Suchende

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„Kennst du sie?"

Paul nickte.

„Den einen, der war mal bei Lukas. Die anderen nicht."

Doch er hätte es nicht sagen brauchen, als sie näher kamen, spürte ich sie, die Erschütterung in der Zeit, als reagiere sie allergisch auf ihre Anwesenheit. Meine feinen Nackenhaare stellten sich senkrecht und es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Fred sah sie und dachte natürlich sofort sie seien von EZ Produktion. Er ging freudestrahlend auf sie zu, was mir den Vorteil verschaffte mich dezent zurückziehen zu können. Fred war einfach wunderbar, er ließ sie nicht aus. Er war so froh diese Grabung vom Hals zu haben, dass er sie rumführte, ihnen alles zeigte und eine Bestandsaufnahme machte. Er war ein sehr gründlicher Grabungsleiter. Er wollte nicht, dass sie sich nachher über ihn beschweren konnten, dass er irgendetwas vernachlässigt habe, da es ja ein gefälschtes Grab war.

Ich stahl mich während dessen mit Paul durch einen seitlichen Schlitz im Zelt hinaus und wir liefen auf den Arbeitscontainer zu. Paul musste kichern, so einfach waren wir noch keinem Bösewicht entwischt. Doch man sollte nie voreilig sein. Ein Mann trat aus dem Container heraus und sah uns mit herablassendem Blick an. Ich spürte sofort die mir vertrauten Schwingungen und deutete Paul zu stoppen. Der Mann war etwa um die 40, hatte im Ansatz graue Haare doch sah noch recht sportlich aus. Sein Blick gefiel mir nicht. Er wirkte sehr von sich eingenommen, sehr Überlegen. Lässig lehnte er sich gegen die Außenwand und Maß uns mit seinen Blicken ab. Ein abwertendes Lächeln umspielte dabei seine Lippen.

„Sie sind also Margie. Lukas große Liebe."

„Dann müssen sie Arthur sein, sein Verführer."

Er lachte.

„Gut, dann wäre das ja klar."

Paul sah mich verdattert an. Er hielt sich hinter mir und sah sich immer wieder Hilfe suchend um. Doch es war niemand in der Nähe, auch niemand von seinen Leuten, er war allein.

„Sie haben etwas was mir gehört, Margie."

„Nein, nicht dass ich wüsste."

Er sah mich ärgerlich an und stieß sich von der Containerwand ab. Paul trat vorsichtig neben mich.

„Spielen sie nicht die Naive. Sie wissen sehr wohl, was ich meine. Sie kennen Jagos, das weiß ich. Er sagte, er habe ihnen etwas hinterlassen, ein Schriftstück, wo ist es?"

Ich schluckte. Doch ich sagte nichts und verzog keine Miene, obwohl ich von dem nichts wusste. Er würde dies noch tun, oder hatte es schon getan, ich war verwirrt. Doch ich hatte es noch nicht erlebt. Oder nur zum Teil. Doch das Schriftstück, diesen Teil hatte ich schon.

„Vielleicht hat er sie belogen, weil sie seinen Sohn ausgenutzt haben. Er will sie bestrafen, für ihren Hochmut."

Arthur trat wütend einen Schritt auf mich zu, doch Paul trat zwischen uns. Arthur sah ihn mit hasserfülltem Blick an, das ich Angst hatte er würde ihn niederschlagen, doch er wich wieder zurück. Arthur war ein sehr gefährlicher Mann.

„Ihr wisst, es ist sehr wohl möglich, und es ist so, denn ich weiß nicht, von was ihr sprecht."

Er drehte sich um und sah mich mit funkelnden Augen an.

„Was war in diesem Grab?"

Ich sah ihn irritiert an. Gut, wie ich fand. Glaubhaft.

„Was meint ihr? Es ist unbrauchbar."

Er schüttelte den Kopf.

„Sagt nicht, ihr wisst nicht, wer er ist."

„Jagos, natürlich, doch was nützt uns als Archäologen dies. Wir können nichts davon gebrauchen. Er hat Amalgam in den Zähnen, einen geschienten Bruch, das Grab hat ein Gewölbe aus der Römer Zeit und es sind Beigaben aus späteren Epochen darunter. Wie sollten wir das erklären. Wir müssen es als Fälschung deklarieren."

Er drehte sich wild gestikulierend um.

„Sonst nichts?"

„Nein, es ist ein normales Grab, ansonsten. Gut erhalten, sicher, aber normal. Was habt ihr denn erwartet?"

Er schüttelte wieder den Kopf.

„Nichts. Ich weiß es nicht. Schrift, nichts Schriftliches?"

Ich lachte, auch Paul. Arthur sah uns etwas pikiert an.

„Schrift? Aus dieser Zeit? Also Arthur, wie kommt ihr denn dazu? Wir fanden Symbole auf den Abdecksteinen, das war aber auch alles und wenig sensationell. Runen sind nicht eben außergewöhnlich."

Er sah zu Boden und dachte nach. Dann sah er uns nachdenklich an. Wir blieben normal, ohne Regung. Auch Paul, er war gut. Schnell hatte er gemerkt, dass Arthur etwas Bestimmtes suchte, ein Schriftstück aus dem Grab und das er es nicht finden durfte. Wir hatten unerwartet schauspielerische Fähigkeiten.

„Ich glaube ihnen noch immer nicht ganz, Margie. Ich werde sie beobachten, sie im Auge behalten. Wir werden sehen, ob sie die Wahrheit sagen."

Er drehte und ging. Wir sahen ihm lächelnd nach, bis er uns nicht mehr sehen konnte, und setzten uns dann durchatmend auf die Treppen vor dem Container.

„Das war aber knapp. Was wenn er die Arbeitscontainer durchsucht hätte?"

„Da hätte er aber viel zu tun gehabt. Wie viele Schriftstücke waren in dem Grab? Etwa 100?"

Er grinste.

„Viel Vergnügen für einen Tag."

Ich lachte. Das war es wirklich gewesen. Doch das wusste er ja nicht. Und ich würde es ihm nicht sagen.

„Was hat er wohl gesucht?"

„Keine Ahnung und ich will es auch nicht wissen, aber er hat es nicht bekommen. Das ist das Wichtigste."

Er nickte.

„Wer bekommt es jetzt?"

„EZ Produktions. Die bekommen alle Funde und dürfen sich damit rumärgern, auch mit den Folgen. Ich will endlich meine Ruhe haben."

Er legte den Arm um mich und drückte mich kurz.

„Genau. Hast du auch verdient."

Ich knuffte ihn in die Seite.

„Danke, gut geholfen. Dafür rufe ich auch für dich an."

Er drückte mir einen Schmatz auf die Stirn und ich glaube ihm lief eine Träne die Wange hinunter. Aber ich sagte nichts weiter. Ich war wohl das, was ihm als Verwandte als nächste kam und das war schon fast wieder traurig. Also ließ ich ihn weinen und mich kurz drücken, vielleicht würde ihm das helfen, endlich ein wenig erwachsener zu werden.

Als Elizabeth uns fand, saßen wir schon eine Weile stumm dort, ruhten uns aus, von allem, denn endlich hatte ich es geschafft, hatte alles hinter mir. Die Grabung war vorbei, die Organisation ließen mich in Ruhe und auch Lukas war weg, vorerst.

Ich konnte eigentlich Urlaub machen. Ich hatte es auch nötig. Elizabeth half mir auf, sie und ich würden zusammenziehen, also packten wir unsere Sachen auch gemeinschaftlich zusammen. Wir würden Morgen abfahren, erstmal nach Würzburg, dann würden wir Urlaub machen, zwei Wochen Ägypten. Schön warm! Kultur satt und gutes Essen. Was will man mehr. Ich legte mich also ein letztes Mal in dieses Bett, das ich die letzten Wochen mein Eigen genannt hatte und versuchte zu schlafen. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Wir hatten uns alle noch verabschiedet. Fred würde die Abbauaktion leiten. Markus blieb bei ihm, ruhig wie immer. Er war im Arbeitscontainer gewesen, während wir uns verabschiedeten, da er noch die Sachen von Dr. Kleis fertig ordnete, damit wir sie endlich wegschicken konnten. Er hatte ja immer mit ihm gearbeitet und wusste, wo alles war. Es wunderte mich nicht, dass er so verschlossen war, wenn er die Sachen eines Toten ordnen musste. Er war sowieso immer so nervös und dann das. Der Arme, er tat mir wirklich leid. Ich hätte mich mehr um ihn kümmern sollen, ein wenig beschlich mich ein schlechtes Gewissen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf schlief ich langsam ein.

ZeitbarrierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt