Licht und Schatten

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ELSA

Wieder knie auf dem Boden und halte die Leblose Anna im Arm. Doch dieses Mal weiß ich, dass ich träume. Es ist eine umumstößliche Gewissheit. Woher ich das weiß? Es ist einfach so.
Trotz dieser Tatsache streiche ich Anna liebevoll eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht und kann nur mit Mühe die in mir aufsteigenden Tränen unterdrücken. Dabei fällt mein Blick auf meine Hand und ich stelle fest, dass ich nicht mehr sechs Jahre alt bin. Tatsächlich sehe ich genauso aus, wie vorhin, als ich mich an Jack gekuschelt habe. Sofort schleicht sich ein Grinsen auf mein Gesicht. Noch nie habe ich mit einem Jungen neben mir geschlafen und schon gar nicht mit einem, in den ich verliebt bin.
In dem Moment in dem sich meine Stimmung aufgehällt hat, hat sich auch die Traumumgebung verändert. Es ist deutlich angenehmer geworden und noch während wir in einer Art Nichts schweben, schlägt Anna die Augen auf, lächelt mich an und geht davon.
Nur Sekunden später liege ich in exakt der Position, in der ich eingeschlafen bin, neben Jack und atme seinen unglaublichen Duft ein. Winterluft hüllt mich ein und ich vergraben das Gesicht selig seufzend in seinem Shirt. Er lacht leise und zieht mich enger an sich. Eine Hand liegt auf meiner Tallie und sein Daumen malt beruhigend kleine Kreise darauf. Zumindest denkt er das.
Wenn er wüsste, wie absolut überhaupt nicht beruhigend das ist... Mein Herzschlag verdoppelt sich augenblicklich doch gerade, als ich mich aufsetzten will, ihn zu küssen, drückt er mich leicht von sich und steigt aus dem Bett.
Verwundert sehe ich ihm nach und komme nicht umhin den leisen Stich in meinem Herzen zu ignorieren.
Ich fühle mich zurück gestoßen.

Jack hingegen geht mit beschwingen Schritten aus dem Zimmer und bedeutet mir lächeld ihm zu folgen. Blitzartig sind all meine Bedenken verflogen und ich krabele aus dem Bett. Als ich an der Tür ankomme, ist Jack schon verschwunden und ich stolpere hinaus in die Dunkelheit.
"Jack?", frage ich mit zitternder Stimme.
"Ich bin hier." Er steht nicht weit rechts von mir und zeichnet etwas mit dem Ende seines Stabes in den Schnee.
"Was machst du da?", frage ich neugierig und stelle mich zu ihm.
"Ich zeichne die Umrisse.", antwortet er. Als wäre es das selbstverständliche und offensichtlichste der Welt
"Und wofür?". Ich lehne mich etwas nach vorne um besser sehen zu können.
"Na für deinen Turm."
"Ich verstehe nicht ganz..."
Seufzend hört er damit auf, Furchen in den Schnee zu ziehen und chenkt mir seine volle Aufmerksamkeit.
"Wir haben doch abgemacht, dass du hier den Aussichtsturm baust. Ich das Haus und du den Turm." Er verlässt seine Skizze und stellt sich neben mich.
"Und jetzt bist du dran."

JACK

Wovon genau ich letztendlich wachgeworden bin, kann ich nicht sagen.
Fakt ist allerdings, dass das Bett neben mir leer ist.
Suchend sehe ich mich im Zimmer um, kann Elsa aber nirgends entdecken.
Habe ich irgendetwas falsch gemacht?
Ist sie am Ende zurück ins Schloss gegangen?
B

esorgt stehe ich auf und sehe mich im Rest des Hause um.
Nichts.
Keine Spur von ihr.
Frustriert fahre ich mir durch die Haare. Es ist überhaupt nicht typisch für sie, ohne ein Wort zu verschwinden. Wobei, woher sollte ich wissen was für sie typisch ist? Ich kenne sie ja kaum zwei Wochen. Wer weiß, wie sie sich sonst verhält?
Fast hätte ich trocken gelacht,  doch die Sorge um sie lässt mich nicht los. Es hilft auch nicht sich gegen die eisige Wand zu lehnen oder mit der Faust dagegen zu schlagen.
Rastlos stürmen ich schließlich aus dem Haus, bereit im ganzen Land nach ihr zu suchen und alles einzufrieren, was sich mir in den Weg stellt.
Doch soweit muss ich gar nicht fliegen. Als ich keine drei Schritte ins Freie getan habe, bleibe ich wie erstarrt stehen und das Herz friert mir ein.
Elsa, meine Elsa, steht auf der Spitze eines stetig wachsenden Eisturmes und das viel zu nah an der Kante. Sie Schwank leicht, und wenn mich nicht alles täuscht sind ihre Augen geschlossen.
"ELSA!", schreie ich und renne auf das Ungetüm aus Eis zu.
Sie scheint mich nicht zu hören und macht einen weiteren Schritt auf die Kante zu.
Das darf nicht sein. Ich werde zu spät kommen!
"NEIN!"

ELSA

"Komm zu mir.", meint Jack und breitet einladend die Arme aus. Er hat meinen Aussichtsturm mit einer Plattform, die in der Luft zu schweben scheint, erweitert, und bittet mich nun zu ihm zu treten. Ohne zu zögern gehe ich auf ihn zu. Was sollte schon passieren? Es ist schließlich nur Jack. Mein Jack.
Gerade will ich auf die Plattform steigen, als ich verwirrt den Kopf hebe.
Ich habe jemanden ganz klar meinen Namen rufen hören und dieser Jemand war Jack. Nur kam der Schrei von unten und nicht von dem Jack direkt vor mir. Leicht verunsichert schaut er zu Boden, bevor er in Gelächter ausbricht.
"Keine Sorge, das ist nur wieder ein kleiner Schneemann, den ich unbewusst gebaut habe. Eine richtiger Schneeschieber, wie du immer sagst."
Ich lächele zurück und und mache beruhigt den nächsten Schritt.

JACK

Elsa hält inne und bleibt knapp an der Kanten stehen.
Ich bin schon fast da und stoße mich vom Boden ab, um zu ihr zu gelangen. Erleichtert, dass sie nicht weiter geht atme ich aus.
Doch dann lächelt sie und überwindet die letzten Zentimeter in den Abgrund.
Im freien Fall stürzt sie in die Tiefe. Ihr weites Kleid flattert in der Luft und ihre Haar leuchtet wie ein Heiligenschein um sie und lässt sie wie einen gefallen Engel wirken.
Nein.
Die Zeit steht still, während sie fällt und die Welt hört auf sich zu drehen, während ich versuche sie zu retten.
Ich schieße durch die Luft in dem verzweifelten versuch sie noch rechtzeitig erreichen.
Adrenalin rauscht in meinem Blut und lässt mich noch schneller voran kommen.
Und dann bekomme ich sie an der Tallie zu fassen und halte sie fest. Ihr Schwung zieht uns beide nach unten und lässt und gemeinsam fallen. Obwohl der Wind uns ausbremst, landen wir tief im weichen Pulverschnee.
Während des Falls habe ich meinen Stab losgelassen, doch das ist im Moment irrelevant. Mit der einen Hand befreie ich uns hektisch von dem Schnee, während ich Elsa mit der Anderen fest an mich drücke.
Als wir halbwegs frei sind untersuche ich sie vorsichtig auf der Suche nach Verletzungen.
"Jack.", flüstert sie.
"Elsa!", ich gebe ihr eine stürmischen Kuss.
"Ich dachte, ich hätte dich verloren.", antworte ich leise, nachdem wir uns wieder von einander gelöst haben.
"Ich dachte...du würdest...", murmelte ich in ihr Haar und drücke ihr noch einen Kuss auf den Scheitel.
"Was hast du denn da gemacht? Wolltest du etwa...?" Ich schaffe es nicht den Satz zu ende zu denken, geschweige denn zu sprechen.
"Was? Nein!" Sichtlich verwirrt sieht sie sich um und scheint noch immer nicht wirklich begriffen zu haben, was passiert ist.
"Das letzte, an dass ich mich erinnern ich bei dir gewesen zu sein.", erklärt sie mit leiser Stimme
Das heißt dass...
"Du warst das also nicht?", frage ich misstrauisch.
"Nein."
Oh Doch, sie war es, nur nicht wissentlich. Mir schießt das Bild in den Kopf, als sie mit geschlossenen Augen an der Kante stand.
"Du hast geschlafen.", stelle ich fest, während meine Gedanken rasen.
"Weißt du noch, was du geträumt hast?", frage ich vorsichtig, nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich wissen will.
"Erst war Anna da, bis du bekommen bist... und ich sollte..."
"Was?"
"Ich sollte diesen Turm dort erschaffen und dann zu dir gehen. Du standest weiter vorne und... und dann bin ich gegangen."
Mit etwas in dieser Richtung habe ich gerechnet.
Es gibt nur eine einzige Erklärung für ihr Schlafwandeln.
Nur eine einzige Person kann in die Träume andere Menschen dringen.
Nur eine einzige Person, wegen der ich hier bin.
"Pitch.", hauche ich erschüttet.

Jelsa - Wie Eis und Schnee Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt