er dem Mädchen, das er festhielt in die Kniekehlen, sodass sie zu Boden ging.

Jaz fing das Kissen mit einer Hand ab und sah den Mann kalt an, dann legte er los. Er pfefferte das Kissen zurück, sprang quer durch den Raum und rammte dem Mann die Faust ins Gesicht, dass es knackte, dann kickte er ihm die Beine weg und trat ihm in die Magengrube, dass er sich krümmte. Er wirbelte herum, duckte sich unter einem Dolchstich hindurch und rammte dem Angreifer sein Messer ins Bein, bevor er ihn mit einem Schlag von unten gegen das Kinn zu Boden beförderte.

Falrey überblickte rasch die Situation, um ihm notfalls den Rücken freizuhalten, da sah er etwas anderes. Der Mann, der die Frau an die Wand gedrückt hatte, hatte ein Messer gezogen und hielt es ihr an die Brust. Hilfesuchend sah Falrey zu Jaz, aber ihm war klar, dass der nicht überall gleichzeitig sein konnte. Alles in ihm rief danach, sich einfach aus dieser Szene zu verdrücken, aber er ertrug die Angst im Gesicht der Frau noch weniger als seine eigene. „Lass sie los", rief er und zog seinen Dolch. „Lass sie sofort los!"

Der Mann sah ihn abschätzig an, dann die zitternde Klinge in seiner Hand und ignorierte ihn einfach. Falrey stand verzweifelt da. Er musste etwas tun. Er musste angreifen. Aber er konnte nicht auf den Mann einstechen, er konnte es einfach nicht. Tränen stiegen ihm in die Augen und er heulte vor Wut, dann holte er aus, doch anstatt zu stechen, trat er dem Mann mit voller Wucht seitlich ans Knie. Der japste auf und strauchelte zwei Schritte zur Seite. Sofort stellte Falrey sich vor die Frau, den Dolch auf seinen Gegner gerichtet. Dieser fing sich wieder und kam zornentbrannt auf ihn zu, doch ein Kissen flog ihm an den Hinterkopf und er taumelte abermals. „Was steht ihr hier rum?", brüllte Jaz die Frauen an. „Rauf! Tomi, bring sie rauf, verdammte Scheisse!"

Erst jetzt löste sich Tomi aus der Erstarrung. Er winkte und schob die Mädchen eilig die Treppe hoch. Als die letzte verschwunden war, stellte er sich auf die Stufen, aber Jaz rief: „Rauf! Und mach die Türe zu! Fal, du zur Treppe!"

Beide gehorchen unverzüglich, während Jaz einem weiteren Gegner die Nase einschlug. Einen Augenblick lang fragte sich Falrey, warum Jaz ihn auf der Treppe wollte und nicht Tomi, aber er hatte keine Zeit darüber nachzudenken und zu viel Angst um sich zu konzentrieren.

Jaz trat nach einem Gegner, traf ihn aber nicht und taumelte einen Schritt rückwärts. Mittlerweile stand er mit dem Rücken zur Tür und plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er bleckte die Zähne zu etwas, was fast ein Grinsen hätte sein können, und Falrey begriff, was Jaz gewollt hatte: die Gegner waren nun gefangen. Keiner würde entkommen. Falrey schluckte hart, als er begriff, was jetzt kam.

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt