Cinquante-Neuf -D'un accident

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Eine Stunde später kurvten wir bereits auf Nebenstrassen durch die Gegend, das GPS sprach mir vor, was ich zu tun hatte – da tauchte eine Wand aus Schnee direkt vor uns auf. «Oh Gott», brach ich heraus und ging sanft vom Gas, um mit 60 Stundenkilometer weiterzufahren – zurecht, da der Wagen sofort mühsamer lief und auch leicht schlingerte, wie ich in den Kurven merkte. «Bist du angeschnallt?» - «Klar», sagte Harry kurz und drehte die Musik etwas leiser, was ich leise bedankte. Wir kamen langsam vorwärts, während um uns herum der Sturm tobte und den Schnee in Fetzen herumtrieb.

«Ich... Achtung!»

Ich schrie auf und trat auf die Bremse – das Auto schleuderte einige Meter weiter, bis es zum Stehen kam. Nur Zentimeter vor dem Bus entfernt, der die Strasse blockierte. «Perfekt», stöhnte ich und liess den Kopf aufs Steuerrad sinken, ehe ich nach meiner Jacke griff. «Wollen wir helfen?» - «Eh... ich denke, die sind schon weg und haben nur den Bus hier gelassen... wir sollten weg, vielleicht fliegt der in die Luft!»

Ich riss die Augen auf, ehe ich merkte, dass Harry mich verarschte. «Harry, verdammt! Das hier ist gerade NICHT WITZIG!», fauchte ich wütend und kniff die Augen zusammen. «Sorry, Love. Geh in den ersten Gang, fahr vorsichtig drum rum und schalte sofort in einen hohen Gang, damit wir nicht stecken bleiben – aber fahr langsam.» - «Hast du das schon mal gemacht?» - «Nein, aber gelesen. Bei uns gibt's sowas nicht; höchstens im Schottischen Hochgebirge und das ist nicht grad um die Ecke.» - «Ach was», murmelte ich sarkastisch und tat, was er mir vorgeschlagen hatte – der Bus lag verlassen einfach mitten in der Strasse. Alles klar – funktionierte ja alles perfekt, würde ich sagen. Also, das französische Schneerettungssystem.

«Wie weit sind wir noch entfernt?», fragte ich – ich wagte es nicht, den Blick auch nur für eine Sekunde von der Strasse zu nehmen. «Ehm... zwanzig Kilometer. Okay, mach weiter so, Sofia. Wir schaffen das.»

Ich nickte und holte tief Luft, atmete durch. «Kannst du mir etwas zu essen geben? Ich brauch etwas für meine Nerven», bat ich ihn dann. Draussen war es dunkel, als wäre es schon Nacht, dabei war es früher Nachmittag. Kam jetzt der Weltuntergang oder was?

«Hier, mach den Mund auf.» - «Pass auf, dass du mir nicht in die Sicht kommst», warnte ich Harry und hielt dann still. Er legte mir etwas in den Mund und ich kaute lächelnd, ehe ich ihn wieder öffnete. Wenig später fühlte ich mich etwas gestärkt und ich konnte mich besser konzentrieren, weshalb ich etwas mehr Gas gab.

«Wie weit noch?», fragte ich einige Minuten später. «Zwölf Kilometer», murmelte Harry und ich atmete durch. Endspurt.

In der nächsten Sekunde krachte es laut und es wurde ruckartig ganz dunkel, dazu hörte ich einen heiseren Schrei von Harry.

Das Auto schleuderte kurz, ehe wir anhielten, Chico bellte laut und aufgeregt. «Sofia!», brüllte Harry panisch direkt neben mir.

«Was war das?», brachte ich verdutzt heraus und stemmte mit den Händen gegen das, was mir auf den Bauch drückte – der Airbag.

«Bist du okay? Stehen wir?» - «Ja. Bei dir?» - «Ich hab mir den Kopf gestossen doch das ist jetzt egal. Achtung.»

Wenig später zischte es und die Airbags sanken zusammen. Im nächsten Moment konnte ich dank der noch brennenden Scheinwerfer des Autos sehen, was los war – wir waren von den Ästen eines umfallenden Baumes erwischt und herumgeschleudert worden.

«Chico!», fiel mir ein und ich kämpfte kurz mit dem Sicherheitsgurt, ehe ich auf die Rückbank kletterte und von dort in den geräumigen Kofferraum. Zum Glück war die Box gut festgemacht gewesen, sodass Chico nichts Schlimmes passiert sein konnte. Dennoch winselte er herzzerreissend und ich öffnete die Box vorsichtig, woraufhin er rausgekrochen kam. «Hast du dir wehgetan? Wo tut's weh, Chico? Zeig's mir!», flehte ich ihn weinend an, als ich sah, wie er zitterte. Seine Schnauze zuckte immer wieder zu seinem linken Hinterbein hin, also strich ich dort vorsichtig das längere Fell weg – und sah eine hässliche Fleischwunde. «Oh mein Gott!», schrie ich und schluchzte. «Wie konnte das passieren! Verdammt, Chico, es tut mir so leid! Harry, er ist verletzt! Was müssen wir machen?!» - «Trink etwas, Love», sagte Harry heiser und streckte mir eine Flasche mit Wasser hin, doch ich schüttelte den Kopf. «Ich will nichts trinken! Er blutet, verdammt!» - «Ich rufe gleich den Rettungsdienst an», sagte Harry ruhig. «Nein, jetzt!», brüllte ich und setzte mich hin, bettete Chicos Kopf in meinen Schoss und strich ihm immer wieder über die Schnauze. Er wimmerte und ich berührte ihn möglichst beruhigend, während ich gleichzeitig nach meiner Tasche angelte. Irgendwo müsste ich Schmerztabletten drin haben, die ich ihm auch geben könnte. Dann würde er wenigstens nicht leiden.

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