Kapitel 65 - (Un)gewissheit

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Jaz weckte ihn mit einem Tritt in die Seite. Falrey drehte sich ächzend herum und fragte sich, ob Jaz das absichtlich machte, ihn immer mal wieder einige Tage in Ruhe zu lassen, bis er nicht mehr damit rechnete. Er argwöhnte stark, dass die Antwort darauf Ja war. So wie er Jaz kannte, war er sich voll bewusst, dass er ein gemeines Arschloch war, und nutzte jede Gelegenheit, das zum Ausdruck zu bringen. Er schwor sich, dass er irgendwann zurückschlagen würde und dann würde Jaz nicht darauf gefasst sein.

„Los, Training!", sagte Jaz, während er sich den Dolch in den Gürtel steckte und seinen Umhang festband.

Falrey sah zwei Scheiben Brot neben seiner Matratze liegen und verdrehte die Augen. Er stemmte sich hoch und sagte: „Ich sollte mir doch Arbeit suchen."

„Sieh mich an", sagte Jaz und drehte sich zu ihm um. Er musterte ihn eingehend, schliesslich meinte er: „Noch nicht."

Falrey tastete nach seiner Nase. „Sieht man es immer noch?"

„Ja, wenn man eine Ahnung davon hat", erwiderte Jaz. „Und ich würde es nicht riskieren."

Falrey seufzte, zog sich an und ass die Brote, dann folgte er Jaz die Leiter hinauf. Jaz erwartete ihn bereits, aber bevor er angreifen konnte, deutete Falrey mit dem Finger auf ihn und zischte: „Wehe, du schlägst mir wieder etwas ein!"

Ein Grinsen zuckte um Jaz Narbe, aber er sagte nichts.

Sie hörten erst drei Zeiten später auf zu trainieren. Falrey hatte sich eine hübsche Summe blauer Flecken eingefangen, aber immerhin sah man die nicht, solange er Kleider trug. Und zumindest im Moment hatte er das Gefühl, besser zu werden, langsam aber stetig. Es fiel ihm immer leichter Jaz Schläge abzulenken oder abzufangen, solange sie aus der üblichen Richtung kamen. Er fragte sich, ob es nur daran lag, dass er die Technik immer besser beherrschte und den richtigen Moment erwischte, oder auch daran, dass er stärker wurde. Vermutlich beides und beides war ein Erfolg. Vielleicht würde er weiterhin mit Jaz trainieren, auch wenn er arbeitete. Wenn er dann überhaupt noch Zeit dafür hatte. Und wenn Jaz dann noch irgendein Interesse daran hatte, ihn zu unterrichten. Falrey war sich nicht sicher, ob Jaz das wirklich aus Sadismus machte, oder nur aus Notwendigkeit, damit er nicht ständig auf ihn aufpassen musste.

Sie gingen hinunter in die Küche und Falrey inspizierte die Wassereimer. Sie waren nicht ganz leer, aber leer genug, um einen Gang zum Brunnen zu richtfertigen. „Äh, ich geh mal Wasser holen", sagte er zu Jaz.

Der zuckte mit den Schultern. „Von mir aus?"

Nemi war nicht am Brunnen und sie tauchte auch nicht auf in der geraumen Zeit, die Falrey brauchte um die Eimer zu füllen, indem er sich absichtlich ungeschickt anstellte. Als es begann auffällig zu werden, gab er auf und kehrte ein wenig enttäuscht zum Haus zurück.

Bald darauf brachen sie auf. Sie streiften eine Weile durch die Gassen in Richtung Norden und Jaz rauchte ein Schilf, dann betraten sie den Roten Fuchs. Für dieses Art Lokal war es noch früh am Abend und so waren noch kaum Leute da. Nach einiger Zeit und einem Bier kam der Mann, der den Mord an Bergey in Auftrag gegeben hatte, und setzte sich zu ihnen. Er schob Jaz den Lohn zu, beugte sich über den Tisch und sagte: „Ich hätte da einen weiteren Auftrag für dich. Etwas Ähnliches."

Jaz musterte den Mann mit kaltem, scharfem blick. Schliesslich fragte er: „Für wen arbeite ich, wenn ich annehme?"

„Sagt dir der Name Tersavell etwas?", fragte der Mann.

Jaz nickte.

Der Mann hob eine Augenbraue. „Und, nimmst du an?"

„Sag mir, worum es geht", forderte Jaz.

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt