Wie es Madame Pomfrey mir versprochen hatte, durfte ich am nächsten Tag den Krankenflügel verlassen. Jedoch erst am Nachmittag, als der Unterricht vorbei war. Ihre Worte waren nur: Was wäre ich denn für eine Krankenschwester, wenn ich Sie nach so einem Schwächeanfall gleich wieder in den Unterricht lassen würde? Das können Sie getrost vergessen Miss Rave.
So viel Respekt wie vor dieser Krankenschwester hatte ich noch nie gehabt, abgesehen von meinen Eltern und einigen Bekannten. Aber das war ja auch etwas anderes.
Jedenfalls war ich froh darüber, das Krankenbett wieder verlassen zu dürfen, was hauptsächlich der Langeweile geschuldet war. Draco war seit unserem Gespräch nicht wieder aufgewacht, doch erzählte ich Madame Pomfrey, dass er bereits in der Nacht wach war. Diese nahm es lediglich mit einem Nicken zur Kenntnis und scheuchte mich beinahe mit Samira aus dem Krankenflügel. Da der Unterricht bereits für alle Klassenstufen zu Ende war und das Abendessen noch nicht anstand, beschloss ich in den Gryffindorgemeinschaftsraum zu gehen. Während ich dafür durch die steinernen Korridore lief, glitt mein Blick immer wieder nach draußen. Der Himmel war zum Großteil mit großen, dunklen Wolken verhangen und kündigte in der nächsten Zeit kräftige Regenschauer an. Trotzdem konnte ich von meinem Standpunkt aus das Quidditchfeld erkennen und, dass dort einige Besen mit Schülern darauf durch die Luft sausten. Welche Mannschaft es war, konnte ich nicht sagen, denn dafür war die Entfernung zu groß. Doch auch außerhalb des Feldes um das Schloss herum sah ich hier und da vereinzelt ein paar Grüppchen. Alles wirkte so... normal und unbeschwert, fast so als wäre außerhalb der Ländereien keine Bedrohung, die einen töten oder verletzen könnte. Doch neben wenigen auserwählten Person war ich die einzige, die es besser wusste. Es würden dunkle Zeiten auf uns zu kommen, so düster so dass man dachte die Nacht wäre der Tag.
Der restliche Tag verging zumindest für mich recht schweigsam und alle meine Freunde um mich herum schienen dies zu respektieren. Auch Harry, der wegen der Sache vom Vortag immer noch mitgenommen war. So wie ich es Hermine und Leon zuvor schon erklärt hatte, schilderte ich Harry meinen Standpunkt und man konnte richtig sehen, wie ihm eine Last von den Schultern genommen wurde.
Während wir die Wahrheit über den Zwischenfall mit Harry und Draco wussten, so herrschten in Hogwarts die wildesten Gerüchte: ein paar sagten anderen, dass ein Todesser Draco angegriffen hätte und wieder andere meinten Draco sei wahnsinnig geworden und hätte beim demolieren der Toiletten versucht sich umzubringen. Jedoch mussten auch einige mitbekommen haben, wie Professor Snape mit Draco, Leon, Samira und mir durch die Gänge zum Krankenflügel gelaufen war. Denn es gab die vage Behauptung Leon und ich hätten etwas mit dem Angriff zu tun. Hauptsächlich kam diese Behauptung von einigen Slytherins, die jedoch vehement von den anderen Gryffindors abgestritten wurde und Unterstützung von den anderen beiden Häusern bekamen. Zusammenfassend gesagt: das Verhältnis der Häuser war so normal wie immer und doch bemerkte ich eine kaum spürbare Spannung in der Luft. So als würde sich ein Gewitter zusammenbrauen. Doch war ich anscheinend die einzige, die dies wahrnahm, denn weder Hermine noch Leon oder die anderen merkten etwas. Da ich dieses Gefühl nicht abschütteln konnte, verbarrikadierte ich es in den hintersten Winkel meines Unterbewusstseins und widmete mich den wichtigeren Dingen in meinem "normalen" Alltag: dem Unterricht, meinen Tutor Anima Stunden, dem Apperierkurs und Vorbereitungen auf die alljährlichen Prüfungen. Meine Nachhilfe für Katy wurde seit einiger Zeit nicht mehr benötigt, da sie mittlerweile die Jahrgangsbeste in Zaubertränke war und besten zurecht kam. Ich freute mich für sie, doch vermisste ich ein wenig die dadurch entstandene Ablenkung.
,,Miss Rave, wo sind Sie nur wieder mit Ihren Gedanken. Ich habe schon mehrmals gesagt, dass herumstarren und träumen nicht helfen wird.", holte mich eine wütende Stimme aus meinen Überlegungen. Ertappt blickte ich zu Professor Snape und straffte ein wenig meine Schultern.
,,Entschuldigen Sie, Professor."
,,Ich hoffe doch sehr, Sie haben darüber nachgedacht, wie Sie das Seelenbuch richtig anwenden werden.", meinte mein Gegenüber, obwohl er die Antwort bereits wusste. Trotzdem holte ich Luft zum Antworten.
,,Um das Seelenbuch richtig einzusetzen, muss ich mich wie gewohnt auf das Erscheinen konzentrieren. Damit ich die Geschichte einer Seele lesen kann, muss ich bestimmte Fakten wie Name, Geburtsdatum und Lebensdaten wissen. Professor Snape, Sie wissen doch, dass ich das Lesen und Herbeirufen seit ein paar Wochen perfekt beherrsche. Können wir nicht mit etwas anderem beginnen.", meinte ich und ließ während meiner Erklärung das besagte Objekt mehrmals Erscheinen und Verschwinden. Zum Ende hin sah ich meinen Lehrer entschlossen in die dunklen Augen. Es dauerte eine kleine Weile ehe er mir antwortete.
,,Nun, Miss Rave", fing er an und betonte dabei meinen falschen Nachnamen besonders stark," ich habe bereits vor geraumer Zeit angefangen, über die nächste Fähigkeit Ihrer Ausbildung nachzudenken. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie lernen sollten mit dem Tutor Anima Schwert umzugehen."
Erleichtert über diese Antwort lies ich das Buch verschwinden und sah dem Professor zu, wie er nun nachdenklich vor meinem Tisch auf und ab ging.
,,Die Frage ist nur, wo ist das Schwert?"
,,Habe ich Ihnen das noch nicht erzählt? Das Schwert mit Hilfe eines Spruches hervorgerufen, ähnlich wie bei dem Seelenbuch."
,,Und wann hatten Sie vorgehabt mir das mitzuteilen? Nun gut, fangen Sie an.", fragte mich Snape etwas ungehalten, ehe er sich beruhigte und mich aufforderte zu beginnen. Ohne etwas auf den harschen Ton zu erwidern, schloss ich die Augen, breitete meine Arme ein wenig aus und dachte an die Waffen meiner Schwestern. Erinnerte mich an die kristallklare Klinge, als bestünde sie aus Glas, an das silberne Heft mit den kunstvollen Rankenlinien und den leichten Schimmer, der von dem glasartigen Material ausging.
,,Orito Anima Gladius!", rief ich konzentriert und bemerkte, wie meine rechte Handfläche anfing zu kribbeln. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und fing an zu lächeln. Zu meiner Rechten glänzte die Klinge des Schwertes einer Tutor Anima und ließ mich sofort sicherer fühlen.
,,Eindrucksvoll, das muss ich zugeben.", riss mich Professor Snapes Stimme aus meinen Gedanken und gewann dadurch meine Aufmerksamkeit.
,,Wenn ich fragen dürfte, aus was für einem Material besteht die Klinge?"
,,So ganz genau wissen es meine Schwestern und ich auch nicht. Wir vermuten das es eine Art Kristall ist, der dem Diamanten hier auf der Erde ähnlich ist. Das Schwert kann bei Angriffen unsere magische Kraft annehmen und somit die Schuppen eines Dämondrachens durchstoßen. Meine älteste Schwester, Levanna, ist auf den Aufrufzauber gekommen, als sie ihre Kräfte trainierte. Es war, wie sagt man hier...wie ein Geistesblitz."
Noch während ich ihm etwas über das Seelenschwert erzählte, fing mein Lehrer an auf und ab zu laufen und schließlich an einem der bodentiefen Fenster stehen zu bleiben.
,,Sie und ihre Schwestern haben also keine Ahnung, wie diese Waffen entstanden? Wäre es da nicht auch möglich, dass sie nicht nur für helle sondern auch für dunkle Magie genutzt werden könnten?"
Vorsichtig hob ich das Schwert an und betrachtete es nachdenklich. Konnten die Schwerter von uns dreien wirklich auch für das Dunkle genutzt werden? Bedächtig für ich über die breite Seite der Klinge und schüttelte den Kopf.
,,Wenn ich ehrlich bin, kann ich mir das nicht vorstellen. Dämondrachen sind mit die dunkelsten Kreaturen und Dunkelheit kann man meiner Ansicht nur mit Licht vertreiben. Außerdem hatten meine Schwestern mehr als einmal mit den Schwerter versucht gegeneinander in Übungen zu kämpfen. Es war, als prallten die Klingen an einer unsichtbaren Mauer ab. Die Schwerter können heller Magie nichts anhaben, somit können sie nicht für das Dunkle genutzt werden.", stellte ich meine Sicht der Dinge dar und ließ am Ende mein Schwert sinken. Der Professor hatte ich währenddessen nicht das kleinste Bisschen gerührt und blickte hinaus auf die Landschaft.
,,Ich hoffe für Sie", fing er an zu sprechen," dass Sie mit Ihrer Vermutung richtig liegen. Da dieser Fakt nun...mehr oder weniger geklärt wäre, können wir ja mit dem Training beginnen."
Ein wenig skeptisch sah ich ihn an, obwohl er das nicht mitbekommen konnte und legte meinen Kopf ein wenig schief.
,,Und wie soll ich den Umgang mit dem Schwert lernen. Ich meine, ich hatte bereits Kampfunterricht in meiner Heimat gehabt, aber mit dem Seelenschwert ist das doch eine ganz andere Klasse."
Nach dieser Bemerkung drehte sich mein Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste mit einem hochgezogenen Mundwinkel zu mir um.
,,Darum habe ich mich bereits zusammen mit Professor Dumbeldore gekümmert."
Zuerst wusste ich nicht, was er damit meinte. Doch als er sich umdrehte, sah ich wie er einige kleine Holzscheiben neben sich schweben ließ. Das Fazit nach dieser Stunde war, dass Holz ganz schön schmerzen konnte, sogar in dieser kleinen Form. Ich hatte nur wenige Millisekunden Zeit, um die einzelnen Scheiben zu lokalisieren und mit dem Schwert weg zu schlagen...mit einem eher mittelmäßigen Erfolg.
Ausgelaugt von meinem Training ging ich wieder zurück zum Gryffindorturm und traf auf halben Wege Leon.
,,Lia, na wie war es?", fragte mein bester Freund verschmitzt und wie so oft legte er einen Arm um meine Schultern.
,,Mittelprächtig. Wo kommst du eigentlich gerade her?"
,,Von Professor Dumbeldore. Es ging um ein paar Informationen, die er von mir bezüglich deiner Eltern brauchte. Nichts schlimmes also."
Nachdenklich nickend nahm ich es zu Kenntnis und setzte zusammen mit Leon den Weg zum Turm fort. Ich wusste, dass Albus seit den Sommerferien mit den Auswirkungen eines schlimmen Fluches zu kämpfen hatte und in letzter Zeit fiel mir seine abgekämpfte Aura immer mehr auf, ohne das ich dafür meine Kräfte einsetzen musste. Ich war so sehr in meinen Gedanken versunken, dass ich gar nicht richtig mitbekam, wie Leon versuchte mit mir zu reden.
,,Hörst du mir eigentlich zu?"
,,Hmm? Ja...nein. Entschuldige, ich habe nicht aufgepasst. Was hast du mich gefragt?", murmelte ich abwesend und betrachtete ab und zu die Portraits verschiedener Zauberer und Hexen. Erst als ich wahrnahm, dass mein bester Freund mir nicht antwortete, spürte ich seinen nachdenklichen Blick auf mir. Fragend drehte ich meinen Kopf in seine Richtung.
Da er es nun war, der nichts geantwortet hatte, seufzte er leicht und richtete seinen Blick auf den Boden.
,,Was ist los Leon?"
,,Es ist nur...wir, vor allem du, sind schon so lange hier. Manchmal vermisse ich einfach unsere Heimat, die Leute und ihre Mentalität. Hier sind alle so...so..."
,,Einsam und trist?", warf ich ein.
,,Irgendwie schon. Sie haben zwar auch ihre positiven Seiten, aber sie unterscheiden sich von uns. Weißt du, was ich meine?"
Zögerlich hob und senkte ich meinen Kopf und dachte über seine Worte nach.
,,Du darfst aber auch nicht vergessen, dass es bei uns auch nicht immer rosig aussieht. Wir sind genauso wenig perfekt, wie es die Leute hier sind."
,,Das weiß ich...und werde es auch nie vergessen."
Ich bemerkte den bitteren Unterton in seiner Stimme und wusste nur zu gut, woran er dachte...an seinen besten Freund. Auch Leon hatte aufgrund seiner sozialen Stellung kaum Freunde gehabt, so wie ich. Es gab immer nur meine Geschwister, Leon, Seya, Samira und mich. Wir waren unschlagbar, doch seid Alex tot und Seya verschwunden war, rückte diese Welt immer weiter in den Hintergrund.
,,Lass uns ein anderes Thema ansprechen.", flüsterte ich mit einer belegten Stimme, die jedoch keinen Widerspruch zuließ. Leon erwiderte nichts, aber ich spürte, dass er damit einverstanden war. Somit setzten wir unseren Weg in den Gryffindorturm schweigend fort...jeder in seinen eigenen Gedanken.
Die Tage zogen an uns vorbei. Neumond kam und ging wieder ohne weitere Probleme, der Unterricht verlief normal und auch die Situation in unserer Gruppe hatte sich wieder beruhigt. Trotzdem war Draco immer noch das Lieblingsthema von Harry zusammen mit dem Auftrag von Albus, eine spezielle Erinnerung von Professor Slughorn zu bekommen. Mir und besonders Hermine, hing das erste Thema schon zum Halse heraus, jedoch interessierte es Harry nicht besonders, so dass er in jeder freien Minute über diese Fakten sprach.
,,Ich meine nur, dass Dumbeldore ihn von der Schule verweisen sollte. Er ist eine Gefahr für alle Schüler und Lehrkräfte hier, solange er Voldemort dient.", diskutierte der Brillenträger mit den grünen Augen gerade wieder dieses Thema mit Ron, wobei ich das Zusammenzucken des Rothaarigen bei der Erwähnung des Namens im Augenwinkel wahrnahm.
,,Harry, es reicht langsam mit diesem Thema. Es gibt weitaus wichtigere Dinge, als seinen Vermutungen hinterher zu rennen.", mischte sich Hermine in die Diskussion ein und erntete einen bösen Blick von Harry, der sich jedoch mit einem bissigen Kommentar zurückhielt.
,,Viel lieber solltest du überlegen, wie du mit Professor Dumbeldores Auftrag voran kommen willst. Bisher sieht es da ja nicht sehr vielversprechend aus."
Leon und ich saßen währenddessen schweigend auf dem rotem Sofa und verfolgten das Gespräch eher halbherzig. Es war ungewohnt, dass wir uns kaum miteinander unterhielten, doch seit unserer Unterhaltung nach meiner Trainingsstunde hatten wir nur noch das nötigste gesprochen und uns überall mehr im Hintergrund bewegt. Es war nach all der Zeit immer noch ein sensibles Thema für uns alle.
,,Thalia, hilf mir bitte unseren lieben Auserwählten zur Vernunft zu bringen.", durchdrang mit einem Male Hermines Stimme meine Gedankengänge und riss somit nicht nur mich, sondern auch Leon wieder in das Hier und Jetzt.
,,Mine...mit ein bisschen Glück kann ich ihn höchstens zum schweigen bringen, aber du weißt selber, dass...", fing ich an, wurde jedoch augenblicklich unterbrochen.
,,Glück...das ist es!", rief Harry, sprang auf und stürmte die Treppe zu den Schlafsälen empor und ließ uns mit einem Haufen Fragezeichen über den Köpfen zurück.
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Engel der Nacht (Harry Potter FF)
Hayran KurguTeil I: Engel der Nacht (beendet) Teil II: Engel der Finsternis (angefangen) Eine dunkle Zeit zieht über das Land herein. Bedroht dessen Bewohner und raubt ihnen die Hoffnung. Die magische Welt wirkt chancenlos im Kampf gegen die aufsteigenede Mach...