24. Teil

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Mit schnell kopfenden Herzen stieg ich Treppe für Treppe hoch. Mein Inneres hatte sich schon jahrelang nicht mehr so ausgefüllt gefühlt.


,,Da bist du ja.'', rief Kaan und zog an dem Strohalm seiner Capri Sonne.

Ich setzte mich neben ihn und umarmte ihn von der Seite. Es war ein unbeschreibliches Gefühl meinen Bruder wieder bei mir zu haben. Es war so als ob die zweite Hälfte meines Herzens nun wieder am rechtmäßigen Platz war. Er schien ganz normal. In seinen Augen konnte ich nicht erkennen, dass er so viele Wochen bei Davuts Familie war.

,,Kaan? Weißt du wo du warst?''

,,Du meinst bei wem?'', fragte er süß.

Ich nickte vorsichtig.

,,Na bei Tante Gizem.''

Ich sah ihn verwundert an und setzte das Gespräch vorsichtig fort.

,,Tante?''

Er nickte mehrmals und nahm einen Biss von seinem Schokokeks, den ihm Esma gegeben hatte.

,,Wie war es bei ihr?''

,,Schön, aber bei dir ist es noch schöner.''

Seine Zahnlücke strahlte mich an. Ich lächelte zurück und küsste seine weichen Handrücken. Dann wendete ich mein Blick zu Esma, die mich nachdenklich ansah. War ''Gizem Tante'' Davuts Schwester?

,,Davut Abi hat gesagt, dass er uns mal besuchen kommt!''

Ich musste fest schlucken. Wieso war er von diesen Leuten so begeistert?! Sprachen wir gerade wirklich von diesem Davut? Der mich in Istanbul zu sich verschleppt hatte?

,,Weißt du wieso du bei ihnen warst?!''

Nervös sah ich die männliche, mini Kopie meiner geliebten Mutter an.

,,Ja, weil Papa viel arbeitet und er nicht wollte, dass ich alleine bin.''

,,Weißt du auch wieso ich nicht da war?''

Gespannt musterte ich seine Reaktion.

,,Davut Abi hat gesagt du musst in der Türkei arbeiten.''

Ich erinnerte mich noch ganz genau an diesen einen Tag. Kaan wollte nichts von mir wissen. Er weinte und schrie mich an, dass ich ihn alleine gelassen habe. Hatte er das vergessen? Haben ihn damals die Drecks Medikamente geblendet? Ich spürte wieder diese Wut auf Ceylan. Auf diese dreckige Schlange.

,,Ich bin müde. Kann ich schlafen gehen?''

Ich legte ihn schlafen und sah ihm dabei eine Weile zu. Er war ein wahrer Engel auf Erden. Mein Engel. Meine Gedanken flogen zu Caner. Ihm verdankte ich, dass Kaan wieder hier war. Wie schaffte er es bloß? Und wieso war Davut in Kaans Augen ein toller, großer Bruder? Meine Gedanken spielten wieder verrückt. Mein Kopf wollte platzen. Als ich ins Wohnzimmer zurück ging, sah ich Esma nachdenklich auf ihr Handy starren.

,,Alles klar?''

,,Er hat wieder angerufen.'', sprach sie leise.

Ich setzte mich zu ihr und lehnte mich zurück. Wir schwiegen mehrere Minuten.

,,Caner ist unglaublich. Findest du nicht?''

Ich sah sie überrascht an.

,,Er ist nett.''

Sie lachte amüsant auf und schlug mir auf den Oberschenkel.

,,Er ist viel zu nett zu dir. Merkwürdig, oder?''

Ich wusste ganz genau, dass ihr Gesichtsausdruck auf etwas mir nicht geheueres hindeuten wollte. Doch ich ignorierte es gezielt und schaltete auf der Fernbedienung planlos herum.

SchicksalsschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt