Verloren

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ELSA

Ich bin so glücklich, wie schon lange nicht mehr und als ich mit Jack tanze habe ich das Gefühl zu fliegen. Wir lachen und in meinem Bauch kribbelt es, als ob ein kleines Scheegestöber darin wäre. Was macht er nur mit mir?
Als das Lied ist zu Ende ist, ich bleibe in seinen Armen stehen. Ein wunderbares Gefühl durchströmt mich. Jack schiebt mich leicht von sich und drückt mir etwas in die Hand. Als meine Blick senke erblicke ich die schönste Rose, die ich je gesehen habe.
Er schenkt mir eine kristallklare, perfekt Eisrose. Mir. Er schenkt so etwas schönes tatsächlich mir! Überglücklich nehme ich sie entgegen und lächele ihn strahlend an.
Doch dann passiert das, womit ich in meinem Leben nicht gerechnet hätte.

Schlagartig verändert sich Jacks Gesichtsausdruck. Er verkrampft und taumelt schmerzverzerrt ein paar Schritte zurück. Seine weit aufgerissenen Augen verdrehen sich und bricht zusammen.
"Jack!", schreie ich panisch und kann seinen Sturz gerade so noch mit einer Schneewehe abfangen.
"Jack!", schreie ich erneut und lasse mich neben ihm auf die Knie sinken. Jack! Dir darf nichts passieren, ich brauche dich doch. Ohne dich schaffe ich es nicht. Ich schluchze auf und ziehe seinen Kopf in meinen Schoß. Er atmet stockend und ich streiche hilflos durch die Haare. Sein Stirn fühlt sich warm an. Zu warm.
"Jack, bleib bei mir.", bringe ich unter den Tränen hervor. "Ich brauche dich doch. Du kannst mich nicht verlassen."
Er ist so blass. Wie kann ich ihm nur helfen?
Dann sehen ich, wie sich Eisblumen auf meinen Händen bilden und als ich kurz aufschaue bemerke ich, dass um uns herum alles mit einer dicken Eisschicht überzogen ist.
Ok, Elsa. Jetzt denk nach! Jack ging es nicht gut, nachdem er das Haus erschaffen hat. Jetzt geht es ihm nicht gut, weil er den See aufgetaut hat. Er hat zu viel von seiner Kraft verloren. Vielleicht kann ich ihm etwas von meiner Kraft abgeben und ihn etwas runter kühlen!
Vorsichtig beuge ich mich nach vorne und lege ihm die Hände auf die Brust. Zitternd atme ich ein und greife nach meiner Kraft, ziehe sie in seine Richtung. Ganz langsam schicke ich die Kälte zu ihm. Nichts. Sein Athem wird flacher.
Nein. Nein! NEIN!
Jetzt ist es mit meiner Vorsicht vorbei. Alles, was ich an Kälte in mir habe, schicke ich zu ihm. Ich lege meine ganze Verzweiflung hinein. Selbst die Welt um uns herum reagiert und wir befinden und für einige Sekunden im Auge eines Blizzards.
Zunächst passiert nichts. Er atmet nicht mehr. Aber ich höre nicht auf, ich könnte es auch nicht. Niemals würde ich ihn einfach so aufgeben. Und dann geschieht ein Wunder.
Er atmet leise ein.

Sofort lege ich ihm die Hände an die Wange und wäre vor Erleichterung fast gestorben, als er ein zweites Mal Luft holt. Der Sturm um und ist mit seinem ersten Atemzug verpufft.

Ich streiche ihm erneut die Haare aus der Stirn und bemerke, dass seine Körpertemperatur wieder im Normalen liegt. Friedlich liegt sein Kopf in meinem Schoß, als wäre nie etwas passiert.
Dann flattern seine Lieder und ich blicke in ein Paar eisblauer Augen.

JACK

Schmerz. Alles ist Schmerz. Dunkelheit umhüllt mich und ich falle ohne wirklich zu fallen. Und dann ist da nichts meht. Das große Nichts hält mich gefangen und ich kann nicht entkommen. Das einzige, was mir bleibt sind die Schmerzen. Der Tod kann doch nicht so voller Leiden sein!

Schmerz zeigt dir, dass du am Leben bist. Ich weiß nicht woher er kommt, aber dieser Satz geistert durch die Dunkelheit und sticht aus meinen verwirrenden Gedanken hervor. Dann kann ich noch nicht tot sein, ganz im Gegenteil: ich muss mehr am Leben sein, als jemals zuvor. Doch noch während ich das denke ist plötzlich alles weg und ich fühle mich seltsam leicht. Leicht und... kalt. Mir ist kalt. Dann muss ich wohl wirklich Tod sein. Niemals, unter keinen Ümständen könnte mir zu Lebzeiten kalt sein. Und mir ist nicht einfach so kalt. Vielmehr strahlt es von meinem Herzen aus durch meinen ganzen Körper bis in die Zehenspitzen, friert jede Zelle ein.

Und dann wird es besser. Die stechende Kälte verwandelt sich in in etwas wunderschönes und hüllt mich in eine eine weiche Decke. Ich erkenne es sofort. Es ist Eismagie, die in mich gefahren ist und die mich vorhin fast eingefroren hat. Ich rieche die kalte Luft eines Wintermorgens. Ich höre die Stille und das leise knistern der Schneeflocken wenn sie auf die Erde fallen. Ich spüre das weiche Gefühl auf Schnee zu liegen. Ich schmecke den kalten eigenen Geschmack von Eiskristallen und komme zu mir.
Und dann öffne ich die Augen und sehe sie. Elsa.

ELSA

"Hey Schneflocke.", flüstere er schwach.
"Ja, Jack, ich bin da.", antworte ich mit zitternden Stimme. Vor Erleichterung rollen mir Tränen über die Wangen. Sie gefrieren noch auf meiner Haut. Er richtet sich auf und legt vorsichtig eine Hand an meine Wange um sie weg zu wischen, lässt sie aber dort liegen. Ich hingegen kann mich nicht zurück halten und werfe mich an seine Brust. Während mich die Schluchze schüttelt bleibt er ruhig und streicht mir über den Rücken. Er tröstet mich, obwohl er eben fast gestorben ist. Erst nach einer Weile, als ich mich beruhigt habe und nur noch an ihn gekuschelt auf seinem Schoß sitze, bricht er das Schweigen.
"Du hast mich zurück geholt."
Statt eine Antwort niche ich.
"Danke."
Und dann schiebt er mich etwas von sich weg, hebt mein Kinn und küsst mich. Einfach so, hier mitten im Schnee auf dem Boden.
Seine Lippen sind weich wie Schnee und bewegen sich zaghaft an meinen. Zuerst bin ich zu überrascht um auch nur zu atmen, aber dann erwiedere ich seinen Kuss. Er verwandelt sich von zaghaft zu leidenschaftlich und ich vergraben meine Hände ich Jacks weichen Haaren. Er zieht mich noch näher zu sich. Schneeflocken explodieren in meinem Bauch und tanzen wild umher. Ich kann an nichts denken außer an ihn und unseren Kuss.
Nach einer Weile, ich weiß nicht ob es Minuten oder Stunden waren, zieht er sich zurück und sieht mir in die Augen. Seine sind so kristallklar und blau, dass ich mich in ihnen verliere. Einzig seine Stimme holt mich in die Gegenwart zurück.
"Danke,... für alles."
"Du musst dich nicht bedanken. Ich dachte ich hätte dich verloren.", wieder rollt eine Träne meine Wange hinunter, als ich an den bewusstlosen Jack denke.
"Es tut mir leid."Er zieht mich zu sich und ich vergraben meinen Kopf erneut an seiner Brust. Er riecht so gut, nach Winter, Schnee und Jack.
"Ich dachte du... du würdest nie wieder aufwachen."
Beruhigend streicht er mir über den Rücken und drückt mich einmal.
"Für dich komme ich aus der Hölle zurück. Keine Sorge. Ich lasse dich nicht alleine." Und bei diesen Worten explodieren die Schneefloken in mir erneut. Seufz.
Es nützt nichts, ich mag ihn, sehr und ich kann mich nicht dagegen wehren. Der Gedanke ihn zu verlieren reißt mich auseinander. Und in seine Armen wir mir klar, dass ich ihn sehr mag, vielleicht sogar liebe und ihn nicht verlieren kann. Ich richte mich auf, löse mich von ihm und stehe auf. Auch er stellt sich hin. Zarte Schneeflocken rieseln auf uns nieder und der Wind spielt wieder ein Lied, eine zarte Melodie, die perfekt zu dem fallenden Schnee passt. Und dann tue ich das, was ich nie von mir erwartet hätte. Ich stelle mich ganz dicht vor ihn hin und ignoriere meine viel zu schnellen Herzschlag und die Tatsache, dass ich schon wieder aufgehört habe zu atmen. Dann schlingen ich meine Arme um seine Hals und Küsse ihn.
Mitten im zarten Schneefall stehen wir dicht umschlungen und küssen uns, während eine seichte Melodie auf die Lichtung fällt.

"Elsa, ich habe hier irgendwo meinen Kamm vergessen."
Beim Klang von Annas Stimme springen wir regelrecht auseinander.
"Oh...Äh...lasst euch nicht stören. Ich komme einfach später wieder.", stammelte meine Schwester mit rotem Gesicht und macht sich eilig daran, die Lichtung wieder zu verlassen. Kurz bin ich zu geschockt um zu realisieren, dass Anna mich gerade knutsched  mit einem Wildfremden gesehen hat, aber dann spure ich Jacks Hand in meiner und wir brechen beide in Gelächter aus.

Jelsa - Wie Eis und Schnee Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt