37. Teil

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In mir herrschte totenstille. Der Gedanke oder die Vorstellung, dass sie bei ihm war, zerstörte mich. Und das schlimmste an dieser ganzen Situation  - Ich war machtlos. Ob ich es wollte oder nicht, ich musste es akzeptieren. Dieser Entschluss zerteilte mein Herz in einzelne Stücke. Halbbruder, er war mein verdammter Halbbruder! Als ob es in meinem dummen Verstand erst jetzt Klick machte. Als ob ich erst jetzt diese ganze Situation wortwörtlich verstand und realisierte. Es war fertig. Dieser kurze Lebensabschnitt sollte jetzt vollkommen aus meiner Erinnerung verschwinden, mit einer großen und mächtigen Welle Tief in den Meeresboden vergraben werden. Ohne zurückzublicken. Und wenn die Welle sich nach einem Schwung gelöst hatte, würden die Erinnerungen ausgelöscht sein. Weg aus meinen Gedanken, für immer.

Ich sah wieder hoch und fixierte Davuts feuerbraunen Augen.

,,Du bist abscheulich. Widerlich. Bloß zum Verachten.'', hauchte ich ihm mit einer leeren Mimik entgegen. Sein Blick verdunkelte sich. Das Gesicht wirkte in sekundenschnelle viel markanter und düsterer.

,,Du hast mich nicht in der Hand. Du hast bloß Glück wegen deiner Schwester. Sonst würde ich alles machen, was dir nicht nicht passt. Nur aufgrund deiner widerlichen Persönlichkeit, deiner taktlosen machthaberischen Art. Nur um dich damit zu reizen.''

Es herrschte einige Sekunden tiefe Stille. Nur das gegenseitige atmen war zu hören. Davut kam noch einen Schritt auf mich zu. Nähe. Unheimliche Nähe zu ihm, welche mich ganz tief von innen verunsicherte. Doch äußerlich blieb ich regungslos stehen und zuckte nicht einmal mit der Wimper.

,,Du weißt gar nicht was ich mit dir anstellen könnte, wenn ich für einen minimalen Moment meinen Verstand ausschalten würde.''

Sprach er leiser und rauer als sonst. Ich spürte wie ein ungewöhnlicher Schauer von Gänsehaut meinen Rücken entlang fuhr als sein Atem auf mein Gesicht prallte. Verwirrung und Wirrsal kam in mir hoch.

..

,,Die Ergebnisse des Testes sind da, komm.''

Mehrmals las ich mir die Nachricht meiner Tante durch. Innerlich bannte sich ein Chaos auf. Einerseits reizte mich dieser Test - andererseits wollte ich am Liebsten in meinem Zimmer für immer eingesperrt bleiben, um der Realität nie wieder ins Gesicht schauen zu müssen. Kalter Schweiß bildete sich an meinem Rücken, als ich vor der Haustür stand. Esma war dabei. Das dröhnende Geräusch erklang. Meine Tante empfing mich trotz allem mit einem leichten Ansatz von Lächeln. Schwach und befremdlich begrüßte ich sie und mit Esma im Schlepptau trat ich ins Wohnzimmer. Mein Atem schien einen Moment lang wie ein Ventil zugedreht zu werden. Grün fixierte mich. Und das mit einer Art, wie nie zuvor. Als sich mein  Blick sich zur Seite neigte sah ich in die braunen Augen von Aylin. Sie stand auf und begrüßte mich von Wange zu Wange. Dieses elendige Schauspiel war nun wirklich nur noch lächerlich. Mein Körper reagierte nicht. Gebannt sah ich erneut in die grünen Augen von ihm, welche durch seinen dunklen Wimpernkranz zusätzlich betont wurden. Mir kam es vor als ob eine zugewachsene Wunde neu aufgerissen wurde. Mit jeder Art von Gewalt. Die Wange von Aylin, welche an meiner streifte, fühlte sich wie ein kleiner Hauch von Nichts an. Nur diese Augen, welche mich ebenfalls ruhig ansahen, waren gerade bemerkbar. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als ich mich auf die andere Couch gemeinsam mit Esma platziert hatte. Ich verfluchte mich in diesem Moment. So sehr ich es auch versuchte, mein Blick klebte förmlich an ihm. Es war als ob etwas anderes Macht über mich gewonnen hätte. Als etwas auf den Tisch laut gelegt wurde, schweifte mein Blick weg. Ich sah hin. Ein weißer, großer Umschlag lag da. Ein verdammtes Stück Papier, welches so wertlos war und doch so viel ändern konnte. Welches soviel ruinieren konnte. Aylin reichte es mir ungeöffnet. Ich spürte seine Blicke auf mir. Es war als ob sich ein tonnenschwerer Druck auf meinen Schultern absetzte. Zitternd hielt ich es fest. Es herrschte Stille, lange.

SchicksalsschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt