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"Okay, wir schauen vorbei. Versprochen.", versichere ich meiner Mutter, nachdem sie darauf bestanden hat, dass Sky und ich uns am Freitag in unseren schönen Kleidern zeigen. Ich lächle meine Mutter noch einmal an, bevor ich hinaus auf den Flur trete, wo Marina schon auf mich wartet. Sie ist so alt wie ich, hat aber vor zwei Jahren schon ihren Realschulabschluss gemacht und ist seit zwei Jahren schon Krankenschwester.

"So, bist du bereit?", fragt sie mich grinsend. Ich bejahe lächelnd und zusammen laufen wir die vielen Stufen runter bis wir aus dem Gebäude treten.

Als wir vor Marinas Auto stehen, sucht sie ihre Schlüssel in ihrer Handtasche.

"Mach schneller! Ich erfriere gleich!", meckere ich zitternd. Obwohl ich einen dicken Mantel und gefütterte Stiefel trage, ist mir kalt.

"Ja, ja, hab's gleich.", beruhigt sie mich lachend. Triumphierend hält sie die Schlüssel hoch, nachdem sie sie endlich gefunden hat. Nachdem sie das Auto aufgesperrt hat, schlüpfen wir zeitgleich ins Auto. Marina stellt sofort das Radio und die Sitzheizung an. Aus den Lautsprechern dröhnt wie schon seit Wochen das Lied Last Christmas von Wham!. Genervt macht Marina Anstalten, den Radiosender zu wechseln, weshalb sie von mir einen bösen Blick kassiert. Bald ist Weihnachten und da will sie das Lied nicht spielen lassen?! Jetzt spielt so ein blödes Lied von irgendeiner dummen Sängerin. Ariana irgendwas hieß die glaube ich.

"Sag mal, bist du verrückt? Das Lied muss man doch spielen lassen!", rufe ich empört.

Geschockt starrt Marina mich an, während ich wieder den Radiosender umstelle. Als ich anfange lauthals zu singen, fängt sie laut an zu lachen.

"Odessa, das Lied ist schrecklich!", ruft sie, doch ich ignoriere sie und, um etwas rebellischer zu wirken, drehe ich die Lautstärke ganz auf. Marina versucht irgendwas zu sagen, doch ich unterbreche sie, indem ich einfach noch lauter mitsinge. Als das Lied zu Ende ist, stellt Marina das Radio leiser, da jetzt nur ein Typ vom Wetter redet. Es soll schneien. Yass!

"Okay, Odessa, du musst mal kurz das Lenkrad halten. Ich muss mich umziehen.", erklärt mir Marina. Ich soll das Lenkrad halten?! Also halb Auto fahren? Ich habe doch nicht einmal einen Fürherschein.

"Spinnst du?! Zieh dich doch um, wenn wir da sind.", antworte ich panisch. Was denkt sie sich dabei?

"Ne, da ist nicht so viel Platz. Jeder würde mich sehen.", erklärt sie ganz ruhig mit einem leichten Grinsen in ihrem Gesicht, das langsam breiter und breiter wird. Ich selbst sehe bestimmt aus wie ein Geist. So blass bin ich bestimmt geworden.

Im Radio wird jetzt wieder ein Weihnachtssong gespielt. Was denn sonst.

"Das ist wirklich nicht schwierig.", versucht Marina mich zu beruhigen und lässt schon das Lenkrad los, sodass ich laut aufschreie und keine andere Wahl mehr habe, als zu lenken. Sie holt ihre Tasche vom Rücksitz, während sie trotzdem noch auf die Straße schaut. Wenn das mal nicht in einer Katastrophe endet. Sie zieht einen hübschen Rollkragenpullover und hohe, schwarze Stiefel mit Absatz aus ihrer Tasche. Schnell zieht sie ihr Arbeitsoberteil aus und streift sich ihren Pulli über.

"Die Schuhe ziehe ich später an.", verkündet sie, was mich um einiges beruhigt. Die kann doch nicht mit einem Fuß nur Auto fahren! Wieso sie aber auf der Arbeit eine normale Jeans tragen darf ist mir ein Rätsel. Vielleicht sind die da nicht so streng. Keine Ahnung, ist ja egal.

Gerade will sie das Lenkrad wieder halten, als ich mit meinen Händen abrutsche und das Auto auf die falsche Fahrbahn gelangt. Schreiend krachen Marina und ich in ein anderes Auto. Dann wird alles schwarz.

Haha, nein, Spaß, es kommt zu keinem Autounfall. So geht es weiter:

Ich seufze erleichtert aus, als Marina endlich wieder selbst fährt. Wie die ihren Führerschein bekommen hat ist mir ein Rätsel. So eine Aktion zu bringen. Dann auch noch auf der Autobahn, wo man über 100 km/h fährt!

20 Minuten später kommen wir in der Innenstadt an. Marina tauscht noch kurz ihre komischen Schlappen durch ihre Stiefel aus bevor sie dann auch aussteigt. Die kalte Dezemberluft peitscht mir schmerzhaft ins Gesicht. Ich ziehe meinen Schal noch fester um meinen Hals und verdecke so auch noch einen Teil meises Gesichts. Meine Mütze droht wegzufliegen, da der Wind so stark ist.

"Boah, Marina, komm, lass uns was zu trinken holen!", rufe ich zitternd.

"So früh schon?", fragt Marina grinsend, aber auch zitternd. Ich lache mit ihr und ziehe sie schon mit in die Richtung meines Lieblingscafés, das ich durch Dylan entdeckt habe. Als wir eintreten, schlägt mir sofort warme Luft entgegen, die mich zufrieden seufzen lässt. Marina sucht einen Platz aus und lässt sich so elegant wie ich sonst immer draufplumpsen. Ich grinse, da ich froh bin, dass es andere Mädchen gibt, die es auch nicht so mit dem ganzen elegant-sein haben.

"Was grinst du denn so?", fragt mich Marina belustigt, während ich meine Jacke abnehem und sie um den Stuhl hänge.

Ich lache kurz bevor ich antworte:" Weil es echt toll ist, wie elegant wir Platz nehmen."

"Das wird doch viel zu überbewertet!", rechtfertigt sie uns beide lachend.

"Ja, wenn ich mich hinsetzten möchte, dann ist es doch egal, wer sieht, wie bekloppt das aussieht.", stimme ich ihr zu.

"Naja, bei dir ist es ja egal. Du hast ja Sky. Aber generell stimmt schon, was du sagst.", meint sie und ich bin mir sicher, dass sie gerade etwas traurig aussah. Doch so schnell, wie dieser Ausdruck da war, so schnell ist er wieder verschwunden. Aber wieso sah sie so traurig aus?

"Erzähl doch mal, wie du Sky eigentlich kennengelernt hast.", fordert sie nun interessiert.

"Oh Gott. Die Geschichte ist so unspektakulär, aber was soll's. Also, ich bin in der Schule mit ihm zusammengeprallt. Er ist dann voll ausgeflippt bis er kurz davor war mich zu vermöbeln.", fange ich an zu erklären, doch Marina fällt mir ins Wort.

"Aber dann haben eure Ketten geleuchtet!", ruft sie freudig, weshalb sie verwirrte Blicke der Leute erntet, die an den anderen Tischen sitzen.

"Ja, dann haben unsere Ketten geleuchtet.", bestätige ich Marinas Aussage, während ich an dieses Geschehnis denke. Es scheint mir so, als wäre es erst gestern gewesen.

Marina lacht auf, da sie es witzig findet, dass Sky so ausgeflippt ist. Als die Kellnerin kommt, bestellen wir uns jeweils zwei heiße Schokoladen und Muffins. Kaffee wird viel zu überbewertet.

Als Marina gedankenverloren an ihrem Getränk nippt, lasse ich meinen Blick durch das Café schweifen. Bei einer Person bleibt mein Blick hängen. Warte mal, ist das Dylan? Wie kann ich ihn auf mich aufmerksam machen? Ich kann ja nicht einfach zu ihm hinlaufen. Das wäre extrem peinlich, sollte es doch nicht Dylan ist.

"Wieso starrst du diesen heißen Typen denn so an? Du hast einen Freund!", fragt Marina lachend.

"Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, das ist Dylan. Mein bester Freund.", versuche ich ihr zu erkären.

"Oh, cool. Wieso gehst du nicht zu ihm hin?", fragt sie, während sie immer noch umgedreht Dylan anstarrt.

"Weil ich nicht weiß, ob er es ist.", erkläre ich und kneife meine Augen zusammen, um besser zu sehen. Natürlich bringt das nichts. Weshalb ich es trotzdem mache weiß ich nicht.

"Okay, kein Problem. Ich mach das. Kommst du mit?"

Oh Gott, was hat sie jetzt vor?

"Äh ja, oke.", antworte ich und erhebe mich von meinem Platz, wobei der Stuhl ein lautes quietschendes Geräusch macht.



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