Entsetzt aber auch verwirrt starrten die hellblauen Augen meines besten Freundes zu mir und musterten mich.
,,Was meinst du damit, Lia?", fragte er mich ernst, da er wusste, dass ich in solchen Situationen keine Scherze machte. Ohne ihn aus den Augen zu lassen oder ein Wort zu verlieren, fing ich mit meiner rechten Hand an den linken Pulloverärmel nach oben zu krempeln und legte somit mein sonst so geschütztes Handgelenk frei. Voller Angst, aber auch Abscheu, huschte mein Blick zu dem Zeichen in meiner Haut, ehe ich mich wieder Leon zuwandte.
,,Deswegen.", meinte ich nur verbittert und hielt meinen Arm in seine Richtung, woraufhin er hastig aufstand und zu mir kam. Als er schließlich vor mir stehen blieb und mein Mal sah, runzelte er zunächst die Stirn und nahm vorsichtig meine Hand in seine, woraufhin er sie leicht hin und her drehte.
,,Mir kommt das Zeichen bekannt vor, doch kann ich es nicht einordnen.", murmelte er vor sich hin und berührte dabei sanft das Mal.
,,Es ist das Zeichen des dunklen Engel, dem Ater Angelus. Sie sind skrupellose Wesen, ohne Vernunft und Emotionen. Verlorene und entartete Seelen, besetzt von der Dunkelheit.", antwortete ich ihm und wurde zum Ende hin immer leiser. Völlig fassungslos sah Leon meinen Arm an und blickte dann auf, um mir ins Gesicht zu gucken.
,,Lia...ich...wie ist das bloß passiert?", fragte er mich mit einem Hauch von Traurigkeit in der Stimme. Seufzend entzog ich ihm meinen Arm und verschränkte ihn mit dem anderen vor meinem Oberkörper.
,,In der Nacht, als du mich fort bringen wolltest und wir im Wald angegriffen worden sind, bin ich zusammen mit Samira zu dem Portal gelaufen. Wir kamen dort auch an und waren kurz davor durch dieses auf die Erde zu reisen, als...als ich...SEINE Stimme hörte. ER hat mich verflucht, einen Augenblick bevor wir verschwanden. Genau das gehört wohl zu SEINER Drohung und Strafe, falls ich fliehen sollte: mich in ein grausames Wesen der Nacht zu verwandeln, ohne Möglichkeiten es zu beenden.", erklärte ich ihm die Situation mit einer zurückhaltenden Stimme, da ich nicht wusste, wie Leon auf diese Nachricht reagieren würde. Denn, genauso wie ich es getan hätte, starrte mein Beschützer mich immer noch erschrocken an und ich erkannte anhand seiner Körperhaltung, dass er mit sich rang. Doch gegen aller meiner Erwartungen löste er sich schnell wieder aus seiner Starre und zog mich zu sich heran, wo er mein Gesicht in seine warmen Hände nahm und mir unverwandt in die Augen blickte.
,,Egal, was ER mit dir angestellt hat, ob ER dich verflucht oder in ein Tier verwandelt hat, du bleibst auf ewig meine beste Freundin. Ich kenne dich, seitdem wir uns vor über zwölf Jahren am Pavillon im königlichen Irrgarten kennengelernt haben. Und ich kann dir sagen, dass du dich verändert hast, dies tut jeder, aber in den Tiefen deiner Seele wirst du immer das Mädchen von damals bleiben und stets bemüht darum das Gute in jedem Lebewesen zu sehen. Eine Prinzessin Hellmirs, die trotz ihres jungen Alters, schon so viel für ihr Volk getan hat, was andere nicht einmal in ihrem ganzen Leben schaffen würden. Auch wenn du jetzt eine Last mehr zu tragen hast, durch diesen Fluch, wird dies nicht für immer so bleiben, denn ich verspreche dir, dass ich alles auf den Kopf stellen werde, damit du wieder frei sein kannst."
Für einige Momente musste ich erst einmal verarbeiten, was mir Leon gesagt hatte, bis ich das Ausmaß seiner Worte verstand. Wie hatte ich nur so einen Freund verdient, der für mich so viel riskierte, sein Leben aufs Spiel setzte und unsere Heimat für mich verließ. Ohne es zu bemerken, hatte ich angefangen zu weinen und nahm es erst wahr, als mir mein Gegenüber die Tränen von der Wange wischte. Dankbar blickte ich zu ihm und konnte ein erleichtertes Schmunzeln nicht verbergen.
,,Danke, dafür, dass du dich solchen Gefahren für mich aussetzt, ohne die Folgen zu kennen. Ich weiß nicht, womit ich dich als besten Freund verdient habe.", murmelte ich und bekam als Antwort ein warmherziges und kehliges Lachen.
,,Thalia, du bist so klug und gutmütig. Da müsste doch ich eher dafür dankbar sein mit dir befreundet zu sein. Und bitte weine nicht mehr, mein armes Herz erträgt das sonst nicht mehr.", meinte er schmunzelnd und fasste sich zum Ende hin theatralisch an die Brust, dort wo sein Herz lag.
,,Du bist verrückt. Habe ich dir das schon einmal gesagt?", fragte ich ihn belustigt und verschränkte provokant meine Arme vor dem Brustkorb.
,,Um die ein oder zwei...tausend Male. Aber genau deswegen hast du mich doch so lieb, nicht wahr?"
Kopfschüttelnd und lachend ließ ich mich von dieser Aussage auf die Kopie meines Bettes fallen und schloss die Augen, bis ich kurz darauf bemerkte, wie sich die Matratze neben mir senkte und ich wusste, dass es Leon war.
,,Weißt du seit ich hier auf Hogwarts bin, fühle ich mich anders, irgendwie befreiter. Keine Palastwachen, die auf mich Acht geben sollen oder die besorgten Blicke der anderen, da sie meine Geschichte kennen. Hier werde ich endlich genauso wie andere behandelt und doch werde ich niemals so sein können, wie sie. Fast alle von meinen Schulkameraden sind wohlbehütet in einer Familie groß geworden, ohne jegliche Bedrohungen. Niemand kennt auch nur ansatzweise den Schmerz meiner Familie, über den Verlust von Alexander und der Bedrohungen unseres gesamten Volkes. Manchmal...manchmal habe ich mir einfach nur gewünscht, die Schmerzen zu vergessen, die mich lähmen und behindern.", erzählte ich ihm von meinen Gefühlen während meiner bisherigen Schulzeit und öffnete dabei die Augen, nur um in ein erschrockenes Gesicht zu blicken.
,,Thalia, ich weiß, dass dir die Geschehnisse zu Herze gehen, wem würde es nicht so ergehen? Aber bedenke, ohne den Schmerz, so traurig es auch sein mag, wird niemals deinen Bruder und was er für dich getan hat in Vergessenheit geraten."
Auch wenn es wirklich schlimm klang, so hatte er recht: zwar war der Schmerz manchmal unerträglich, jedoch würde ich nie etwas von Alexander vergessen können, was in einer anderen Situation sicherlich so passiert wäre. Und doch wollte ich mich nicht an ihn erinnern; ich wollte ihn wieder bei mir haben, so wie früher.
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Engel der Nacht (Harry Potter FF)
FanficTeil I: Engel der Nacht (beendet) Teil II: Engel der Finsternis (angefangen) Eine dunkle Zeit zieht über das Land herein. Bedroht dessen Bewohner und raubt ihnen die Hoffnung. Die magische Welt wirkt chancenlos im Kampf gegen die aufsteigenede Mach...