Die Kammer

33 6 0
                                    


Als ich am nächsten Morgen aufwachte, ging es mir erstaunlich gut. Ich fühlte mich ausgeglichener, nach der Entscheidung der letzten Nacht. Etwas hatte sich in mir beruhigt und so fühlte ich mich besser, besonders mein Magen, der sogar knurrte und augenscheinlich nach Essbarem verlangte. Also machte ich mich auf und ging zum Gemeinschaftscontainer. Als ich eintrat, saßen schon eine ganze Reihe Kollegen darin, am lautstärksten war natürlich Paul zu vernehmen, der sich darüber beschwerte, dass die Auswertung der Schallortung so lange dauerte. Fred versuchte ihn zu beruhigen, ließ mich zu Elizabeth durch und hielt mir im vorbei gehen noch eine Tasse Kaffee hin. Ich grinste ihn freundlich an und er knuffte mich kameradschaftlich. Elizabeth lächelte mich an und schob mir ihre zweite Brötchen Hälfte herüber die ich dankend annahm.

„Gut geschlafen? Siehst viel besser aus!"

„Danke, ja war wirklich eine erholsame Nacht."

Lukas, der in unserer Nähe saß, warf mir einen eigenartigen Seitenblick zu, doch den Ignorierte ich. Wie auch den ganzen Rest des Vormittags, an dem ich mit Elizabeth an der Auswertung der Schriftfunde saß. Wenn ich doch einmal zu meinen Studenten ging und ihm über den Weg lief, sprach ich entweder nicht mit ihm, oder nur einsilbig, also auch nicht anders als sonst. Sollte er Fragen zu meinem Verhalten haben, so musste er schon zu mir kommen, ich würde es ihm nicht von mir aus erläutern. Doch er konnte sagen, was er wollte, ich würde meine Meinung nicht ändern. Die Entscheidung war endgültig und sie war richtig! Ich hatte es die Nacht über nochmals durchdacht und war immer wieder zu demselben Schluss gekommen. Warum ich dies alles vorher nicht gesehen hatte, war mir ein Rätsel und ein deutliches Anzeichen meiner sehr schlechten Menschenkenntnis.

Doch endlich hatte es in meinem Kopf Klick gemacht und ich hatte erkannt, was mir die Zeit schon lange sagen wollte, nur dass ich es einfach nicht hatte sehen wollen. Sturheit oder aus Liebe, besonders aus falsch verstandener, war da ja egal. Ich konnte mich meiner Einschätzungsgabe wirklich nicht rühmen. Ich fragte mich, in wem ich mich wohl noch alles geirrt hatte? Vielleicht hatte doch Müller Dr. Kleis ermordet. Warum glaubte ich ihm das eigentlich vorbehaltlos? Wegen seiner charmanten Art war ich denn so oberflächlich? Ich hatte langsam den Eindruck mich selbst am wenigsten zu kennen. Ich hatte von mir immer bestimmte Ansichten besessen. Doch wie es schien, hatte ich nur so sein wollen, doch war in Wirklichkeit ganz anders.

Elizabeth und ich arbeiteten gerade an einer der Schriftbänder im Inneren der hinteren Kammer, als einer der Studenten aufgeregt in den Arbeitscontainer kam.

„Dr. Keller, Dr. Gundelson. Schnell, ich soll sie zur Kammer holen, ich meine zum Grab...Bitte, schnell!"

Schon war er auch wieder aus dem Container gerannt, als könne er in der Kürze der Zeit etwas so immanent Wichtiges verpassen, dass sein Leben davon abhinge. Wir sahen uns erstaunt an, zuckten mit den Schultern und machten uns auf den Weg. Da mir meine Muskeln von dem vielen Stress der letzten Tage noch recht schmerzten, gingen wir nicht sehr schnell, was dazu führte, dass uns am Eingang zum Zelt schon Fred entgegen kam, um zu sehen, wo wir blieben. Nun wurden wir doch neugierig.

„Was habt ihr denn gefunden, das ihr alle so ausflippt?"

Er trippelte ungeduldig von einem Bein auf das andere und hielt uns die Eingangsöffnung auf.

„Macht schneller, dann seht ihr es."

Wir sahen ihn verdutzt an und gingen trotzdem gemächlich weiter. Was nicht konnte, wurde auch nicht schneller!

Um das Grab herum hatte sich in einer Traube, das gesamte Grabungsteam eingefunden. Wir staunten nicht schlecht. Mit neidvollen Blicken wurden wir durchgelassen und begaben uns zum Eingang der vorderen Kammer. Dort deutete uns Fred wir sollten ihm ins Innere folgen, das hieß, wir sollten die Treppe runter kriechen, in den Raum unterhalb des Grabes. Also gingen wir in die Hocke und robbten zu der Falltür, die nach unten führte, von wo aus uns Fred mit dem Abstieg wenigstens endlich galant half. Unten sahen wir uns erschrocken einem fürchterlichen Chaos gegenüber. Erde quoll aus einem Loch in der Wand, das an einem der Ecken zu sehen war. Ich entdeckte Paul doch der hob entschuldigend die Schultern, um mir anzuzeigen, er sei nicht verantwortlich. Mit einem Kopfnicken deutete er zu Lukas, der in Hockerstellung vor dem Loch saß und durch einen Spalt spähte, der in die dahinter liegende Klammer führte.

ZeitbarrierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt