Abtrünnige

43 6 0
                                    


Ich trat aus meinem Container und ging auf das Zelt zu. Die Nacht hatte mir jeglichen Appetit gründlich verdorben. Auch wollte ich gerade jetzt niemanden sehen, also schlich ich, mehr oder minder, auf die Ausgrabungsstätte. Niemand war dort. Ich setzte mich vor den Eingang der Kammer, an der wir arbeiteten und dachte nach, über das was ich gehört hatte, was ich darüber denken sollte. Warum hatte ich das gesehen? Was bezweckte die Zeit, dass sie mich dies sehen ließ, doch im entscheidenden Moment davon fortriss?

Doch eines fiel mir auch auf, als ich dort saß und über mein Erlebnis nachdachte, mir war nicht wieder Übel geworden. Nicht ein wenig, nicht ein bisschen. Das ließ mich lächeln. Endlich ein Fortschritt auf diesem Gebiet, ich hatte diese ewige Übelkeit auch schon ein wenig satt. Doch wieder hatte ich eine neue Liste an Fragen. Warum konnte ich dies? Warum zog mich die Zeit zu Orten, die anscheinend sonst niemand sah? Warum zog sie mich direkt? Ich hatte noch nie versucht selbst zu reisen und doch ließ mich die Zeit nicht los, wollte nicht, dass ich ohne sie war. Brauchte sie mich vielleicht? Was für ein abwegiger Gedanke. Ich sah definitiv zu viel fern.

Die anderen kamen vom Frühstück und sahen mich verblüfft an, als sie mich vor der Kammer sitzend fanden. Elizabeth kam sofort her und sah mich eingehend an, doch ich sagte nur, ich wollte ein wenig mit der Kammer allein sein, was allgemeine Heiterkeit auslöste.

„Hast du denn was Neues entdeckt? Du scheinst ja immer recht brauchbare Einfälle zu haben, wenn du lange genug auf die Ausgrabung schaust."

Paul sah mich mit Vielsagendem lächeln an. Ich schüttelte nur grinsend den Kopf.

„Nein, keine neue Erkenntnis. Nichts Schiefes mehr zu entdecken."

„Schade!"

Fred setzte sich neben mich und sah etwas verloren in das Innere der Kammer. Es schien als habe keiner so rechte Lust etwas zu tun.

„Was machen wir heute?"

Ich sah ihn fragend an.

„Das Gerät kommt heute Morgen, sagte die Firma gestern. Also, wenn es wirklich kommt, dann machen wir die Messungen und sehen weiter. Vielleicht stößt ja auch Lukas zu uns und beehrt uns mit seiner erlauchten Anwesenheit!"

Ich sah ihn mitleidig an. Er hatte wirklich einen schweren Stand. Aber er meckerte fast nie, nur am Rande. So wie eben!

„Er wird schon wieder auftauchen. Aber du machst das doch prima, Fred. Was brauchst du ihn denn?"

Er lächelte mir zu.

„Danke. Aber es wäre mir schon lieber, wenn er diesen Schlamassel ausgräbt."

Ich nickte verständnisvoll. Ich wollte nicht unbedingt der Leiter eben dieser Grabung sein. Schon die Anwesenheit zerstörte die Reputation. Am besten verschwieg man ganz, dass man hier war.

„Ach kommt schon, machen wir den Hügel klein. Was haben wir den schon noch zu verlieren?"

Paul sah uns herausfordernd an und Fred zuckte mit den Schultern.

„Wahrscheinlich nichts mehr."

Er stand auf und kroch mit Paul in die Kammer, um mit ihm nach unten zu klettern. Sie wollten die hintere Wand nochmals vermessen bevor sie die Schallabtastung vornahmen. Ich ging zu meinen Studenten und sah, was sie gestern so erreicht hatten. Doch sie sahen mir wenig begeistert entgegen, also hatten sie nichts gefunden. Ich sprach ihnen mein Mitleid aus und ermunterte sie zum Weiterkämpfen, zeigte ihnen, dass wir das alle taten, verbissen und selbstzerstörerisch. Das motivierte für den Moment!

Am Nachmittag kam Lukas wieder. Er verschwand zu Fred und Paul in die Kammer, um bei der Schallabtastung zu helfen, was mich nicht verwunderte. Auch war ich insgeheim froh darüber. Was sollte ich zu ihm sagen? Ich konnte ihm nicht sagen, was ich gehört hatte. Wie sollte ich ihm gegenübertreten? Wie je wieder mit ihm sprechen, nachdem was ich gehört hatte? Mein innerster Impuls war es, ihn anzuschreien, zu verlangen, dass er mir erklärte, was dies alles zu bedeuten hatte. Doch ich war mir nicht sicher, ob das richtig war. Selbst er war sich nicht sicher gewesen, mir all das zu sagen, was ich nun mit angehört hatte.

ZeitbarrierenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt