5.

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Ich erwachte. Dieses Mal nicht mehr alleine. Seconds tröstende Nähe umgab mich. Ich fühlte mich schwach und kraftlos. Meine Augen hielt ich geschlossen. Es gab nichts, was ich im Moment sehen wollte. Nichts, was mir diese verdammte Welt hätte bieten können.

Second, was ist passiert? Und wichtiger, wo warst du?

Eine hässliche Trauer überflutete mich und ich biss mir in die Unterlippe. Eine sanfte Berührung glitt über meinen Körper. Etwas Tröstendes und Entschuldigendes.

Ich weiß es nicht.

Ist das alles?

Schweigen. Tief in mir merkte ich, dass es meinen unsichtbaren Freund unheimlich Leid tat. Ich merkte, wie er sich selbst dafür hasste. Meine Hände gruben sich in einem recht steifem Stoff.

Diese Schmerzen ... für die war nicht das Mädchen verantwortlich, oder?

Second stimmte mir wortlos zu.

Sie waren von dir, nicht wahr? Weil du dich zu weit von mir entfernt hast ...

Ich merkte wie mein zweites Ich sich unter meinen Worten wand und wie sie ihn plagten.

Tu das nicht noch einmal, drohte ich meiner besseren Hälfte, versprich es mir.

Ein warmes Gefühl umgab meinen Körper und ich wusste, dass er es ernst meinte.

„Aiden?", eine junge, bekannte Frauenstimme drang an meine Ohren. Sie wirkte besorgt und irgendwie ängstlich. Ich zwang mich langsam meine Augen zu öffnen. Wie ich es mir bereits gedacht hatte, ich lag nicht mehr vor der Schule. Ich starrte eine weiße Wand über mir an und lag auf einem reinweißen Bett. Meine Sicht war verschwommen. Es roch nach Hygienemitteln und ein unwohles Gefühl machte sich in mir breit.

Ich bin ...

Im Krankenhaus, beendete Second meinen Satz.

Oh, war alles, was mir dazu einfiel. Ein belustigtes Zucken durchfuhr meinen Körper, wie jedes Mal, wenn mein Freund unsichtbar lächelte. Zumindest glaubte ich, dass er lächelte.

„Aiden?", fragte dieselbe Stimme noch einmal. Jetzt erst drehte ich meinen Kopf vorsichtig zur rechten Seite. Und da saß sie. Die Frau, die im Moment für mich sorgte, und die Aufgabe meiner Aufsicht übernahm. Eleonore Evens, oder kurz Nora, mein ... Kindermädchen. Ja, ich hatte ein Kindermädchen. Meine Mutter konnte schlecht von Korea aus auf mich achten, wodurch sie einen Ersatz brauchte. Versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Mutter und sie ist echt traumhaft schön und eine super Frau, doch mit Erziehung und so kennt sie sich Null aus.

Na dann lasst mich ein wenig von meinem bisherigem, eilends langweiligem Leben erzählen: Meine Mutter ist Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin, kurz gesagt, ein gefragtes K-Pop-Idol (Nicht existentes Idol ...). Mein Vater ist ... Arzt, Wissenschaftler, irgendetwas in diese Richtung. Meine Eltern waren verheiratete, mit der Betonung auf waren. Nach diesem ... „Unfall", haben sie sich scheiden lassen und ich bin bei meiner Mutter geblieben. Noch erwähnenswert, wäre vielleicht, dass wir von Korea aus hierher gezogen sind. Ursprünglich. Meine Mutter wollte zu dieser Zeit eine kleine Karrierepause einlegen und was eignete sich besser dafür, als ein abgeschiedenes, grusliges Dorf. Zugegeben, am Anfang war es klasse. Wir hatten es geliebt. Es war ruhig. Entspannend. Die Leute waren eigentlich recht nett –bis auf den Vollidioten Mitch aus der ersten Parallelklasse- und die Schulen waren gut. Dann, nach ein paar Jahren passierte es und alles ging schief. Zu dieser Zeit, war Second das, was mich vor einem vollkommenen Absturz bewahrte, und irgendwann knapp nach diesem „Unfall", stellte man mir Dr. Spin vor, meine neue Psychologin. Ich bekam ein Kindermädchen und langsam wurde es eiskalt im Haus. Meine Mutter flog viel öfter wieder nach Korea, zu ihren Eltern. Natürlich auch wegen ihres Jobs, aber ...

Mein Vater zog sich auch immer mehr zurück. Seine Arbeit sei wichtig. Manchmal begleitete ich ihn, zumindest, glaubte ich das. An was anderes erinnere ich mich nicht mehr. Auch nicht an das, was bei seiner Arbeit geschah. Im generellem erinnere ich mich an sehr wenig aus dieser Zeit. Im Großen und Ganzen, war Nora diejenige, die auf mich achtete. Zu dieser Zeit war sei als Teilzeitbabysitterin eingestellt worden. Grobe vierzehn Jahre alt. Am Ende verschwand mein Vater irgendwo in seiner Arbeit, es kümmerte mich um ehrlich zu sein gar nicht. Der Arsch soll bloß weg bleiben. Meine Mutter war am Schluss diejenige, die die Scheidung einreichte und das Sorgerecht für mich gewann. Sie versuchte wieder öfter bei mir zu sein und wollte mich mit sich nach Korea holen. Ich weigerte mich und blieb. Lange rede, kurzer Sinn: Ich blieb mit Nora als Betreuung und hielt mit meiner Mutter regelmäßig Kontakt. Sie rief oft an und wir redeten meist stundenlang. Ich wusste, dass es ihr wichtig war, deswegen machte ich auch mit. Sie versuchte alles, um mir zu zeigen, dass sie immer für mich da war, und ich wusste ebenfalls, dass sie mich liebte und mich vor allem, was auch immer kommen mag, beschützen würde ... zumindest so gut sie konnte ... Und jetzt kommen wir wieder zu heute.

Nora kannte ich schon seit Jahren, um genau zu sein waren es nun grobe zehn Jahre. Ihr Alter kann man sich ja selbst ausrechnen. Sie war nett, manchmal ein wenig zu nett, trotzdem hütete ich mich davor sie wütend zu machen. Nicht, dass sie bei mir schon mal laut geworden wäre, aber man konnte ja nie wissen. Manchmal machte sie sich etwas zu viele Sorgen, doch das gehörte zu ihrem Charakter. Ich mochte sie. Ihre Art. Grusliger weise, ähnelt sie meiner jetzigen Freundin, Roxana, irgendwie. Nur war Nora etwas ... sie war nicht ganz so selbstbewusst.

Ich war froh, dass ich sie an meiner Seite hatte. Wie eine große Schwester. Und ich glaube auch, dass sie mich eher für ihren verantwortungsvollen Bruder hielt, als einfach nur für einen Auftrag.

Ein erleichtertes Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, als sie sah, dass es mir, zumindest Äußerlich gut ging. „Oh Gott sei Dank.", sagte sie leise.

„Dem brauchst du nicht danken, der hatte nichts damit zu tun", gab ich zurück, während ich mich stöhnend versuchte aufzusetzen. Nach zwei Anläufen ließ ich es jedoch sein. Ich war geradezu lächerlich kraftlos.

Ein tadelnder Blick von Nora verriet mir, dass mein Kommentar mehr als nur unnötig war. Sie strich sich eine ihrer glatten, braunen, schulterlangen Haarsträhnen hinters Ohr. Ihre schokoladenfarbenen Augen ruhten auf mir. Sie wirkten warm und führsorglich. Ja, ich war glücklich mit meiner provisorischen, großen Schwester...

Hidden - Insidious Friend (Creepypasta FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt