„Der Faustkampf unterscheidet sich in zwei Punkten von einem Kampf mit dem Dolch oder anderen Waffen. Der erste ist, dass weder du noch dein Gegner einen Dolch in der Hand haben. Ich weiss, das klingt logisch, aber es bedeutet, dass es nicht reicht, einen zu streifen, um einen Treffer zu landen, sondern du musst immer mit Wucht schlagen. Es bedeutet aber auch, dass du nicht jeden Angriff unbedingt abwehren musst. Du kannst einen Schlag durchaus in Kauf nehmen, wenn dadurch ein Vorteil für dich entsteht – und er dich nicht weghaut."
Jaz stand auf dem Dach, die Hände zu Fäusten geballt, als versuchte er zu illustrieren, wovon er sprach. Sein Gesicht sah einschüchternd aus, und für einmal war es nicht wegen des starren Blickes, sondern wegen der blauen Flecken, auch wenn die schwarzen Stirnfransen, die ihm mittlerweile bis weit über die Augen hingen, einiges verdeckten. Falrey versuchte sich nicht auszumalen, wie es sich wohl anfühlte.
„Der zweite Punkt ist, dass du den Gegner nicht umbringen solltest." Er fing Falreys Blick auf. „Ich weiss, das hattest du auch nicht vor. Aber es sollte auch nicht ausversehen passieren. Und du solltest den Gegner nicht allzu schwer verletzen. Eine gebrochene Nase oder auch mal ein Finger liegt drin, aber mehr nicht. Ausser du willst einen schlechten Ruf. Aber das war wohl auch nicht die Idee, oder?"
Er sah Falrey mit einem schiefen Blick an. Der schüttelte schnell den Kopf. „Also gibt es ein paar Schläge, die tabu sind", sagte Jaz. „Auf die Kehle. Hart an die Schläfe. Allgemein Tritte gegen den Kopf. Das sind die tödlichsten. Du darfst keine ruckartigen Hebel anwenden, sonst brichst du die Gelenke. Und du solltest nicht zu tief schlagen." Er hielt inne. „Ich hab dir nie gezeigt, wie man richtig schlägt, oder?"
Falrey schüttelte vage den Kopf.
Jaz dachte kurz nach, dann trat er neben ihn. „Sieh her. Du ballst die Faust. So, dass der Daumen aussen ist, sonst kann es sein, dass er bricht. Wenn du schlägst ist wichtig, dass du nicht nur deinen Arm bewegst. Die Energie für den Schlag kommt aus beiden Schultern und dem ganzen Körper. So."
Er zeigte es vor. Falrey versuchte, die Bewegung nachzumachen.
„Nicht anspannen", korrigierte Jaz. „Anspannen macht langsam. Lass den Arm locker bis kurz bevor er auf den Gegner trifft. Dann stabilisieren und du hast die volle Wucht."
Er sah Falrey an. „Wie hart ein Schlag ist, hängt vor allem davon ab, wie schnell er ist, und wie tief du schlägst. Du zielst niemals auf die Haut des Gegners, sondern immer dahinter. Je weiter dahinter, desto härter der Schlag."
Er schlug gegen seine eigene Handfläche, um zu zeigen, was er meinte. Dann hielt er die Handfläche Falrey entgegen. „Schlag!"
Falrey holte aus und schlug mit der Faust in Jaz Hand. „Lockerer!", befahl Jaz. „Und tiefer."
Falrey trat näher und schlug wieder zu. „Tiefer", wiederholte Jaz. „Nimm die Kraft aus dem Körper. Und jetzt mit links."
In immer schnellerer Abfolge liess er ihn abwechslungsweise links und rechts zuschlagen und korrigierte ihn dabei immer. Bald war Falrey ausser Atem und seine Knöchel brannten vom Aufprall. Schliesslich liess Jaz ihn aufhören. „Das selbe gilt für Kicks. Je tiefer, desto härter. viele Leute vergessen beim Prügeln, dass sie Beine haben. Dabei erzielt man damit viel die grössere Wirkung. Und im Gegensatz zum Dolchkampf haben sie hier nicht mehr den Nachteil, keine Waffe tragen zu können."
Falrey hob eine Augenbraue. „Und du hast nie versucht, Klingen in die Schuhe einzubauen?"
Jaz sah ihn an. „Ich habs mir mal überlegt. Aber soweit ich weiss gibt es keinen brauchbaren Mechanismus, mit dem man sie schnell raus und wieder rein bekommt, wenn man sie braucht."
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Niramun I - Nachtschatten
FantasyNiramun, die ewige Stadt, Kessel und Spitze, ein Schmelztiegel am Rande der Wüste. Ein Ort ohne Herrscher und Gesetze, an dem das Schicksal eines Halbwaisen nur eines ist unter hunderttausenden. Auf der Suche nach seinem Vater landet Falrey mit kau...