Seize - Sourde-muette

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Ich blinzelte, während Harry mit der Hand vor meinem Gesicht rumfuchtelte. „Was ist los?", fragte er, seine Stimme schien mir unnatürlich laut. „Hm?", gab ich benommen von mir. Deshalb war Nils immer so komisch drauf gewesen. Aber wieso konnte er ohne Ekel mit ihnen schlafen? Mathieu hat immer gesagt, dass er Frauen sexuell gesehen abregend findet. War Nils dann bisexuell?

„Ist alles okay?"

Ich schüttelte mich und fuhr Harry an: „Nein, siehst du doch!"

Ich sammelte meine Sachen ein und rannte in die Küche rein, wo Nils und Papa sich gegenüberstanden - sich anstarrend. Und als ich sah, wie Nils eine Träne über die Wange rann, rutschte mir der Teller zu den schwitzigen Fingern raus und fiel mit einem lauten Scheppern zu Boden, zerbrach mit einem Klirren. Sofort lagen alle Blicke auf mir und ich schüttelte den Kopf, während ich Nils anschaute. Wieso hatte er Angst gehabt? Wir hatten Mathieu doch auch akzeptiert, wieso ihn nicht auch?

„Nils, wieso?", fragte ich ihn tonlos und suchte nach Anzeichen in seinem Gesicht - wieso hatte er Angst?!

„Weil Mama und Papa sich immer so auf Enkel gefreut haben", brach er heraus und ich schüttelte den Kopf. Das war doch albern.

„Nils, Kinder kann man adoptieren! Zudem haben sie noch vier andere Kinder, die auch Enkel produzieren können! Oder du findest eine Leihmutter!"

Ich wedelte mit der Hand in der Luft rum und wischte mir eine Träne von der Wange. „Aber das ist doch kein Grund! Wir sind für dich da!"

Das nächste, was ich merkte, waren zwei Arme, die sich fest und verzweifelt um mich schlangen.

„Danke, Sofia", flüsterte er mit brechender Stimme, doch ich verneinte nur leise. „Das ist eine Selbstverständlichkeit, Kleiner. Ich hab dich lieb."- „Ich dich auch und das, was ich da gestern gesagt habe..."- „Ja?"- „Ich hab das nicht so gemeint... sicher nicht! Ich - du bist viel zu lieb und ich - ach Scheisse, ich war so wütend auf mich selbst in dem Moment, da hab ich das an dir rausgelassen und das war falsch."- „Ist okay", nickte ich und bekam einen Kuss auf die Stirn.

„Aber eine Frage habe ich noch. Bottom oder Top?"

Nils schlug mich an den Arm und ich wich quietschend aus. „Hey, ich will das echt wissen!"- „Top", sagte er verlegen grinsend und ich hob einen Finger. „Und woher weisst du das? Hast du das andere schon ausprobiert?"- „Sofia!", zischte Nils und ich musste lächeln. „Sorry, Bruderherz."

Die nächste halbe Stunde versammelte sich unsere ganze Familie in der Küche und wir gratulierten Nils zu seinem Outing, wobei ich ihm eine Torte für morgen versprach und Mathieu sich grinsend darauf freute, ihn in die Schwulenszene einzuführen. Doch dann hob Nils die Hände: „Kann sein, dass ich auch Bisexuell bin. Ich meine, Brüste können auch entzücken?"

Mathieu begann zu lachen und klopfte ihm auf den Rücken. „Das besprichst du aber mit jemand anderem, ja? Da bin ich kein Experte!"

Niemand hatte ein Problem damit, dass Nils schwul war, Cammie war sogar extrem neugierig und quetschte Milan und Niklas so lange aus, bis sie ihr erzählten, wie Schwulensex funktionierte. Ewh. Ich hoffte, dass meine Schwester nicht allzu verdorben wurde, wenn sie mit Dreizehn bereits über die Fickgewohnheiten von Schwulen Bescheid wusste.

Apropos - wo war Harry? Scheisse, den hatte ich ganz vergessen!

„Ich muss weg", murmelte ich und rannte aus der Küche, Chicos Pfoten trommelten unregelmässig hinter mir her und ich sah, dass er gleichzeitig versuchte, zu laufen, während er seine Leine mitzerrte.

„Och Chico", murmelte ich und befreite ihn davon. „Wir gehen morgen lange spazieren, ja?"

Er bellte zustimmend und drehte sich dann einmal im Kreis. „Nein, nicht jetzt! Einmal schlafen, ja?"

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