26.Winterlicher Fluch

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Leicht fröstelnd lief ich den steinernden Korridor entlang und hielt sowohl Augen, als auch Ohren offen, um Hermine zu finden. Auch Samira lief aufmerksam neben mir her und versuchte das Gryffindormädchen zu finden, jedoch bisher ohne Erfolg. Da ich noch nicht so lange diese Schule besuchte, war es für mich recht schwierig Hermine ausfindig zu machen, ohne Gefahr zu laufen mich zu verirren.
Je weiter ich die Gänge entlang lief, desto kälter wurde es und ich bereute es jetzt keine Jacke mitgenommen zu haben. Gerade als ich dachte umkehren zu müssen, hörte ich in der Nähe eine vertraute Stimme etwas murmeln und darauf hin das Zwitschern von Vögeln. Neugierig und verwirrt zugleich, beschleunigte ich meine Schritte und kam an einer runden Ausbuchtung der Wand vorbei, als ich stehen blieb und mich dahin umdrehte. Vor mir saß eine weinende Hermine, die fünf kleinen Federtieren dabei zusah, wie sie über ihr in der Luft schwebten. Sie so zu sehen, brach mir das Herz und ging langsam auf das braunhaarige Mädchen zu, um mich anschließend neben sie auf eine der Steinstufen zu einer Wendeltreppe zu setzen. Schluchzend sah sie mich erschrocken an, ehe sie mit dem Ärmel ihres Gryffindorpullovers versuchte ihre Tränen zu trocknen. Nach einer Weile gab sie es aber auf, da sie nicht aufhören konnte, so dass ich sie schweigend in die Arme schloss und ihr tröstend die Schultern tätschelte. Ein wenig zögernd erwiderte sie die Umarmung und legte ihr Kinn auf meiner linken Schulter ab, wodurch sie mit der Zeit immer ruhiger wurde. Kurz darauf lösten wir uns wieder und bemerkten, wie jemand über die Wendeltreppe hinter uns hier her kam, weshalb ich mich fragend umdrehte. Erst sah ich nur die Silhouette eines Jungens, bis ich schließlich erkannte, dass es Harry war, der uns suchte und wenig später zum Vorschein kam. Besorgt sah er erst zu dem weinenden Mädchen neben mir und dann zu den herbei gezauberten Vögeln, welche weiterhin fröhlich ihre Runden flogen, während sich Hermine abermals die Tränen an ihrem Gryffindorpullover trocknete.
,,Ich habe nur etwas geübt, für Verwandlung.", versuchte sie von ihrem Gefühlsausbruch abzulenken und sah wieder zu den Tieren empor, wobei ihre belegte Stimme nicht gerade dabei half.
,,Sie sind wirklich gut.", ging der Schwarzhaarige auf ihre Aussage ein und ließ sich auf der anderen Seite von ihr nieder und sah nun auch nach oben. Es blieb eine Zeit lang still, bis auf den Gesang der Vögel und des pfeifenden Luftzuges, welcher aus einer kaputten Ecke des Fensters herrührte.
,,Wie fühlt es sich an, wenn du Ginny mit Dean siehst? Ich habe es an deinem Blick gesehen und versuche es nicht zu leugnen.", fragte Hermine plötzlich den Jungen neben ihr und wandte ihren Blick zu ihm, welcher sie erst verwirrt und dann betrübt ansah. Ich konnte mir vorstellen, wie schlimm es für Harry war, jemanden zu lieben, der jedoch so weit von einem entfernt war. Genau diese Erkenntnis ließ meine Sicht leicht verschwimmen, bevor ich ein paar Mal mit meinen Augen versuchte, die aufkommenden Tränen verschwinden zu lassen.
,,Harry, du bist mein bester Freund und ich kenne dich gut genug, dass du mir nichts vormachen kannst.", meinte Hermine schließlich und begann wieder zu weinen, ehe sie ihren Kopf auf Harry Schulter bettete; betrübt legte er einen Arm um die Schulter des Gryffindormädchens, um sie zu trösten. Irgendwie fühlte ich in diesem Moment nicht dazugehörig, da ich nicht die selben Erfahrungen teilen konnte, die das Trio miteinander erlebt hatte. Ich fühlte mich allein, auch wenn es physisch gesehen nicht so war, jedoch konnte keiner meine Gefühle nachvollziehen. Niemand von ihnen wusste, wer ich war und das ich ein zweites Ich hatte. Es ließ mich das selbe spüren, wie vor einigen Jahren, als ich meinen Bruder verlor. Monatelang schloss ich mich in meinem Zimmer ein, ließ niemanden an mich heran und existierte nur noch, aber ohne die geringsten Gefühle. Seitdem ich hier auf Hogwarts und von meiner Familie getrennt war, fühlte ich mich häufiger als sonst so deprimiert.
Von irgendwo her ertönten plötzlich mehrere Schritte, die sich auf uns zu bewegten und sich kurz darauf als Ron und Lavender herausstellten. Einen besseren Zeitpunkt hätten sie ja nicht erwischen können.
,,Ups...hier ist anscheinend schon besetzt.", kicherte das Mädchen mit einer schon nervigen hohen Stimme und lief weiter, während Ron stehen bliebt und uns überrumpelt musterte.
,,Was ist denn mit euch los?", fragte er uns und am liebsten hätten ich ihn für diese Frage aus dem Fenster geworfen. Wie ignorant konnte Ron denn bitte sein? Neben mir bemerkte ich, wie Hermine sich schniefend erhob und sah zu ihr, wie sie ihren Zauberstab auf den rotschöpfigen Jungen richtete.
,,Oppugno!", murmelte sie, woraufhin sofort die Vögel über ihr erschienen und pfeilschnell zu Ron sausten. Intuitiv ergriff dieser die Flucht und verschwand mit einem grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht aus dem Korridor. Bitterlich und noch stärker am weinen, ließ sich Hermine wieder sinkten und wurde sofort von Harry in eine Umarmung gezogen.
,,Es fühlt sich genau so an, Hermine.", murmelte er betrübt und sah zu Boden. So kam es dazu, dass drei völlig unterschiedliche Menschen mit dem gleichen Schmerz nebeneinander saßen und ihren Gefühlen, auf ihrer Art, freien Lauf ließen.

Engel der Nacht (Harry Potter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt