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Ich setzte mich in meinem Krankenbett auf, nachdem ich mich wieder halbwegs sicher fühlte - und überhaupt dazu im Stand war. Was für eine Ironie, dachte ich mir, das Ding, das mir am nächsten steht, ist auch das, was mich am schlimmsten verletzen konnte. Wie oft man das wohl schon in Filmen und Büchern gehört beziehungsweise gelesen hatte. Lächerlich und klischeehaft. Angewidert verzog ich das Gesicht.

Ohne auch nur ein Wort über meine blassen Lippen zu bringen, drehte ich mich zur Bettkante und ließ meine Füße seitlich herunterbaumeln. Meine Sicht war immer noch leicht verschwommen, wie wenn man durch eine nicht angepasste Brille schauen würde, und das bereitete mir Kopfschmerzen. Ich rieb mir die Schläfen, dann blickte mich kurz um. Apropos Brille ... Meine war nicht hier. Entschieden schüttelte ich den Kopf und sagte mir, dass ich mich später darum kümmern würde, denn jetzt gab es wichtigere Dinge, die sich um meine Aufmerksamkeit stritten.

Hilfst du mir?, fragte ich still. Ein bestätigender, warmer Lufthauch strich über mein Gesicht und bejahte meine Frage. Dann stand ich vorsichtig und langsam auf. Meine Beine knickten ein, doch bevor ich stürzen konnte fing Second mich auf.

„Verdammt!", fluchte ich leise und stützte mich am Bettrand ab. Ich schaffte es mich wieder auf meine Beine zu ziehen und begann wackelig ein wenig im Raum auf und ab zu gehen -natürlich mit Seconds Hilfe. Es entsetzte mich, wie schwach ich mich fühlte. Diese Aktion -was auch immer es gewesen sein mochte- hatte mich mehr Kraft gekostet als ... nun ja ...
Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht einmal geglaubt, dass ich da jemals lebend wieder rauskomme.

Das schwache Zittern, welches sich an meinen Körpers klammerte, als würde es um sein Leben gehen, konnte ich nicht einmal mit all meiner Willenskraft mindern. Es war nicht das erste Mal, dass es mir so ging, aber es war mir mehr als nur unangenehm, solche Sachen zugeben zu müssen, immerhin war ich ja kein Mädchen. Ständiges Unwohlfühlen wird oft den Mädchen zugeschrieben und dann kamen da noch ihre ständigen Stimmungswechsel hinzu, wenn sie ihre Tage hatten - das konnte ich öfters Roxana beobachten. Wie unheimlich...

Mein Magen war ein einziges schwarzes Loch, welches eine schmerzhafte Rebellion - aufgrund von nicht regelmäßig zugeführter Nahrung - startete und mein Kopf schien mit Watte gefüllt zu sein. Alles schien flauschig und falsch. So kraftlos hatte ich mich noch nicht einmal während meiner schlimmsten Erkrankungen gefühlt. Alles schien unheimlich schwer. Die Anziehungskraft der Erde schien sich in den letzten paar Stunden, in denen ich nicht ganz bei mir war, verdreifacht zu haben. Ich schien einfach nur kraftlos und zittrig. Bei jeder Bewegung kam es mir vor, als müsste ich nicht meinen eigenen Körper, sondern etwas Kompliziertes und fremdes bedienen. So falsch schien mir die Welt. Ich blickte auf meine Hand, während ich sie anhob. Ob nicht vielleicht Second der eigentliche Mensch war, und ich der Eindringling, der ihm seinen Körper gestohlen hat? Es würde erklären, weshalb er die ganze Zeit bei mir wäre. Was es nicht erklärte, war jedoch, weshalb er dann so fürsorglich und gleichzeitig egoistisch war. Ich konnte beobachten, wie meine Hand bebte. Meine Gedanken kehrten zu meinem aktuellsten Problem zurück und meine Hand ballte sich zur Faust.

„Stimmt, es ist nicht nur Einbildung ..."

Wieder einmal fühlte Second sich mies.

„Hör auf damit. Tu es einfach kein zweites Mal, okay?"

Um mich herum wurde die Luft wärmer. Er stimmte zu.

„Gut." Mit der Zeit hatte ich gelernt seine stummen Zeichen zu lesen. Bei wärme, stimmte er mir zum Beispiel zu und wurde es kälter, war er dagegen. Wieso er gerade bei mir war, wusste ich nicht - ob es nun eine meiner seltsamen Theorien war oder nicht, sei mal so dahingestellt. Wir hatten auch nicht immer das beste Verhältnis zueinander gehabt, trotzdem wusste ich genau, dass ich mich auf ihn verlassen konnte. Er - oder es - war einer der wenigen, bei dem ich das zu einhundert Prozent wusste.

Hidden - Insidious Friend (Creepypasta FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt