Kapitel 43 - Bier und Geschichten

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Naverims Haus zu finden war einfach nach der Beschreibung, die sie erhalten hatten. Dort eine Auskunft zu bekommen gestaltete sich wesentlich schwieriger.

Nachdem Jaz zum zweiten Mal angeklopft hatte wurde ein kleines Fenster in der Türe aufgeschoben und eine ältere Frau mit hochgesteckten Haaren musterte sie abschätzig. „Was wollt ihr?"

„Wir wollen zu Befrem", antwortete Jaz.

„Wohnt nicht mehr hier", sagte sie schroff und wollte das Fenster wieder zuschlagen.

Falrey trat einen Schritt nach vorne. „Könntet ihr uns dann sagen, wo er jetzt wohnt?", fragte er und versuchte dabei so freundlich zu klingen und auszusehen, wie er es angesichts dieses mürrischen, hochnäsigen Gesichts zustande brachte.

Sie reckte sich, um auch ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. „Das geht euch nichts an."

„Wer ist an der Tür?", rief eine Frauenstimme aus dem inneren des Hauses.

„Nur zwei Tagediebe, Herrin", rief der Türdrachen zurück.

„Bitte, sagt uns, wo er wohnt", bat Falrey flehentlich. „Wir wollen ihn nur etwas fragen, es geht um..."

Sie begann erneut, den Fensterladen zuzuziehen, doch diesmal machte Jaz einen schnellen Schritt und hielt ihn fest. Sie zerrte an dem Hebel auf der Innenseite, aber sie kam nicht gegen ihn an. Er brachte sein Gesicht dicht an das kleine Fenster und zischte: „Wenn dir der höfliche Weg nicht passt, dann drücke ich mich gerne etwas deutlicher aus. Wir hatten eine verdammte Arbeit um dich zu finden, um dir diese Frage zu stellen, und es war ziemlich nervenzerfressende Arbeit. Du willst nicht der Grund sein, warum meine Geduld reisst, indem du dich weigerst, eine Antwort zu geben."

Sie wich einen Schritt zurück. „Wie sprichst du mit mir", stammelte sie. „Und warum wollt ihr zu Befrem? Er macht keine Geschäfte mehr."

„Wir wollen ihm nur eine Frage stellen, eine kleine, harmlose Frage, dann gehen wir wieder", antwortete Jaz und plötzlich schien es, als müsste er sich an der Türe abstützen. „Eine Frage über etwas, was vor sechzehn Jahren war. Was ist denn so schlimm an einer verdammten Frage, dass die Leute sie einen nichtmal stellen lassen wollen?"

„Vielleicht liegt es an dem, der sie stellt", antwortete die Frau in leicht überheblichem Tonfall. „Ihr seht aus wie Strassenpack und mit solchen Leuten verkehrt der ehrwürdige Vater meines Herrn sicher nicht."

Jaz ballte die Fäuste und unterdrückte nur mühsam den Zorn in seiner Stimme. „Wir sind auch nicht schlechter als die Tagelöhner und Arbeiter, mit denen dein Herr und sein Vater sehr wohl verkehren. Sag uns, wo Befrem wohnt, und du bist uns los für alle Zeit deines Lebens und siehst uns Strassenpack nie wieder."

„Das bin ich auch, wenn ich euch keine Antwort gebe." Ihr Tonfall ging sogar Falrey auf die Nerven.

„Sei dir da nicht so sicher", sagte Jaz leise und in seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der Falrey die Nackenhaare aufstellte.

Der Frau schien es nicht viel anders zu gehen. „Du drohst mir?", fragte sie schrill.

„Nein", antwortete Jaz und Falrey war sich nicht sicher, ob er es ernst meinte oder völlig ironisch. „Ich versuche dir nur zu zeigen, dass du dir und mir eine Menge Aufwand und Ärger ersparen kannst, wenn du mir eine Antwort gibst. Weil ich kann ziemlich nervig werden, wenn ich genervt bin."

Sie sah ihn skeptisch an, dann meinte sie. „Er wohnt in einem kleinen Haus an der Ruckelgasse, mittlerer Le. Und jetzt macht, dass ihr verschwindet!"

Jaz trat einen Schritt zurück und gab das Fenster frei, sie schlug es zu und liess sie ohne ein weiteres Wort stehen.

Sie gingen schnurstracks nach Nordwesten. Es war bereits spät, denn sie hatten trainiert, bevor sie zu Naverims Haus aufgebrochen waren, und sie mussten einige Nachbarn fragen bis sie mit Sicherheit wussten, dass in dem kleinen Reihenhaus ein Mann namens Befrem mit seiner Frau wohnte, denn sie schienen ein recht zurückgezogenes Leben zu führen.

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt