27.

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Ps. das Cover wird sich noch ein paar mal ändern. Ich bin einfach nicht damit zufrieden damit...
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(?) Stunden zuvor:

Zeitgefühl hatte ich keines mehr. Hier unten war jeder Tag, wie der vorherige. Alle gleich aufgebaut und nur die Gespräche mit unserem zuständigen Betreuer waren halbwegs außergewöhnlich. Außergewöhnlich, weil wir nicht ein Stück vorankamen. Mit Dr. Spin hatte ich ja schon Probleme gehabt, aber das hier toppte sie nochmal um eine Stufe. Second war nicht zurückgekehrt. Der seltsamen Frau in Weiß, mit ihren hohen, schwarzen Lack-High Heels – meiner „Betreuung" – hatte ich nichts von ihm erzählt. Normal spielen war leicht, wenn das einzige, was dich besonders gemacht hat, nicht mehr da war.

Doch ich war ja nicht allein. Während ich in Selbstmitleid förmlich ertrank, veränderte sich auch Victoria. Irgendwann beichtete mir das kleine Mädchen sogar, dass es eigentlich Anja hieß, doch den Namen schrecklich fand. „...Weißt du, es gibt sogar einen Königin, die Victoria heißt. Und wenn jemand über sie spricht, tu ich gern so, als wäre ich sie. Das gibt mir das Gefühl etwas Besonderes zu sein ... Tut mir leid, dass ich sich angelogen habe." Man konnte dem kleinen Mädchen ansehen, dass es nahe am Wasser gebaut war und wahrscheinlich gleich zu heulen anfangen würde. Sie war ruhiger geworden. Mit jeder Sitzung, zu der sie wie ein Schwerverbrecher eskortiert wurde, ging es ihr schlechter. Kein Wunder, bei der Behandlung.

Das kleine dunkle Mädchen mit den blauen Augen blickte mich an. „96? Ist alles ok?" Beim Klang meiner Nummer fuhr ich zusammen. Ich erwachte aus meinem tranceähnlichen Zustand und blickte sie zum ersten Mal seit der letzten Stunde wieder wirklich an. Still nickte ich. Mit dem Mittelfinger schob ich meine Brille wieder ein Stück höher. Der Stuhl, auf den ich mich gekauert hatte, schien auf einen Schlag viel zu klein zu sein. Gegenüber in der Ecke schrie jemand los. Wie geschlagen, fuhr ich zusammen und biss die Zähne zusammen. Mit jeder Sekunde, die verging, wurde ich wütender. Seit ich hier war, lagen meine Nerven blank. Und wenn es eine Sache gab, die ich über alles hassen gelernt hatte, dann waren es laute Geräusche. Selbst ein lautes Niesen reichte, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Meine Laune sank rapide ab und langsam glaubte ich, dass man uns mit Absicht alle in diesen Raum gesperrt hatte, nur um mich irre zu machen.

Leise beobachtete Nummer 582 mich. Nach einer Weile legte sie mir eine Hand auf den Arm. Wie konnte es sein, dass sie, ein kleines Mädchen und zusätzlich noch um einiges jünger als ich, sich um mich kümmern musste? Eigentlich war ich der Ältere. Vorsichtig löste ich den eisernen Griff um meine Beine und setzte mich anschließend wieder normal hin. Für einen Augenblick erlaubte ich mir die Wut und die Abscheu in mir zu fühlen, dann drückte ich sie nieder und verbarg sie hinter einer dichten Mauer. Nein, eigentlich sollte ich mich um sie kümmern. Wie schön sich wieder unter Kontrolle zu haben, dachte ich mir und blickte mich um. 582 tat dasselbe.

Alles Kinder oder Jugendliche. Fünfundzwanzig bis dreißig Stück in einem Raum. Einem weißen Raum mit Einwegspiegel. In weiß gekleidet. Auf weißen Sesseln. Neben weißen Kästen.

Die Bekleidung war simpel: Weste, Shirt, dreiviertel Hose. Auf der Weste und dem Shirt war in grau nochmal die Nummer der Person aufgedruckt. Nur ich trug als einziger noch unter der Normkleidung noch etwas anliegendes – wie Sport Bekleidung, nur weiß, und nicht für Sport gedacht – und Handschuhe. Keine Ahnung, was hier vor sich ging, doch schon irgendwann in der ersten Woche, nachdem ich aufgewacht war, habe ich die zusätzlichen Anziehsachen bekommen. „Wegen meiner Krankheit ein kleines Geschenk von ‚Oben'", hatte meine Betreuerin gemeint. Wortlos hatte ich es angenommen. Solange es andere davon abhielt mich zu berühren, verwendete ich es gerne.

„Es sind alle über 200...", flüsterte Vici neben mir. Stimmt, sagte eine leise Stimme in mir, alle über 200. Alle bis auf ich und das Mädchen hinten in der linken Ecke. Verstohlen blickte ich zu ihr hinüber. Schon seit ich hier angekommen war und mich gesetzt hatte, starrte sie mich an. Sie starrte mich an wie eine Hyäne ihre nächste Beute, fehlte nur noch, dass sie wie bescheuert zu kichern begann. Neben ihr, die Tür durch die man in den Raum kam und zwei etwas kleinere quadratische Eisentüren.

„Die Kästen.", murmelte ich, als ich an die Wand zu meiner Rechten schaute. „Wieso?" Es machte überhaupt keinen Sinn leere Kästen hier hereinzustellen. Ein paar der Kinder hatten aus Neugierde alle Schränke durchgesehen, nichts. Höchstens Luft. Sie waren alle leer. Die Kinder waren enttäuscht gewesen, bei mir erwachte jedoch Interesse. Sie mussten einen Sinn habe. Es konnte auch sein, dass ich mir nur wünschte, sie hätten einen Sinn um nicht daran erinnert zu werden, dass es hieraus kein Entrinnen gab.

Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinab, als eine knochige schwarze Hand, aus einem der Schränke nach draußen griff. Wie kam es, dass ich ohne Second immer noch in der Lage war diese Dinger zu sehen? Ich beobachtete, wie der Hand, ein Körper folgte, bis ein widerlich zerquetschtes Wesen vor den Türen des Kastens stand. Meine Finger vertrugen sich im Stoff meiner Hose, als sich der schwarze Geist langsam bewegte. Das ekelhafte Geräusch von zwei aufeinanderreibenden Knochen schallte in meinen Ohren. Wie widerlich. Es bewegte sich zwischen den Kindern umher. „Und, wer ist es diesmal?" Hörte ich mich flüstern. Das Ding hielt vor einem Jungen. Nicht älter als dreizehn. Ich biss mir auf die Oberlippe. Die Geister waren auch schon in den vergangenen Tagen öfter durch die Gänge zwischen den Glasgefängnissen geschlurft. Sie schienen aufgebracht. Das spaßige daran war, dass ich nur sie sah. Tote wie Naomi kamen nicht hier herab, warum war mir schleierhaft. Oder vielleicht war an dem irren Gerede des Gefangenen, Nummer 403, doch etwas dran. Er redete des Öfteren von Mitteln und Wegen Tote auszusperren und von Toren, die von „magischen Runen" bewacht wurden, damit man hier drinnen sicher ist.

Ich hatte es für lächerlich gehalten, doch nach einiger Zeit hatte sein wirres Gerede Sinn ergeben. Von diesem Zeitpunkt an, vertraute ich nicht einmal mehr meinem eigenem Verstand zu hundert Prozent.

528 sah die Geister nicht. Was auch immer sie können sollte, es war noch nicht ausgebrochen – wenn es überhaupt etwas gab, das ausbrechen konnte. Das einzige, was an ihr seltsam war, waren ihre Augen und ich hoffte insgeheim, dass es so bleiben würde. Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als sie in einer Situation wie der meinen zu sehen. Ihr selbst schien es egal zu sein. Schweigend betrachtete ich sie, die Geräusche um mich herum ignorierend. Seit wann kümmerte es mich, was mit jemand anderem war?

Schlagartig gefror ich, als sich ein weiteres entstelltes Wesen aus der Ecke rechts von uns herauszog. Mein Puls stieg. Laut pochte es in meinen Ohren. Was auch immer der Grund für unsere Versammlung hier war, es würde nichts angenehmes sein.

„Glaubst du, dass sie uns beobachten?" Vici deutete mit ausgestrecktem Finger auf die spiegelnde Oberfläche in der Wand. Nickend bestätigte ich. „Ja, mit Sicherheit. Ich frage mich nur, worauf sie warten..."

„Mit was denn?"

„Keine Ahnung, mit irgendwas." Immer mehr dieser schwarzen Biester drangen durch die Wände in den Raum herein. Wie hässliche schwarze Flecke auf reinem weißem Papier, standen sie im Zimmer. Das machte mich nervös. Und ich wusste ganz genau, dass diese Dinger nicht ungefährlich waren. Doch damals hatte Second mich beschützt ... jetzt war ich alleine und somit ausgeliefert. Was auch immer es war, das hier vor sich ging, es würde nicht schön werden. Dies war mein letzter Gedanke, bevor die Lichter gedimmt und eine der quadratischen Eisentüren mir gegenüber öffnete wurden.

Alles, was danach geschah ... Ich sags mal so: Gebt mir erstmal ein wenig Zeit die Sache zu verarbeiten...

Hidden - Insidious Friend (Creepypasta FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt