51.Schach und...

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Es war nun soweit. Der Abend der Entscheidung war heran gebrochen. Harry ist vor wenigen Augenblicken los gelaufen, um zu Albus auf den Astronomieturm zu gehen. Ihm zu folgen war nicht so schwierig wie anfangs von mir befürchtet. Als Harry sich aufmachte, um den Gryffindorturm zu verlassen, waren die Mädchen und Ron kurz in ihren Schlafsälen verschwunden. Sie meinten, sie bräuchten etwas um sich von ihrer Nervosität abzulenken. Und kaum hatte Ginny als Letzte die Treppe betreten, haben Leon und ich uns davon geschlichen. Anfangs war mein bester Freund nicht sonderlich von Albus Bitte überzeugt. Vielmehr hat er sich vehement geweigert diesem Wunsch nachzukommen.

,,Das kann doch nicht sein Ernst sein! Haben ihn alle Mächte Hellmirs verlassen oder warum zieht er dich in so eine gefährliche Sache mit hinein?", ließ Leon seinen Unglauben heraus und tigerte unruhig im Raum der Wünsche auf und ab.
,,Und ich habe geglaubt, er sei ein weiser und vernünftiger Mann. Dich um so einen Gefallen zu bitten. Ich fasse es nicht!"
,,Leon, es ist bereits mit Albus abgeklärt. Es war mehr eine Information an dich, als um deine Erlaubnis zu bitten.", antwortete ich ihm ruhig, aber gereizt. Ruckartig blieb mein bester Freund stehen und sah mich ratlos an.
,,Und dich verstehe ich am allerwenigsten. Warum hast du dem Ganzen überhaupt zugestimmt. Du hättest diese Bitte ausschlagen müssen. Verstehst du nicht, dass du dich hier auf der Erde verstecken und nicht eine Hauptrolle im Krieg der Zauberer spielen sollst?"
Ich wusste, oder besser gesagt, verstand ich Leons Reaktion. Aber ich war Albus diesen Gefallen schuldig. Er hat viel riskiert, um mich zu verstecken, und nicht nur sein Leben, sondern auch das der anderen Schüler hier auf Hogwarts. Nur damit ER mich nicht in die Finger bekommt. Und auch, wenn es Leon jetzt noch nicht sehen kann, ist diese Bitte unabwendbar gewesen. Denn so oder so wären wir drei mit in den Krieg einbezogen worden. Falls Dumbledore nicht...überleben sollte, müsste ich Hogwarts verlassen und mich so lange verstecken, bis meine Eltern und Schwestern einen Ausweg gefunden hätten. Und dann würde ich in den zweiten Zaubererkrieg geraten. Auch wenn Albus leben sollte, bis eine Lösung seitens meiner Familie gefunden wurde, würde sich die Situation um ihn herum zuspitzen und ich würde auch in das Visier geraten. So oder so, es gab kein entkommen mehr. Dafür war es zu spät.
,,Es ist bereits unabwendbar, Leon. Wir stehen bereits mit einem Fuß auf dem Schlachtfeld. Und dies hätten wir nur verhindern können, indem wir in Hellmir geblieben wären.", antwortete ich ihm und erklärte Leon dabei die Situation. Am Ende schloss er seufzend seine Augen, ehe er wieder mich ansah.
,,Ich werde dir helfen, auch wenn ich diesen Gefallen missbillige. Aber ich habe dir, deiner Familie und vor allem deinem Bruder immer versprochen dich zu beschützen."
Auch wenn mein Herz einen kurzen Moment lang schmerzte, wurde mir warm darum und ich lächelte in dankbar an.
,,Ich wüsste nicht, was ich ohne deine Hilfe machen würde."

Und so kam es, dass wir beide und Samira, nun auf der unteren Plattform am Geländer standen und auf die Rückkehr von Albus und Harry warteten, die vor wenigen Minuten disapperierten. Es war eine schöne Nacht, der Himmel war bis auf ein oder zwei Wolken sternenklar und die Ländereien von Hogwarts wurden vom gleißenden Licht des fast vollständig gefüllten Mondes erhellt.
,,Was glaubst du, wie lange die Beiden brauchen werden, um diesen...ähm-"
,,-Horkrux zu finden?", half ich ihm auf die Sprünge.
,,Genau, Horkrux. Was denkst du?"
Nachdenklich blickte ich in den Sternenhimmel und versuchte eine geeignete Antwort auf seine Frage zu finden. Auch wenn sich Leon mittlerweile einigermaßen zurecht findet mit der irdischen Magie und Wissen, hatte er dennoch seine Schwierigkeiten mitzuhalten.
,,Wenn ich ehrlich bin, kann ich es dir nicht sagen, aber auf jeden Fall wird es dauern, die Sicherheitsvorkehrungen und Flüche zu umgehen. Ich schätze auf ein oder zwei Stunden müssen wir uns sicherlich einstellen."
Im Augenwinkel nahm ich wahr, wie Leon verstehend nickte und dann nach hinten zu Samira blickte, die hin und wieder zur gegenüberliegenden Seite lief. Ich wusste, dass sie eine solche Höhe nicht besonders mochte, doch es wirkte beinahe so, als ob sie nach etwas Ausschau halten würde.
,,Es wirkt beinahe so, als ob sie Seya suchen würde.", wisperte Leon und drehte sich ein wenig zu meiner Beschützerin, was ich ihm gleich tat. Und ich musste ihm stumm zustimmen. So wie Alexander und ich ein tiefes Band hatten, was unsere Seelen verband, so war es auch bei Samira und Seya. Beide waren Beschützer und lebten die meiste Zeit zusammen, so wie mein Bruder und ich. Doch als er...starb und Seya spurlos verschwand, entstanden gleich zwei Lücken, die sich bei ihr und mir aufmachten. Anfangs versucht Samira sie zu finden, doch war ihr Hang zu ihrer Bestimmung, mir zur Seite zu stehen, in dem Moment stärker. Im nachhinein zerbrach es mir jedes Mal das Herz, wenn ich daran zurückdachte. Denn nicht nur ich leide bis heute, sondern auch Samira, doch konnte es keiner so wirklich verstehen bis auf mich. Und dieses Verständnis bezüglich des Verlustes hat uns seither noch mehr zusammengeschweißt.
,,Wenn es eine Möglichkeit geben würde, Seya wiederzufinden. Ich würde sie ergreifen, sofort. Allein schon damit sie nicht mehr leiden muss.", antwortete ich ihm. Und auch wenn mein zweiter Gedanke daran egoistisch erscheint, so hätte meine Familie, Leon und auch ich endlich wieder eine Verbindung zu Alexander und sei sie noch so klein.
,,Das weiß ich, doch solange sich die Situation in Hellmir und auf der Erde nicht beruhigt hat, ist es zu gefährlich nach ihr zu suchen. Auch wenn ich bezweifle, dass Seya auf der Erde ist. Ich meine, wie hätte sie hier her kommen sollen. Die instabilen, natürlichen Übergänge wechseln ständig ihre Orte und wurden schon seit Jahrhunderten nicht mehr gefunden."
,,Ich hoffe, dass dies bald ein Ende hat. Die Kriege haben zu viele Opfer gefordert, auf der Erde und zu Hause.", meinte ich betrübt und wandte mich wieder zum Geländer um. Nachdenklich guckte ich über die Ländereien und die angrenzenden Erhebungen. Es war alles so friedlich und ruhig, ganz so als würde der Krieg, der in beiden Welten herrscht gar nicht existieren. 
Ich schwieg und Leon tat es mir gleich. Es war angenehm mal nicht zu reden, auch wenn ich bei ihm war. Und so verging die Zeit, ohne das einer von uns wusste, wie lange wir schon da standen und warteten. Jedoch wurde es zunehmend frischer und ich verfluchte mich innerlich, dass ich meinen Mantel nicht mitgenommen hatte. Durch einen recht frischen Luftzug im Juni musste ich anfangen zu frösteln und sah, wie sich auf meinen Armen eine feine Gänsehaut bildete.
,,Soll ich dir eine Jacke von mir holen? Ich sehe doch, dass dir kalt ist.", fragte Leon mich, als es ihm auffiel.
,,Das brauchst du nicht, wirklich. Ich werde es schon noch aushalten."
Und ehe ich diesen Satz ausgesprochen hatte, wehte eine noch kühlere Böe über die Plattform, und ich konnte mein Zittern nicht unterdrücken.
,,Das sehe ich. Keine Widerreden. Du bleibst mit Samira hier und ich gehe schnell zu meinem Zimmer."
Ich wollte schon Luft holen, um zu protestieren, doch da hatte er sich bereits umgedreht und war über die Wendeltreppe verschwunden.
,,So ein Sturkopf!", meinte ich leise zu mir selbst und sah zu Samira, die auf mich zu getapst kam. Besänftigend schmiegte sie sich schnurrend an mein Bein und maunzte mich einmal verspielt an. Ich konnte nicht anders als zu lachen und kniete mich zu ihr herunter, um sie zu kraulen.
,,Was, bei Hellmir, würde ich nur ohne dich machen?", fragte ich sie rhetorisch und erhielt einen eher merkwürdigen Laut als Antwort.
Schmunzelnd richtete ich mich wieder auf und blickte besorgt zur oberen Plattform mit dem Messingmodell des Sonnensystems. Albus und Harry waren mittlerweile fast zwei Stunden weg, und so langsam kroch die Verunsicherung und Angst in meine Glieder. Was ist, wenn ihnen etwas passiert ist? Niemand wusste, wo genau dieser Ort war. Niemand konnte ihnen in diesem Moment helfen. Sie waren vollkommen auf sich allein gestellt. Besorgt griff ich nach meinem Medaillon und fuhr vorsichtig über den eingelassenen Stein.
Albus, was um Hellmir, hast du dir bloß bei deinem Plan dabei gedacht? 
Ohne es zu wollen, fing ich an unruhig hin und her zu laufen. Vor meinem inneren Auge erschienen mir die grausamsten und schrecklichsten Vorstellung, dass ihnen etwas zugestoßen war. Dass einer der Beiden schwer verletzt oder womöglich...ich wollte diesen Gedanken gar nicht weiterführen. Und doch konnte ich es nicht verhindern, dass eine kleine Stimme in meinem Kopf mir genau diese Sache zuflüsterte. Aber auch der Satz aus meinem Albtraum hatte sich in meinem Kopf festgesetzt.
Und irgendwann heißt es auch für euch: Schach und...Matt.
Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, der Satz passte zu der Situation in der wir uns momentan befanden.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich ein lautes Poltern über mir vernahm. So schnell wie ich nur konnte, sprintete ich die Wendeltreppe nach oben. Es folgte mir zudem Samira, die ein wenig größer war als sonst, was nichts Gutes bedeuten konnte.
Vor mir bot sich ein grausames aber auch gleichzeitig beruhigendes Szenario, denn Albus, der sonst immer eine unfassbare Stärke und Selbstsicherheit repräsentierte, musste sich gestützt von Harry auf den Boden sinken lassen, damit er nicht zusammenbrach. Wäre die Situation nicht so schlimm gewesen, hätte ich die beiden mit meinen Fragen bombardiert, jedoch ließ ich es sein und lief auf die beiden zu.
,,Was ist mit dir passiert, Albus?", fragte ich meinen Gegenüber lediglich nur und kniete mich neben ihn, um seine geschwärzte Hand in meine beiden zu nehmen. Harry, der von meiner Präsenz in dem Plan keine Ahnung hatte, sah mich verwirrt an, blieb jedoch ausnahmsweise einmal stumm.
,,Eine Sicherheitsvorkehrung von Voldemort...ein von ihm entwickelter Schwächungstrank. Mach dir keine Sorgen."
,,Wie soll ich mir keine Sorgen machen, wenn der Mann, der mich mein halbes Leben mit Stärke geprägt hat, geschwächt am Boden liegt?", meinte ich ihn zynisch, auch wenn ich es nicht wollte.
,,Thalia hat Recht, Sir. Sie müssen in den Krankenflügel...zu Madame Pomfrey.", mischte sich nun der dunkelhaarige Junge neben mir ein und hockte sich ebenfalls vor unseren Mentor.
,,Nein, Harry, Severus...Severus ist der, den ich jetzt brauche.", antwortete uns Albus mit einer schwachen und krankwirkenden Stimme, die jedoch auch in dieser Situation keine Widerrede zuließ. Harry machte den Mund auf, um etwas darauf zu erwidern, was seinem Gesichtsausdruck nach nicht besonders freundlich gewesen wäre. Jedoch unterbrach ihn ein dumpfer Knall einige Stockwerke des Turmes unter uns. Einen Augenblick lang sah ich, wie ein Schatten der Unsicherheit über Albus Gesicht huschte, eher er sich mühsam aufraffte und uns auffordernd ansah.
,,Geht runter und versteckt euch. Niemand darf euch sehen...niemand. Sprecht mit keinem ohne meine Erlaubnis oder Aufforderung. Egal, was passiert, ihr müsst unbedingt unten bleiben. Tut, was ich euch sage. Vertraut mir.", raunte uns Albus zu und sah abwechselnd Harry und mir bestimmend in die Augen. Das polternde Geräusch hatte sich nun in ein paar Schritte verwandelt, welche immer weiter in unsere Richtung kamen.
,,Vertraut mir."
Bei seinem letzten Satz war seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern und seine vor Schmerzen gekrümmte Haltung verstärkten die Dringlichkeit in seiner Bitte. Harry befolgte sie sofort, wenn auch widerwillig. Ich jedoch konnte nicht anders als wie angewurzelt stehen zu bleiben.
,,Bitte versteck dich, Thalia."
,,Ich darf nicht noch jemanden verlieren. Das kann ich mir nicht verzeihen, Albus.", flüsterte ich und bemerkte nicht nur, wie in mir die Tränen aufkamen, sondern auch wie die Person immer näher kam.
,,Du musst es zulassen, du wirst es in diesen Krieg nicht verhindern können."
,,Ich wollte nie, dass es Krieg gibt, wegen mir."
,,Das weiß ich. Doch bitte...versteck dich. Du und Harry seid viel zu wertvoll, als dass ihr jetzt gefasst werdet."
Schluckend nickte ich und sah ihm ein letztes Mal in die Augen. Wahrscheinlich das allerletzte Mal in meinem Leben.
,,Pass auf dich auf, Thalia. Und vergib mir, dass ich dir in deiner schweren Zeit damals nicht helfen konnte."
,,Albus-", fing ich an, bemerkte jedoch plötzlich, dass die Schritte nun erschreckend nah waren. Wie ein gehetztes Tier sah ich zu meinem Lehrer. Dieser sah mich müde lächelnd an, mit einem Ausdruck in den Augen, der nichts anderes als Es-ist-in-Ordnung bedeutete. Verzweifelt sah ich ihn an und befolgte dann schweren Herzens seinen Rat und verschwand mit Samira durch die verborgene Treppe in den Raum unter der Plattform. Harry sah mich erst ein wenig verwirrt an, ehe seine und auch meine Aufmerksamkeit auf das Stockwerk über uns gerichtet wurde. Denn die Person, die den Turm empor gestiegen war, entpuppte sich als Draco. Versteinert blickte ich aus dem Schatten heraus durch eine Öffnung im Boden zu ihm. Er stand mit gezückten Zauberstab vor Albus und sah ihn angespannt an. Neben mir griff Harry ebenfalls nach seinem und sah der Szenerie mit unschlüssigen Blicken zu. Im Sekundentakt wechselte seine Mimik von wütend zu verzweifelt, zu bestürzt und zu unsicher. Auch ich betrachtete die Handlung über mir mit einer Anspannung, die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Meine Beschützerin bemerkte, dass die Situation sich zuspitzte und wuchs wieder ein wenig, sodass sie die Hälfte meines Oberschenkels erreicht hatte. Der dunkelhaarige Junge neben mir verfolgte die morphologische Verwandlung erstaunt, traute sich jedoch nicht einen Mucks von sich zu geben. Stattdessen richtete er seinen Blick wieder empor. 

Heyho,
ich wünsche euch allen 'Frohe Weihnachten'. Mein Geschenk an euch ist, dass heute und die folgenden Feiertage je ein Kapitel erscheint.
Auch muss ich mich entschuldigen, für die paar Wochen, dass nichts von mir hochgeladen wurde. Es gab bei mir im privaten Umfeld, sagen wir mal, sehr große Spannungen und dadurch hatte ich keine Konzentration für das Schreiben.
Wie ihr gemerkt habt, steuern wir auf das Ende des ersten Buches zu. Schreibt mir doch gern, wie euch das Buch gefallen hat bis hier hin. Es ist auch konstruktive Kritik gern gesehen.
Eure Julia

Engel der Nacht (Harry Potter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt