Kapitel 20 - Zeiten

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Falrey erkannte die Strasse nicht sofort wieder. Erst nachdem sie sich schon geraume Zeit in den Schatten des Mauervorsprungs gedrückt hatten, begriff er, dass es die selbe war, in der sie gegen Ende der letzten Nacht gestanden hatten. Nach einer weiteren halben Ewigkeit tat ihm langsam alles weh von der unbequemen Haltung und er war versucht zu fragen, was sie hier eigentlich taten. Die Fackeln waren schon lange verloschen und der Halbmond untergegangen.

Falrey hob vorsichtig den rechten Fuss, um ihn zu schütteln, denn er war eingeschlafen. Jaz fuhr augenblicklich herum und sah aus, als wollte er ihn zur Schnecke machen, da ging einige Schritt vor ihnen eine Türe auf. Jaz duckte sich tiefer in die Schatten. Ein Mann in dunklen Kleidern trat heraus. Er sah sich flüchtig nach beiden Seiten um, während er die Türe verschloss. Falrey hielt den Atem an. Dann ging der Fremde in die entgegengesetzte Richtung davon.

Jaz blieb noch eine Weile stehen, dann löste er sich aus dem Schatten und ging lautlos auf die Türe zu. Er spähte durch das Schlüsselloch und machte sich dann mit etwas Metallenem daran zu schaffen. Kurz darauf ertönte ein Klicken, Jaz stand auf und drückte vorsichtig die Türklinke herunter. Die Tür liess sich ohne Widerstand öffnen. Jaz zog sie einen Fussbreit auf und linste durch den Spalt, bevor er sie ganz öffnete. „Poss, du Volltrottel", murmelte er. „Für einen Dieb hast du immer noch verdammt schlechte Schlösser."

Er trat einen Schritt in die Dunkelheit und drehte sich zu Falrey um. „Komm rein! Aber fall nicht über die Schnur, keine Ahnung, was die auslöst."

Erst jetzt sah Falrey, dass gerade hinter der Tür etwa einen Fuss über dem Boden ein dünnes Seil gespannt war. Vorsichtig stieg er darüber.

Jaz griff an ihm vorbei und zog die Tür wieder zu. Dann zündete er eine kleine Laterne an, die ein erstaunlich helles Licht verströmte und stellte sie auf den Boden. „Bleib, wo du bist", sagte er leise zu Falrey. „Und fass nichts an. Ich würd dich ja draussen stehen lassen. Aber dann wärst du vermutlich nicht mehr da, wenn ich wiederkomme."

Er sah sich im Raum um. Es war ein ziemliches Chaos.

„Keine Sorge", flüsterte Falrey. „Ich habe nicht vor abzuhauen."

Jaz Stimme war ein spöttisches Grinsen anzuhören, als er antwortete: „Ich glaube kaum, dass sie dich nach deiner Meinung fragen würden."

Falrey wurde plötzlich kalt.

Jaz nahm die Laterne wieder in die Hand, zischte „Bleib da" und verschwand durch eine Türöffnung im Nebenraum.

Um Falrey herum wurde es stockdunkel. Er konnte nicht einmal mehr seine Hand vor Augen sehen. Jaz kam nicht zurück. Furcht beschlich Falrey. Woher sollte er wissen, dass Jaz ihn nicht einfach hier stehen liess, im Dunkeln in einem fremden Haus? Ziemlich leichte Methode, ihn loszuwerden. Was Poss wohl mit ihm tun würde, wenn er ihn fand? Zur Not konnte er immer noch zur Türe hinaus, Jaz hatte sie nicht wieder verschlossen. Allerdings, wenn er allein auf der Strasse war, dann würden sie ihn vielleicht holen, wer immer das war... Quatsch, Jaz wollte dir bestimmt nur Angst machen. Aber wenn nicht... Es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Reg dich ab, sprach er sich selber Mut zu. Jaz muss wieder hier raus. Es sei denn, das Haus hatte eine Hintertüre. Oder Fenster.

Die Zeit dehnte sich schrecklich in die Länge, bis endlich wieder ein Lichtschimmer in den Raum fiel. Jaz wirkte verärgert. Er durchsuchte alles und fluchte leise: „Poss, du verdammter Dieb, wenn du das Zeug schon verscherbelt hast, lernst du mich kennen."

Falrey wagte eine Frage: „Hast du es nicht gefunden?"

Jaz knurrte: „Eine Kette nicht."

„Die anderen sieben hast du?"

Niramun I - NachtschattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt