Kapitel 23 - Der Holzmarkt

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Jaz unternahm schneller etwas, als Falrey gedacht hätte. Anscheinend ging es ihm nicht darum, ihn zu piesacken, er wollte ihn einfach nur loswerden. Am Abend, nachdem Falrey mit ihm gesprochen hatte, hatte er sich ordentlich betrunken, sodass er nicht mehr ganz gerade nach Hause lief, doch am Morgen danach war er wieder nüchtern und hatte eine Entscheidung getroffen.

Falrey war bereits früh aufgewacht, doch er hatte nur gegähnt, registriert, dass Emila nicht im Zimmer war und Jaz in seinem Bett lag, und war wieder eingeschlafen. Das nächste Mal erwachte er durch einen Stoss in die Seite. Noch halb schlafend drehte er sich grummelnd davon weg und öffnete halbherzig die Augen, gerade als Jaz ihm zum zweiten Mal die Rippen trat. Als er sah, dass Falrey wach war, sagte er nur: „Steh auf!", und ging dann aus dem Raum.

Schwerfällig wälzte Falrey sich von der Matratze, doch der kalte Steinboden machte ihn auch nicht viel wacher. Es musste immer noch ein gutes Stück vor dem Mittag sein. Er seufzte laut, stemmte sich hoch und gähnte, dann zog er sich um und ging hinunter.

Als er die Küche betrat, sah Jaz ihn an und meinte knapp: „Nein. Die anderen Kleider."

Einen Moment lang hielt Falrey die Luft an. Er spürte das übermächtige Verlangen, einfach loszuschreien. Zuerst schleppte man ihn nachts stundenlang mit, dann weckte man ihn mit einem Tritt und jetzt noch das. Es reicht! Irgendwann ist das Mass einfach voll, verdammt noch mal!

Er atmete langsam wieder aus. „Warum?"

„Weil du damit...", Jaz blickte abschätzig auf Falreys Kleidung. „...aussiehst wie...wie eine Pflanze."

Eine Pflanze?!?, fragte Falrey sich. Trotzig hob er den Kopf. „Und was stört dich das?"

„Es kann ungesund sein, aufzufallen", sagte Jaz kalt.

Falrey blickte sich um und stellte fest, dass Emila nirgends war. Augenblicklich schwand sein Mut. „Aber...es ist doch helllichter Tag."

„Heute Abend nicht mehr."

„Ja, aber..."

„Halt die Klappe", fuhr Jaz ihn an. „Wir brechen jetzt auf und kommen nicht zuerst zurück. Also zieh richtige Kleider an."

Falrey gab sich geschlagen. Ohne ein weiteres Wort ging er hoch und zog sich um. Als er wieder die Treppe herunter kam, wartete Jaz bereits im Flur und schickte sich an, die Türe zu öffnen. Falrey blieb auf der untersten Stufe stehen. „Kann ich wenigstens noch etwas essen?"

Jaz zuckte mit den Schultern. „Wenns sein muss."

Ungeduldig blieb er stehen wo er war, während Falrey sich ein Stück Brot vom Laib auf der Ablage abriss, dann schob er die Riegel auf. Hastig stopfte sich Falrey einen Teil des Brotes in den Mund und eilte ihm nach.

Misty sass draussen und nickte ihm freundlich zu, doch er senkte nur den Blick und war froh, dass er beide Backen voller Brot hatte, denn er hätte nicht gewusst, was er sagen sollte. So konnte er sich darauf beschränken, ebenfalls kurz zu nicken und gut sichtbar zu kauen.

Diesmal gingen sie nicht wie meist sonst in Richtung Norden, sondern geradewegs nach Osten. Es war seltsam, tagsüber hinter Jaz herzulaufen, wenn so viele Leute auf der Strasse waren, so viele Stimmen lachten und redeten. Für Falrey gehörte Jaz so unwiderruflich zum Nacht-Niramun, dass er nun wie ein Schnipsel aus einer anderen Welt wirkte, mit seinen schwarzen Kleidern, der blassen Haut und den weiten Schritten, mit denen er durch die Menge pflügte. Doch Jaz bewegte sich im Gewusel genauso selbstverständlich und zielgerichtet wie nachts in den leeren Gassen und das verwirrte Falrey noch mehr.

Aber wo gingen sie eigentlich hin? Falrey wusste, dass Jaz wegen Laflabems Auftrag um Rok in irgendeinem Saufhaus sein musste, und er wusste zwar nicht, wann das war, aber er kannte die Nachmittagszeiten und davon war es keine. Er überlegte sich, ob er Jaz fragen sollte, wohin sie unterwegs waren. Zwar fürchtete er sich vor einem Wutanfall, aber er bezweifelte, dass Jaz ihm hier, inmitten all der Leute an die Kehle gehen würde.

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt