Ablenkung

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Kurz vor zwei Uhr nachmittags, kamen wir an. Mir war ein wenig mulmig, aber ansonsten, hatte ich fast keine Sorgen, aufgrund des Aufenthalts. Da diese Leute nicht ahnten, was ich wusste, was sollten sie mir schon antun? Wir wurden von einem Taxi abgeholt, das extra für uns herbestellt worden war, ein privates Unternehmen, wie es aussah, denn eines der üblichen Taxis war das sicher nicht. Der Wagen hatte getönte Scheiben und sah sehr edel aus, zwar keine Limousine aber was erwartete ich eigentlich. Schon dieser Aufwand, wegen eines Seminars, erschien mir einigermaßen verdächtigt, und nicht nur mir. Elizabeth sah mich vielsagend an und spähte ständig um sich. Sie machte mich ein wenig nervös. Das Hotel, in das wir gebracht wurden, hatte vier Sterne und war sehr luxuriös ausgestattet. Wir bekamen zwei nebeneinanderliegende Zimmer mit Verbindungstür, die wir sofort öffneten und uns erst einmal nur erstaunt umsahen.

„WOW, ich weiß ja nicht, was ich erwartet hatte, aber das sicher nicht. Die müssen dich für eine ganz wichtige Persönlichkeit halten, Margie."

„Ach Quatsch. Ich weiß ja auch nicht was, dass alles soll?! Aber das bekommen wir noch heraus, fürchte ich langsam. Sieh mal, der Präsentkorb."

Ein übervoller Korb mit Früchten, Schokolade und Champagner stand auf dem Tisch, vor dem überaus bequemen Sofa und dem riesenhaften Fernsehgerät. Ich konnte kaum realisieren, was hier vor sich ging. Was sollte das alles? Wollten sie mich mit Absicht misstrauisch machen?

„Was meinst du, werden wir überwacht?"

Elizabeth sah sich suchend um.

„Ich würde es tun!"

Sie lächelte in alle Ecken, sehr unauffällig, was mich nur zum Lachen anregte. Dann entdeckte sie eine Karte, welche, verrutscht, in dem Präsentkorb gesteckt hatte. Sie gab sie mir wortlos. Das Emblem der Landentwicklungsgesellschaft war dick auf der Karte aufgedruckt. Ich öffnete und las leise.

„Also...lies."

Ich hielt ihr die Karte hin, welche sie nahm und mit wachsendem Erstaunen las.

„Wie kann er so unverfroren sein. Weiß er das..."

„Anscheinend, nur frage ich mich, woher?"

„Haben sie Spione auf unserer Grabung?"

Ich sah sie mit zurückgehaltenem Grinsen an.

„Spione, also Elizabeth. Wir sind doch nicht im Krieg?!"

„Wer weiß, was wissen wir denn schon über das, was hier vorgeht? Nichts! Woher weiß er soviel, das er sich aus freien Stücken zu erkennen gibt?"

„Ich gebe dir ja recht, vielleicht haben sie wirklich einen Informanten, aber wer? Nur wenige wissen, dass ich ihn gesehen habe. Elfriede, zum Beispiel, die wird es ja wohl nicht sein. Fred, also das kann ich mir nicht vorstellen."

„Gut, vielleicht haben sie mit Richtmikrofonen unsere Gespräche belauscht, wäre doch möglich. Der Gedanke, dass einer unserer Freunde dahinter steckt, gefällt mir ja auch nicht."

„Also gut, abgehört, aber wozu? Was ist an dieser vermaledeiten Grabung nur so wichtig?!"

„Ich weiß es auch nicht. Aber er scheint dich sprechen zu wollen, sonst würde er dich nicht zum Abendessen einladen."

„Noch bevor ich in diese Firma überhaupt rein bin. Das passt mir gar nicht."

„Wahrscheinlich wollen sie etwas verbergen, daher fangen sie dich jetzt schon ab."

Ich sah sie entnervt an, das alles mutete immer mehr, wie eine Verschwörung an und das gefiel mir überhaupt nicht. Was wollte ich überhaupt hier?

„Das ist mir nicht geheuer."

„Sollen wir abreisen? Ich wäre sofort dafür!"

Ich dachte kurz nach. Irgendwie reizte es mich auch. Was wollte er mir mitteilen? Warum gab er sich mir so offen zu erkennen und warum war ich ihnen so viel wert?

„Nein, ich höre, was er zu sagen hat und dann sehen wir weiter. Vielleicht machen wir auch nur die Pferde verrückt und er will etwas völlig anderes."

„Dich?!"

Sie sah mich schelmisch an. Ich schüttelte lachend den Kopf.

„Nein, ich denke vielmehr, er weiß vielleicht nicht, was wir über ihn wissen und will mich aushorchen."

„Wie du meinst, aber sag nicht..."

„Ja, ich weiß. Ich werde mich auf alle, auch auf die noch so abwegigen, Eventualitäten vorbereiten."

Sie ging lächelnd in ihr Zimmer. Mit einem eher verschmitzten Lächeln. Ich packte meine Sachen aus, so halbwegs jedenfalls, da ich ja darauf gefasst sein musste, schnell von hier zu verschwinden. Ich suchte mir ein passendes Outfit für dieses Essen heraus und hielt es Elizabeth von Weitem zum Begutachten hin. Das ist das Schöne, wenn man mit Frauen reist, man hat immer eine Modeberaterin zur Hand, wenn man sich unsicher ist.

Und wie ich mir unsicher war! Was sollte ich auch davon halten? Aber ich dachte mir, oder redete mir vielmehr ein, dass es sich schon ergeben würde, alles was ich so Erwartete. Dabei überlegte ich, was ich eigentlich erwartete?

Antworten, auf all diese Fragen, die mir schon seit Tagen im Kopf herumgeisterten. Vielleicht sogar auf Fragen, auf die mir eigentlich Lukas die Antwort schuldete. Aber ging das nicht zu weit? Sollte ich nicht warten, bis er endlich soviel Vertrauen hatte, dass er sich mir öffnete? Was, wenn dieser Tag nie kommen würde, ich könnte es nicht ertragen ewig in der Ungewissheit zu leben, ob er mich liebte oder nicht. Also würde ich alle Antworten mitnehmen, die ich kriegen konnte. Alle!

Wir waren im Eingangsbereich des Hotels verabredet. Ich kam etwas zu früh hinunter, da ich ihn beobachten wollte, wenn er kam. Jedoch war er mir damit zuvor gekommen, denn er wartete schon am Empfang. Lächelnd und Elegant wie immer stand er an den Tresen gelehnt und sah mir entgegen.

„Welch Zufall sie hier zu treffen, Herr Müller!"

Er sah mich verschwörerisch an, jedoch mit einem lächelnden Augenzwinkern.

„Nicht so zufällig, wie sie annehmen. Doch später, erst einmal möchte ich mich bedanken, dass sie es wagen mit mir zu essen. Sie sehen übrigens bezaubernd aus."

Ich lächelte. Elizabeth hatte mich hergerichtet, auch geschminkt, ich konnte so etwas nicht sehr gut. Ich wusste zwar, dass die Krücke den Eindruck ein wenig trübte, aber er überging diese netterweise. Er bot mir den Arm und ich hakte mich ein. Mein Magen rebellierte zwar noch immer, wegen dieses Treffens, aber seine sehr zuvorkommende Art, machte es mir leichter, natürlich zu wirken.

„Wohin gehen wir?"

„In ein wunderbares thailändisches Lokal. Ich hoffe sie essen gerne asiatisch?"

„Aber natürlich."

Wir lächelten wieder und gingen zu einem wartenden Wagen, mit Chauffeur. Das Essen war wunderbar und wir unterhielten uns angeregt über interessant Nichtsagende Themen. Als wir das Lokal verließen, war ich mollig eingelullt von seiner charmanten Art, dass ich den Grund meines Hierseins fast vergessen hatte. Er geleitete mich wieder zum Wagen und wir fuhren los. Da es schon dunkel war, denn wir hatten ziemlich lange geredet, nahm ich an, wir würden zum Hotel zurückfahren, doch darin irrte ich mich, wie anscheinend in vielem. Wir hielten vor einem hohen, völlig verglasten Gebäude. Er stieg aus und hielt mir die Hand hin.

„Kommen sie, Dr. Keller. Wir sind am Ziel."

Ich sah ihn fassungslos an. Das Zeichen über dem Eingangsportal zeigte mir eindeutig unser Ziel an, die Landvermessungsgesellschaft. Flucht war zu spät, so stieg ich würdevoll, so hoffte ich jedenfalls, aus und maß ihn abschätzend.

„Wieder im Dienst?"

„Kommen sie, sie werden erwartet."

ZeitbarrierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt