Ungereimtes

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Wir begannen damit das Gelände um die Grabung herum abzusperren. Unsere Sponsoren Firma, EZ Produktions, hatte uns dafür die Genehmigung besorgt. Lukas fühlte sich sichtlich wohl in seiner Rolle. Ich überlegte, ob ich ihn auf das Gespräch letzte Nacht ansprechen sollte? Noch immer lag mir das Gesagte von Frau Münthing schwer im Magen, da es eigenartig ist, Lukas sich an eine Firma gebunden vorzustellen. Ich beobachtete ihn heimlich, um eventuelle Veränderungen an ihm festzustellen, doch schien er immer noch der Hitzkopf und Draufgänger zu sein wie damals. Er rannte von einer Ecke zur anderen, nicht imstande die Arbeit wirklich zu delegieren, da er schon immer der Auffassung war, am besten machte man es eben selbst.

Ich Fotografierte den gesamten Vormittag. Die Ausgrabungsstelle musste genauestens aufgenommen werden, so konnte man im Computer, anhand der Daten, ein Modell erstellen. Dies war ganz Nützlich, um sich einen besseren Eindruck über die Lage zu machen, da man es sozusagen von oben Betrachten konnte.

Das Zelt wurde durch ein Größeres, den gesamten Bereich umspannendes, ersetzt. Es glich nun eher einer Werkshalle und wie auch auf den Containern, war das Firmen Emblem groß Aufgedruckt. Ich wunderte mich, dass ich bisher, noch niemandem sonst, außer Frau Münthing, von dieser Firma begegnet war. Da sie recht viel Investierten, wäre es doch anzunehmen, dass sie dieses Projekt auch überwachten. Ich nahm mir vor, Lukas darauf anzusprechen. Die Arbeit wurde ständig unterbrochen, wegen der Bauarbeiter, welche das alte Zelt weg und das neue aufstellten. Sie versuchten zwar uns nicht im Weg zu sein, doch praktisch war dies unmöglich. Als ich endlich alle Fotos gemacht hatte, umständlicher als nötig, zog ich mich erleichtert zurück froh dem Chaos entfliehen zu können und mir einen ruhigeren Fleck suchen zu dürfen.

Den Nachmittag verbrachte ich am Computer und gab Daten ein. Ich hatte vor zwei Jahren extra einen sechsmonatigen Kurs in einer Computerfirma absolviert, um anhand gesammelter Mess- und Fotodaten, Modelle am Computer erstellen zu können. Es war recht Zeitaufwendig, aber wie ich fand, lohnte es sich. Was es für mich Interessant macht, diese Arbeit zu machen, ist auch die Tatsache, dass man sitzt. Mir taten die Beine noch vom Vormittag weh und so fand ich die Arbeit am Computer eigentlich Entspannend.

Lukas hatte mir auch einen bequemen Drehstuhl mit Rollen besorgt, ergonomisch geformt natürlich, für meine diversen Rückenleiden, so brauchte ich nicht aufzustehen, wenn ich etwas von einem Nebentisch brauchte. Der Container mit den Arbeitsbereichen war der größte. Er bestand aus drei aneinander hängenden Modulen, sodass es wie ein langer Schlauch wirkte. Der Raum war mit mehreren Arbeitsplätzen, einschließlich eigener PC’s und vielen Aufbewahrungskisten eingerichtet. Des Weiteren hatten wir einen Projektor, einen Kühlschrank mit Getränken, ein Mikroskop und einige chemische Apparate, was es uns ermöglichte, schon vor Ort, Bodenproben zu entnehmen und zu bestimmen mit was wir es zu tun haben. Es gab auch noch ein paar Geräte, von denen ich nicht auf Anhieb sagen konnte, was es war. Jedoch muss ich gestehen, dass ich noch nie an einer solch gut Ausgerüsteten Grabung teilgenommen hatte.

Ich war die meiste Zeit des Nachmittags allein, was mir sehr half mit meiner Arbeit voranzukommen, da ich nicht unnötig gestört wurde. Zwar bin ich sehr gerne in Gesellschaft, jedoch ist es bei manchen Tätigkeiten auch nicht schlecht, wenn man eine Weile seine Ruhe hat. So schafft man es bedeutend produktiver zu arbeiten, als in Gesellschaft.

Am Abend trafen wir uns alle im Gemeinschaftsraum. Das erste Mal sah ich alle Mitarbeiter zusammen und konnte sehen, wie viele es waren. Es gab sieben Fachleute und noch etliche Studenten, die bei der Grabung halfen. Da waren Lukas als Leiter, Frau Münthing, wie sie mir sagte um die Geräte von EZ Produktions zu bedienen, Markus mein Fahrer, Dr. Kleis ein Geologe, der sich auf Prähistorische Funde spezialisiert hatte, den ich jedoch bisher nur von seinen Veröffentlichungen kannte, dann Fred Meinhard auch ein Archäologe, wir kannten uns ebenfalls von einer früheren Ausgrabung zusammen mit Lukas. Dann noch Elfriede Köhler, auch Archäologin und Anthropologien, ihr Spezialgebiet waren Bronzezeitliche Gräber und besonders Tierische und Menschliche Überreste. Diese sah man oft nur noch durch Verfärbungen im Boden, da Sie sich schon größtenteils zersetzt hatten. Als letzter war da noch Paul Van Haberland, er war erst 22 Jahre alt und hatte schon seine Doktortitel in Chemie und Biologie. Da ihm aber auf die Dauer in Labors langweilig geworden war, studierte er jetzt noch Archäologie, da er hoffte, dass es auf diesem Gebiet aufregender war und es ja auch ganz gut zu seinen anderen Gebieten passte. Er war immer ein wenig Hektisch und er lachte viel und laut. Auch ihn kannte ich noch von früher. Als er mit der Archäologie anfing, war er sofort von Lukas für eine seiner früheren Grabungen angeheuert worden und nun folgte er ihm fast überall hin. Er war auch schon auf dem besten Weg seinen dritten Doktortitel zu erwerben, was ihn mir nicht unbedingt Sympathischer machte, da er oft ein wenig überheblich war. Natürlich wusste er viel, das bestritt auch niemand. Jedoch ist es nicht angenehm, dies immer und immer wieder gesagt zu bekommen. Ja, er war ein bisschen Selbstverliebt und das obwohl er diesen Doktor anscheinend in der normalen Zeit abzulegen gedachte und nicht wie die anderen beiden, in erstaunlich rasantem Tempo. Wunderkinder können eben ein wenig nerven wenn sie erwachsen werden, oder sagen wir lieber, älter werden.

Das waren nun wir sieben. Momentan saßen die meisten, nur wir drei Frauen standen und unterhielten uns. Die Männer waren in ein Fachgespräch vertieft und besonders Paul war recht häufig mit seinem gedehnten 'aber' zu hören. Ich war glücklich nicht in diese Diskussion verstrickt zu sein und hoffte es blieb auch so. Jedoch konnte man dies bei Lukas nie genau wissen, da er oftmals überraschend sich einem zuwandte und einen auf sein Gesprächsthema hin ansprach. Manchmal denke ich, macht er dies Absichtlich, besonders bei mir, da er weiß, dass ich solch hitzigen Gespräche verabscheue.

„Was meinen sie, Dr. Keller? Ist es ein Schatz, da unten drin?“

Markus sah mich fragend an. Er saß am Tischende, ganz in der Nähe von uns drei Frauen und hörte uns auch schon eine Weile zu.

„Nun ja, darüber am Anfang zu Spekulieren ist ein wenig Müsig. Man wird so leicht Enttäuscht.“

Markus sah mich ein wenig säuerlich an. Er hatte wohl gehofft, sich auf eine Diskussion mit mir einzulassen. Er war eben noch jung und hatte diese Illusorischen Träume, denen wir alle damals nachgehangen waren. Große Funde, die uns Weltweiten Rum einbrachten. Einmal wie Howard Carter ein fast unangetastetes Königsgrab finden. Hier in Deutschland ist das wirklich Illusion. Hier gab es keine in den Boden Versenkte Gräber, die so angelegt waren, das sie keiner finden sollte. Wir sind hier nun mal nicht in Ägypten.

Nur leider Träumen viele neue Studenten gerade davon und wissen nicht, das sie dazu die Falsche Sparte anfangen. Deswegen wechseln so viele innerhalb der ersten zwei Semester.

„Warum sollte da kein Schatz sein, Frau Dr. Keller?“

Lukas sah mich schelmisch an. Das war mir doch klar, dass er wieder nebenbei zugehört hatte.

„Warum sollte er?  Wäre das nicht zu einfach?! Ein großes Grab muss ja nicht zwangsläufig einen Schatz zur Folge haben!“

Ich merkte wie Markus neben mir sichtlich auflebte, bei diesem Wortwechsel. Endlich Aktion, wie er sie haben wollte.

„Ihre Folgerung hinkt ein wenig. Wenn ich sie darauf aufmerksam machen darf, haben sie in ihrem erst kürzlich erschienenen Buch ausgeführt, das nur Standes gesehen ‚Höhere’ Personen, eine Grabausstattung erhalten, die umfangreicher und aufwendiger war. Dazu zählt wohl auch das Ausmaß des Hügelgrabes. Wenn wir den Gedanken weiter spinnen, heißen 300 Meter wohl ein enorm Hohen Stand. Ich würde mal auf einen Fürsten tippen.“

„Wohl eher ein König“

Paul war sichtlich Hingerissen von diesem Wortgefecht. Natürlich musste er dann auch gleich daran teilhaben.

„Du hast recht Paul. Ein König wäre sogar noch besser. Vielleicht haben sie sogar seinen ganzen Hofstaat mitbegraben, oder wie bei den Skythen, die Pferde. Wäre ja nicht das erste Mal und es würde die enormen Ausmaße des Grabes einigermaßen plausibel erklären.“

Lukas war wieder voll in seinem Element. Alles hörte ihm gespannt zu. Er war auf alle Fälle der König ‚seines’ hier Anwesenden Hofstaates.

„Und von welchem, ja wahrscheinlich noch unentdecktem Volk, war das hier der König? Wenn diese Terminologie in dieser Zeitperiode überhaupt angemessen ist.“

Ich sah ihn ein wenig herausfordernd an. Nicht das er glaubt er kann hier machen was er will.

„Lass mich nachdenken. Gib mir Zeit bis Morgen, dann fällt mir schon noch was Passendes ein. Überhaupt, wissen wir noch nicht genau, in welcher Zeit wir uns befinden und wer oder was sagt dir, das Sie nicht so etwas wie einen König hatten?“

Er lächelte mich an. Ja dies hier gefiel ihm wirklich. Wie er gesagte hatte, endlich jemand der ihm Widersprach. Wenigstens auf diesem Gebiet war ich mit Freuden gewillt ihm seine Erwartungen zu erfüllen.

„Du weißt so gut wie ich, dass wir nicht viel über die sozialen Strukturen Steinzeitlich oder bronzezeitlicher Perioden wissen, schon gar nicht, über deren hierarchisches System. Aber die Bezeichnung König, haben sie sicher nicht benützt, da du genau weißt, wann und wo diese das erste Mal in Erscheinung getreten ist.“

Nun lächelte ich, er ebenfalls. Die meisten anderen konnten sich auch ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Wie immer haben Frau Dr. Kellers Kenntnisse den Sieg über mich errungen.“

Alles lachte. Er deutete im Sitzen eine Verbeugung an. Dann zerstreute sich die Allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf einzelne Gruppen, bis nach nur kurzer Zeit der Run zu den Schlafcontainern einsetzte, welchem ich mich mehr hinkend, da meine Beine von der Anstrengung des Tages sehr schmerzten, anschloss.

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