39. Teil

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,,Dein Halbbruder?", sprach er deutlich verwirrt aus. Davuts Stirn hatte sich in Falten gelegt. Das feurige seiner Augen musterte mich völlig perplex. Die Flamme schien etwas gedämpft. Seine Wange war gerötet und das durch die Ohrfeige, welche mir vor wenigen Sekunden ausgerutscht war. Ich entzog mich seinem Handgriff und spürte wie der lastende Druck von meiner Haut löste.

,,Nimm ihn nie wieder - hörst du? Nie wieder in den Mund. Es geht dich einen Dreck an."

Ich öffnete die große Tür und ohne diesen Mistkerl noch einmal anzusehen, eilte ich den langen aber doch sehr schmalen Gang entlang, bis ich bei Kaan und Gizem ankam.

,,Ist etwas passiert?", fragte sie zögerlich und musterte mein Gesicht. ,,Du kannst ruhig kommen, zu Kaan und mir. Aber bitte ohne deinen taktlosen Bruder.", sprach ich geladen von Wut und eines kleinen Drangs Davut eigenhändig zu töten. Ich lief gezielt auf meinen Bruder zu und packte seine kleine Hand.

,,Gehen wir schon?", fragte er deutlich überrumpelt. Ich nickte zögernd. Gizem hielt mich beim Ausgang mit einem sanften Griff fest.

,,Was er auch immer angestellt hat. Ich entschuldige mich in seinem Namen. Bitte bleibt doch noch etwas." Ihr weicher Blick wechselte von Kaan zu mir. Ich schüttelte jedoch meinen Kopf stur und spürte nun verräterische Tränen meine Wangen runter streifen. Dieser Mistkerl hatte in mir drin einfach alle Gefühle hoch geholt, die ich wochenlang versuchte zu unterdrücken. Für einen Moment vergaß ich die Sache, die mich tagelang Stück für Stück in ein schwarzes Loch fallen ließ. Ich hasste ihn. Ich hasste dieses Monstrum. Hasste, mich mit ihm in einem gleichen Raum aufhalten zu müssen. Gezwungen zu sein, mit so einem Tyrannen zu tun zu haben.

Einen Tag später saß ich in meiner kleinen Küche und trank fruchtigen Tee. Planlos blätterte ich in der Wochenzeitung herum. Diese musste wohl doch mehrere Wochen über sein, stellte ich ernüchternd fest. Die Hausklingel ließ mich verwundert hochsehen. Mühsam richtete ich mich auf und schlüpfte in meine mädchenhaften Hausschuhe. Als ich die Tür öffnete, stand meine Seelsorgerin Esma  - mit der Nichte meines Onkels Hilal - strahlend am Türrahmen. Ich begrüßte sie beide mit einer kurzen Umarmung und lud sie ein rein zukommen.

,,Nichts da. Hop hop Schuhe anziehen und raus."

Lustlos blickte ich in Esmas grinsendes Gesicht. ,,Na los! Wir gehen zusammen shoppen!'' Ich schlüpfte seufzend in meine weißen Chucks und schnappte mir schnell meine Weste, welche passend zu dem angenehmen Frühlingswetter war. Wir drei stimmten ein als erstes ein Einkaufszentrum zu besuchen und stürmten in einen der Läden. Zurzeit hasste ich diese beengenden Menschenmengen. Ich hasste, wenn ich mich auf kleinem Raum durchzwängen musste. Doch die ganzen roten Sale Schilder zwängten dazu etwas anzuprobieren. Sei es auch unbrauchbar - es war immerhin 70% billiger als sonst. Wir alberten herum und hatten wirklich Spaß. Nach so langer Zeit konnte ich endlich ein quasi normaler junger Mensch sein und den typischen Mädchenkram tun. Es tat einfach mega gut. - Ohne an diese ganzen alltäglichen Probleme zu denken. Es war als ob ich nach langer Atemnot einen tiefen Zug frischer Luft einatmen konnte.

Nun hatte ich schon zig Sachen anprobiert und wartete gelangweilt vor den Kabinen auf die anderen zwei Schnäppchenjägerinnen. Als ich an der Schulter angetippt wurde, drehte ich mich fragend um. Mein Blick traf auf den von Arsim.

,,Was machst du denn hier?", fragte ich überrascht und erwiderte die kurze Begrüßungsumarmung. ,,Musste für meine Mutter etwas zurück geben.", antwortete er lachend., ,,Bist du alleine hier?" Gerade als ich antworten wollte, kam Hilal mit einem mürrischen Blick aus ihrer Kabine. ,,So ein Scheiß ehrlich. Es geht einfach nicht zu.", jammerte sie genervt und tat an dem silbernen Reißverschluss des Rocks rum. ,,Nimm halt mal ab." Hilals Augen wurden groß, als sie zu uns hoch sah. Ihr jugendliches Gesicht errötete und glich einer Tomate. Wütend lief sie in die Kabine zurück. Währenddessen kam eine begeisterte Esma raus. Sie begrüßte ebenfalls überrascht den männlichen Part unserer Runde. ,,Ich nehme nur die Hose und du?", fragte sie mich deutend auf die Kleiderbügel. ,,Das Oberteil und die Hose." Sie nickte strahlend. Hilal kam plötzlich stampfend aus der Kabine raus und drückte ihre ganzen Klamotten der Angestellten bei den Kabinen in die Hand. Fragend sahen wir sie an, denn am Anfang schien sie im Sale aufzublühen. ,,Gefällt mir alles nicht.", nuschelte sie daher und legte ihre gelösten Strähnen zurück hinters Ohr. ,,Sag doch gleich es passt nicht.", sprach Arsim erneut provokant. Mit einem bösen Blick funkelte ich ihn an. Seid wann war er so? Eigentlich nie - und das hieß wohl, dass die erst vor kurzem 18 Jahre alt gewordene Nichte meines Onkels, ihn sehr wohl interessierte. Hilal kochte vor Wut, doch sie schwieg und doch konnte man verschiedenartige Beleidigungen an Arsim gerichtet in ihren runden Augen ablesen. Aber es war amüsant solchen Streitereien zuzusehen.  Denn Hilal war keines falls dick. Sie war einfach etwas kurviger. Doch ich fand es umso schöner. Alles saß perfekt. Nicht zu dünn - Nicht zu dick.

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