Rückkehr ins Normale

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Dann schlief ich ein. Langsam kam es mir vor, als verschlief ich die meiste Zeit. Wieder nahm ich den gläsernen See am Rand meiner Träume wahr, doch ich vermied hinzusehen, oder mich darauf zu konzentrieren. Meine Träume gestalteten sich dadurch als recht anstrengend, was ich auch diesmal nach dem erwachen spürte, es laugte mich aus. Lukas hatte recht, es sog einen an, ob man wollte oder nicht. Ich würde dies nicht mehr allzu lange verstecken können. Aber noch musste ich es, noch wusste ich nicht genug über diese Leute. Die denen Lukas angehörte und den anderen. Ich konnte noch keine Wahl treffen. Dass ich das irgendwann musste, hatte mir auch das Gespräch mit Lukas klar werden lassen. Sie waren Feinde, entweder ich war auf seiner oder der anderen Seite, dazwischen gab es nicht.

Noch drei weitere ganze Tage behielten sie mich dort, ehe ich wieder in die Freiheit einer Grabung entlassen wurde. Doch wirklich frei konnte man das auch nicht nennen. Ich wurde begleitet, von Lukas und noch einem seiner Leute. Wie viele auf der Grabung zu diesen Leuten gehörten, egal welcher der beiden Seiten, versuchte ich mir nicht vorzustellen. Ich war zwischen die Fronten eines Krieges geraten, bei der jede Seite glaubt oder fest davon überzeugt ist, das Richtige zu tun. Die Einzigen zu sein, welche ihre Handlungen begründen können und rechtfertigen.

Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt einer der Gruppen angehören wollte. Beide waren sie mir, ob ihrer Handlungen suspekt. Sie griffen in die Privatsphäre anderer ein, mit einer Selbstverständlichkeit, die mich abstieß. Ich hatte nichts gegen Regeln einzuwenden, wenn diese wirklich zum Nutzen der Menschen ausgelegt sind, welche davon profitieren sollten, oder nur zum Nutzen der Oberschicht, welche sich dadurch ihr Machtmonopol sicherte. Eine gängige Praxis, die sich durch die Geschichte hinweg in allen Teilen der Welt beobachten lässt.

Elfriede und Elizabeth waren über die Maßen froh mich wieder zu sehen und ich teilte ihre Gefühle. Meine beiden Vertrauten, mit denen ich meine Gefühle und meine Gedanken austauschen konnte, die mir sagten, wenn ich falsch lag, hatten mir sehr gefehlt. Dies wurde mir in besonderem Maße bewusst, als ich sie endlich wieder um mich hatte. Die letzten Tage waren deshalb auch so Nervenzerrend gewesen, da ich mich einsam und verlassen gefühlt hatte.

Die Grabung war, natürlich was hätte ich auch anderes erwarten können, gut vorangeschritten. Doch Fred und Paul hatten ihre Freude daran, mich herumzuführen und mir alle Fortschritte bis ins kleinste Detail zu zeigen und zu erklären. Das alles hier wiederzugeben, würde Stunden benötigen, daher fasse ich ihre Schilderungen zusammen.

Sie hatten den Hügel fast vollständig abgetragen, nur einzelne Aufhäufungen deuteten auf den einstmals so überdimensionierten Bestattungshügel hin. Es waren insgesamt sieben Nachbestattungen im Hügel eingebettet gefunden und natürlich fachmännisch entnommen worden. Das Gang Grab oder Megalithgrab lag nun in seiner vollen Pracht vor uns. Beide Eingänge waren geöffnet worden und eine reiche Bestattung war hinter dem eigenartig mediterranen Eingang zum Vorschein gekommen. Elizabeth und Elfriede hatten die Symbole weiter entziffert und begonnen, weitere Symbolreihen im Inneren des Grabes, zu übersetzen. Die Deckplatte trug in verschlüsselter Form, was eigenartig ist für diese Zeit, das Datum der Niederlegung, sprich das Jahr und, das machte es nun wirklich interessant, nach babylonischem Kalender. Die Chaldäer hatten schon früh einen ausgeklügelten Kalender, ein Maß um die Jahre zu bestimmen, Sonnenfinsternisse zu errechnen und Schaltjahre auszugleichen. Doch was diese Art der Rechnung hier, in diesem Teil der Welt, zu dieser Zeit, zu suchen hatte, war mir schleierhaft. Sicher das babylonische Weltreich der Antike hatte auf alle Nachbarländer und folgende Reiche Einfluss ausgeübt, doch einen so direkten Bezug in diese Zeit, hier, war mir neu. Und nicht nur mir!

Viele auf der Ausgrabung begannen die Funde in Zweifel zu ziehen, obwohl alle Datierungen bisher und auch alle Proben an organischem oder metallischem Material, eindeutig unsere These der Datierung belegten. Das Grab stammte aus der Zeit, circa 3000 vor Christus. Genau das machte uns aber die Analyse und Einordnung des Fundkomplexes so schwer. Es gab keine Vergleichswerte, keine ähnlichen Grabanlagen in dieser Gegend, oder überhaupt diesem Breitengrad. Das war die Art von Fund, von dem man hoffte, dass ihn ein Kollege fand und sich damit seine Reputation als ernst zu nehmender Forscher zerstörte.

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