„Wieso ausgerechnet der?" Ich bemerkte erst, dass ich die Frage laut gestellt hatte, als sich alle Augen auf mich richteten. Mit Sicherheit hatte man mir meine Empörung anhören können, ansonsten würde der schwarzhaarige Smiley nicht so dämlich grinsen. Leicht genervt biss ich mir auf die Lippe.
„Weil er eine unheimlich schlechte Kontrolle, um nicht zu sagen fast gar keine Kontrolle, über seine Emotionen hat. Und das sehe ich ihm an.", antwortete 17 sachlich.
„Und was genau soll daran so gut sein? Soweit ich mich daran erinnere, ist das doch das größte Defizit an ihm und der Grund, weshalb er eigentlich nicht dafür infrage kommt." Es war der Clown der sprach und das kleine Wörtchen „nicht" förmlich ausspuckte, wie verdorbenes Essen was sich zufällig unter eine höchst delikate Speise gemischt hatte. Auf einmal war er mir sympathischer, nicht viel, aber immerhin ein bisschen. Mit einem straffen meiner Schultern versuchte ich meinen Körper wieder in das puppenhafte Etwas zu verwandeln, welches ich schon so lange kontrolliert steuerte.
„Weil genau darauf meine nette ‚Besonderheit' baut." Ein gefährliches Lächeln trat auf ihre Züge, als sie ein weiteres Mal zu Jeff blickte. Jetzt wurde ich hellhörig. Was hatte sie gesagt? „Lina kann andere gegen Wände laufen lassen und Aiden hat eine recht ungesunde Beziehung zu Toten. Liegt es da nicht nahe, dass ich auch irgendetwas kann?" Unwillkürlich schluckte ich, als sie die Sache mit den Toten erwähnte. Alle schwiegen. Jeder wartete darauf, dass sie fortfuhr. Nach einer kleinen Weile tat sie das dann auch. „Ich habe die nette kleine Fähigkeit nicht nur deine Gefühle, sondern auch dein Verhalten und deine Einstellung zu bestimmten Dingen zu manipulieren." Sie lächelte und trat ein paar Schritte an Jeff heran. Es war als würde sie nur mit ihm sprechen und uns andere völlig vergessen haben. „Das heißt wiederum, wenn du auch nur auf die Idee kommen solltest, Aiden oder mir auch nur ein Haar zu krümme, degradiere ich dich zum Vorzeigejungen, der alten Frauen über die Straße hilft und ehrenamtlich die Straßen säubert, einfach nur als kleiner Dienst für die Allgemeinheit." Ein spitzes Lachen drang aus ihrer Kehle und man merkte, wie sich an Jeff etwas veränderte. Meine Augen weiteten sich leicht, als ich die Vorsehung erkannte, die seine Pupillen langsam ein wenig größer werden ließ. Er war nicht sicher, ob das ein schlechter Scherz sein sollte, oder ob sie es ernst meinte. Ein flüchtiger Blick zu mir, doch als er merkte, dass ich mindestens ebenso viel Ahnung hatte wie er, blickte er wieder Nummer 17 an. Dann kehrte wieder sein, dieses Mal mies gelauntes, selbst zurück. Er murmelte ein paar Flüche und stimmte dann zu. Er würde bleiben, und sich benehmen müssen. Ein überlegenes Lächeln konnte ich mir hierbei nicht verkneifen.
Die kleine Gemeinschaft hatte sich aufgelöst. Ich übergab 17 Noras Zimmer, wobei ich sie darum bat, die Sachen meines alten Kindermädchens nicht anzurühren. Jeff quartierte sich zu meinem Unwohlsein in Jacksons Zimmer ein, welcher direkt nach dem Kaffeekränzchen wieder an den Waldrand gerufen wurde. Irgendwas von einem blöden Unfall, glaube ich. Tja, ab jetzt würde ich wohl wieder den Kasten vor die Tür zum Badezimmer stellen müssen...
Erschöpft ließ ich mich in meinem Zimmer auf das Bett fallen. Es war erst früher Nachmittag und ich war jetzt schon vollkommen fertig. Ein paar Stunden Schlaf würde ich mir jetzt wohl leisten können, besonders, da 17 Jeff nun an der kurzen Leine hielt. Ich strich mir ein paar Haare aus dem Gesicht und schloss langsam meine Augen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich eingeschlafen war, bis ich aufwachte und den Schock meines Lebens bekam – nun ja, einen weiteren Schock meines Lebens wohl eher. Wie ein Hase, sprang ich förmlich aus dem Bett und landete direkt am Boden. Ich stöhnte einmal schwer auf, als der Schmerz einsetzte und richtete mich, mein Steißbein reibend, vorsichtig wieder auf. Das hatte weh getan. Mit säuerlichem Gesichtsausdruck blickte ich das schwarz-weiße Etwas an, welches sich neben mich gelegt hatte und unheimlich auf mich herabgestarrt hatte. Das Grinsen des Fremden in meinem Bett wanderte bis zu seinen Augen hoch. Ein leises Kichern verließ seine Kehle und irgendwann krümmte er sich vor Lachen.
Ich zog den Kopf ein und trat ein paar Schritte vom Bett weg. Solange 17 nicht in der Nähe war, wollte ich Abstand von diesem Irren halten. Wie wenn Jeff dies von irgendwo her zugeflüstert bekommen hätte, setzte er sich auf und blickte mich an. Er hatte sich wieder einigermaßen beruhigt und musste sich nun die Tränen aus dem Gesicht wischen. Unsicher blickte ich mich kurz in meinem Zimmer um. Hier war nichts, was ich hätte als Waffe benutzen können. In solchen Momenten war meine Reinlichkeit überhaupt nicht von Vorteil, besonders, wenn ich wegen ihr keine Gegenstände einfach so herumliegen lassen konnte. Meine Haut begann zu jucken. Gar nicht gut. Mein Blick wanderte wieder zurück zu Jeff und dem Bett, auf dem er immer noch saß. Es schien, als hätte man einen Kohlehaufen über das Bett rollen lassen. Die dunklen Flecke, welche vor Schmutz und Unreinheit nur so zu pulsieren schien, breitete sich langsam wie ein Virus über das ganze Bett aus. Widerlich. Reflexartig drehte ich mich um und stolperte zur Tür. Ich musste die Bettwäsche wechseln, mich duschen und mein Zimmer noch einmal putzen. Wer weiß denn schon, wo er überall war, als ich geschlafen habe. Auf einmal schien der gesamte Raum schwarz. Diese Flecken waren überall und nicht zuletzt auch auf mir. Ich beobachtete, wie meine Finger zu zittern begannen.
„Das scheint ja ziemlich ernst bei dir zu sein.", bemerkte Jeff erstaunlich nüchtern. „Für jemanden, der so stark sein soll, bist du aber geradezu ... fragil. Andererseits, ist es nicht das, was dich so interessant macht." Leise konnte ich den Stoff der Decke rascheln hören, als Jeff sich erhob. Seine Schritte waren so leise, dass ich nur erahnen konnte, wo er hinging. Immer schwerer Atmend, zog ich die Schultern an und legte mir meine Arme um den Körper. Er soll von mir wegbleiben. Das Zimmer. Widerlich. Er. Widerlich. Ich. Widerlich! Es schien als, würden die Wände langsam näherkommen und meine Haut mir zu eng zu werden. Dann legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich fuhr so heftig zusammen, dass man hätte meinen können, die Hand wäre glühend heiß gewesen. Ich wirbelte herum und stolperte gegen die Tür. Meine Beine knickten leicht ein und nur mehr die Tatsache, dass ich an der Wand lehnte, ließ mich überhaupt noch stehen. Jeff blickte eine Weile verständnislos auf mich herab. Seine fiesen Augen schimmerten nur so vor ... vor was eigentlich? Was auch immer es war, ich war nicht in der Verfassung es zu deuten. Für einige Stunden, wie es mir vorkam verharrten wir so. Mein Puls raste und ich wollte nur mehr hier raus. Dann bewegte sich der Schwarzhaarige. Ohne Hast und vollkommen ruhig hob er die Hand und legte sie auf den Türgriff neben mir. Er drückte die Klinke hinab, wodurch die Tür auffiel und ich rückwärts stolperte. Hätte Jeff nicht im selben Moment nach mir gegriffen, wäre ich wohl oder übel ein weiteres Mal unsanft auf meinem Hintern gelandet. Er hätte mit Sicherheit wieder gelacht und ich würde panisch ins Bad flüchten.
Doch das passierte nicht. Der Mann erwischte mich am Arm und zog mich wieder auf meine zittrigen Beine. Ich war nun so nah an ihm dran, dass ich die Hitze seines Körpers spüren konnte. Ekelhaft. Mit einem geradezu lächerlich schwachen Drück- und Ziehversuch, probierte ich seine Hand von meinem Arm wegzubekommen. Sein Griff wurde nur noch fester und er beobachtete, wie ich immer verzweifelter versuchte von ihm wegzukommen. Ich könnte schwören, dass ich ihn aus den Augenwinkeln lächeln sehen konnte. Irgendwann ließ er mich dann doch los und das, was er vorher verhindert hatte, ließ er mich jetzt wieder einholen. Ein weiteres Mal landete ich unsanft auf dem Boden. Leise konnte ich hören, wie jemand die Treppe heraufgerannt kam. Jeff blickte mit schmalen Augen auf mich herab. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du jemals so empfindlich warst. Nur ein Tipp: sieh zu, dass du das loswirst, natürlich helfe ich dir gerne dabei." Mit einem leisen Kichern wandte er sich ab und nur kurze Zeit nachdem er verschwunden war, erreichte Nummer 17 mich. Auf dem Bode kauernd, saß ich da und hoffte, dass sie das nächste Mal schneller sein würde...
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Hidden - Insidious Friend (Creepypasta FF)
FanfictionIch konnte ihre Blicke in meinem Rücken spüren. Wie sie nach etwas lechzen, und doch nicht wussten, wonach sie greifen sollten. Gründe, mich mobben zu können, gab es genug. Doch es traute sich niemand. Sie hatten alle Angst. Das konnte ich in der Sp...