Familie

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"Was hast du herausgefunden Jamie?"
"Komm mit, dann zeige ich's dir.", sagte Jamie und stiefelt in Richtung seines Hauses davon. Etwas perplex folge ich ihm und als wir das Haus betreten führt mich Jamie direkt in ein kleines Zimmer, das schwer nach einem Büro aussieht. Er geht zu einem Regal und zieht ein sehr alt wirkendes Fotoalbum heraus. So eines mit dicken abgegriffen Einband und vergilbt Seiten. Damit lässt er sich auf dem Boden nieder und ich tue es ihm nach.
Jamie blättert durch die Seiten und hält bei einer Doppelseite mit 3 Bildern inne. Als ich diese Bilder sehe verstehe ich erst nicht, was das zu bedeuten hat. Das 1. Bild zeigt zwei Kinder, ein Junge und ein jüngeres Mädchen. Das Bild ist alt und genauso vergilbt, wie das Papier auf dem es klebt, aber ich erkenne die Beiden sofort. Das bin ich mit meiner Schwester! Das Bild muss kurz vor dem Unfall aufgenommen worden sein, es liegt sogar schon Schnee.
"Wie kommt dieses Bild hierher?", frage ich etwas atemlos.
"Sie dir das zweite an."
Es zeigt ganz klar meine Schwester, nur dass sie jetzt etwa 30 Jahre alt ist und eine Familie hat. Sie ist mit einem Mann und zwei Kindern zu sehen. Sie hat eine Familie. Ihr geht es gut. Mir fällt eine Last von den Schultern, der ich mir bis jetzt nie wirklich bewusst geworden bin. Doch das letze Bild sorgt dafür, dass sich mir die Kehle zuschnürt. Es zeigt eine alte Frau, die ich auch als meine Schwester erkenne. Dieses Bild macht mir die Sterblichkeit aller anderen schmerzlich bewusst. Sie ist tot. Ich muss meine Aussage von eben revidieren: Ihr ging es gut. Sie kann gar nicht mehr leben, ich habe sie schließlich vor gut 300 Jahren gerettet.
Mein Mund wird trocken und in meinem Hals bildet sich ein Klos.
"Sie ist tot.", flüstere ich unbewusst und mit unverhohlener Bitterkeit in der Stimme.
"Ja, aber sie doch!", antwortet Jamie und deutet auf das Familienfoto.
"Sie hat eine Familie, deren Nachkommen bis heute leben."
"Wie meinst du das?", doch noch während die Worte meinen Mund verlassen verstehe ich, was er meint.
"Deine Schwester ist meine Ururururururururururoma."
Das muss ich jetzt erstmal sacken lassen. Ich habe eine Familie und sie LEBT! Sie sitzt direkt vor mir! Während in meinem Kopf die selben Gedanken auf Dauerschleife laufen, sieht Jamie mich mit großen Augen an, bis er das ausspricht, was mir in der gleichen Sekunde durch den Kopf geistert. "Jack Frost ist mein Ururururururururururonkel."

Jetzt sitze ich wieder auf meinem vereisten Bett in meinem vereisten Zimmer bei North und starre auf die vereiste Wand mir gegenüber. Seit ich wieder hier bin ist die Schicht beträchtlich gewachsen. Und die Temperaturen gesunken.
Nachdem Jamie mir eröffnet hat, dass ich sein Onkel bin und zwischen mir und ihm 10 Generationen liegen, war ich erst sprachlos, dann überglücklich und jetzt überwältigt. In der Überglücklichkeits-Phase habe ich Jamie lachend an mich gedrückt, bis seine Mutter und seine kleine Schwester nach Hause gekommen sind. Die Beiden könnten mich nicht sehen und es hätte nichts gebracht, ihnen unsere Entdeckung zu eröffnen. Deshalb bin ich hierher zurück geflogen und habe mich mit einem (höchstwahrscheinlich bescheuert aussehenden) dauergrinsen auf mein Bett gesetzt während um mich das Eis wuchs. Wenn ich von starken Emotionen erfüllt bin macht sich meine Fähigkeit manchmal selbstständig.
Jedenfalls sitze ich seit dem überwältigt auf meinem Bett und hänge meinen Gedanken nach. Denen, dass ich jetzt einen richtige Familie habe. Denen, wie North, Sandy, Bunny und Tooth reagieren werden. Und denen, wie es jetzt weiter geht. Ich kann mich ja schlecht zweiteilen. Ich bin schließlich auchnoch ein Hüter und muss mich auch darum kümmern. Aber heute bin ich so optimistisch, dass ich mir sicher bin, dass alles irgendwie funktionieren wird. Ich dachte ich hätte meine Familie für immer verloren, doch jetzt erfahre ich, dass sie nie weg war. Ich beschließe die anderen an meiner guten Laune teilhaben zu lassen und verlasse immernoch grinsend das Zimmer. Als erstes sehe ich in der Werkstatt nach. Hier herrscht wie immer reges treiben, es scheint eine neue Ladung Farbe angekommen zu sein und einige Yetis stehen ratlos davor. Ich gehe darauf zu, doch schon aus einiger Entfernung kann ich spüren, dass sie eingefroren ist. Sonst hätte ich mir sicher einen Spaß draußen gemacht, sie vollends einfrieren zu lassen, aber besagte gute Laune sorgt dafür, dass ich sie schnell auftauen lasse. Die Yetis nicken mir dankend zu und ich fliege weiter.
Da bemerke ich einige Wichtel, die versuchen auf Spielzeugflugzeugen zu fliegen und dabei einen regelrechten Flugzeugfriedhof erzeugen. In meinem Zustand der Euphorie hindere ich sie daran noch mehr Spielzeug zu zerstören und erschaffe funktionierendes Spielzeug aus Eis: Eine korrekt Miniaturabbildung einer Boing 747 in Wichtelgröße. Jetzt sind sie beschäftigt und können keinem schaden. Noch während ich die Wichtel betrachte stürmt ein (mal wieder) wütender North herein, der gerade Luft holt um mich anzuschreien, als er bemerkt, dass hier alles bestens läuft. Er pustet die Luft zischend aus und fragt mit Blick auf das Eisspielzeug ungläubig: "Jack? Was macht du da?" Als ob ich noch nie etwas nützliches getan hätte... Immer noch vor Freude Strahlend gehe ich auf North zu. "North!", beginne ich, doch dann bemerke ich Bunny hinter ihm. "Und das Känguru!" Beide blicken mir sprachlos entgegen. Bin ich so selten euphorisch?
"Jack? Geht es dir gut?"fragt mich North verwundert.
"Es ging mir nie besser! Ihr glaubt ja gar nicht was ich heute erfahren habe!"
"Offensichtlich nicht das gleiche wie wir.", kommt von Bunny.
"Leute! Ich habe eine Familie! Und sie leben! Bis heute leben sie!"
Beide sehen mir verwirrt entgegen.
"Meine Schwester hatte eine Familie und sie lebt bis heute! Ich bin Jamies Ururururururururururonkel!"
North ist der Erste, der reagiert und klopft mir fest auf den Rücken. "Das ist ja unglaublich!" Und Bunny sagt: "Glückwunsch, Keule!" Beide freuen sich für mich und mit mir. Jetzt, wo es die anderen auch wissen ist es noch realer geworden. Ich habe eine echte Familie und Freunde, die immer für mich da sind. Ich glaube glücklicher kann ich gar nicht mehr sein.

Jelsa - Wie Eis und Schnee Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt