Fremde

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Wieder schlief ich schlecht. Die Aufregung der letzten Tage hielt meinen Geist in Aufruhr. Es wollte einfach nicht still werden da oben. Ich dachte über die Fundstelle nach. Was wir schon wussten und was das bedeuten konnte. Es gab so viele verschiedenen Deutungsmöglichkeiten. Ich dachte auch über Lukas nach. Wie immer schon war er sehr nett zu mir. Ich musste mir nur immer und immer wieder sagen, dass er so zu allen war.

Vor neun Jahren war mir dieser Umstand nicht klar gewesen. Ich Verliebte mich sofort in ihn, besser gesagt, ich hatte mich Verliebt. So ging das Wochen. Immer wartete ich auf den Augenblick, wann er sich mir Offenbart. Von was man als Frau nun ja ständig Träumt, wenn man Verliebt ist. Jedenfalls habe ich das getan. Er lieferte mir auch viele Anhaltspunkte für diese Träume. Er Flirtete mit mir. So dachte ich jedenfalls. So wie er es ja auch jetzt wieder macht. Er ist ausgesprochen nett. Was soll man davon sonst halten!

Damals Endete das ganze so, das eines Tages eine Frau auf die Ausgrabungsstätte kam und es sich Herausstellte, dass sie seine Verlobte war. Ein herber Rückschlag. Ich verging bis zum Ende der Grabung fast vor Schmerz. Jeden Tag sah ich ihn. Er veränderte sich nicht. In ihrer Anwesenheit, war er zwar ein kleines Stückchen weniger Liebenswert zu mir als sonst, aber das war auch alles.

Damals hatte mir das einen schweren Psychischen Schlag versetzt. Ich musste zu einer Psychiaterin, da ich mir einredete, dass das alles nur wegen meiner Krankheiten so gekommen wäre. Ich weiß bis Heute nicht wirklich, ob da was Wahres dran ist, da ich ihn seit dem nicht sehr oft wieder gesehen hatte, geschweige denn gesprochen. Nur auf Vorträgen, Seminaren oder größeren Tagungen, doch auch dort nur von Fern oder auf ein flüchtiges Hallo. Bis auf eine Grabung vor anderthalb Jahren, jedoch auf dieser hielt ich mich strickt von ihm fern, sah ihn kaum und sprach so gut wie nie mit ihm. Damals wollte ich dies nicht, wollte nur Arbeiten und keinen Ärger in dieser Art. Da die Grabung nicht die seine gewesen war, sondern die des Instituts von Bamberg, für Urgeschichte, war es kein Problem gewesen. Damals jedenfalls, hier war dies nun anders, ich musste mich mit ihm auseinander setzten.

Natürlich freute ich mich, dass er mich hier haben wollte, aber ich hatte gleichzeitig ein flaues Gefühl im Magen. Ich hoffte, dass ich dies alles überwunden hatte. Denn auch hier war er sehr nett zu mir und es hatte wieder für mich den Anschein, dass er gerne in meiner Nähe war. Ich musste mich einfach nur auf die Arbeit konzentrieren. Wenn ich an nichts anderes dachte, musste ich die Nähe zu ihm aushalten können.

Ich hasse mich manchmal für diese Gefühle. Ich sehe mich selbst gerne als Selbstständige, Unabhängige Frau. Natürlich bin ich Krank und benötige des Öfteren Hilfe, aber ansonsten gehe ich meinen Weg ohne Unterstützung. Ich war auf mehreren Schulen und immer sagte man mir, ich solle nicht zu hohe Ziele setzten, da ich sonst tief fallen würde, wenn ich sie nicht erreichen kann, wegen der körperlichen Einschränkungen. Aber hier bin Ich, Doktor der Archäologie, was brauche Ich einen Mann? Besonders wenn der nicht weiß, was er will?

‚Ja, ich konzentriere mich voll auf die Arbeit. So wird es gehen.’

Ich war schon immer sehr gut in Selbstsuggestion.

Der nächste Morgen begann eigentlich schon wunderschön. Ich kletterte gerade, mithilfe meiner Krücke, aus dem Schlafcontainer, da sah ich diesen Farbenprächtigen Sonnenaufgang. Natürlich bedeutet er schlechtes Wetter, ich weiß, aber ich bin jedes Mal Überwältigt von so viel Schönheit.

Ich begab mich zu unserem Gemeinschaftscontainer. Ich hatte den Kaffee schon erschnuppert und freute mich, nach solch einer Nacht, schon auf eine große, heiße Tasse dieses Elixiers. Als ich den Container betrat, saßen nur Lukas und Paul am Tisch. Ich schluckte kurz und hoffte, dass es keiner der beiden bemerkt hatte.

„Guten Morgen. Sagt bloß, sonst ist noch keiner wach?“

Ich nahm mir meine Tasse Kaffee und setzte mich neben Paul. Lukas sah mich ein wenig skeptisch an, antwortete aber in seinem gewohnt, freundlichen Ton.

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