Endlich war alles klar. Keine Frage mehr offen, fast keine jedenfalls. Lukas würde ich gerne noch einiges Fragen, doch mehr Persönliches, die Vergangenheit Betreffendes. Dinge, die ich noch nicht verarbeitet hatte. Doch im Hier und jetzt waren alle meine Fragen beantwortet. Nun wusste ich sogar, wer Dr. Kleis ermordet hatte. Doch eines wusste ich nicht, was ich mit Markus tun sollte!
Ich sah ihn am Tag darauf. Er wirkte verstört wie immer, nervös und ungesund. Ich wusste nun, warum dem so war. Etwas in seinem Inneren versuchte zu verarbeiten, was er erlebt hatte, doch das konnte nicht gut gehen. Wahrscheinlich wusste er noch nicht einmal völlig, was alles geschehen war, in jener Nacht, da er sich nicht wirklich erinnern konnte. Ich musste ihm irgendwie helfen. Also tat ich das Einzige, was mir in diesem Fall einfiel, ich rief Gräuber an, denn erstens war dies ihre Grabung und zweitens hatte ich den Mord mit Methoden aufgedeckt, die ich der Polizei schlecht mitteilen konnte.
„Dr. Keller, ich hoffe sie wollen mich nicht wieder nach Dr. Stanton fragen. Da enttäusche ich sie gleich."
„Nein, es geht um etwas anderes. Um einen unserer Mitarbeiter, Markus Löher."
„Was ist mit ihm?"
„Er benötigt psychologische Betreuung."
„Und sie denken dafür sind wir zuständig?"
„Ja! Erinnern sie sich an den Mord an Dr. Kleis?"
Es entstand eine kurze Pause.
„Ja. Wir haben versucht ihn aufzuklären, kamen aber nicht durch."
„Lukas erwähnte so etwas. Ich habe ihn gesehen."
„Ihr Mitarbeiter?"
„Ja, doch es war Notwehr. Dr. Kleis versuchte ihn zu erdrosseln. Doch ich denke Markus erinnert sich kaum oder gar nicht an den besagten Abend."
„Wahrscheinlich. Natürlich können wir das so auch nicht den Behörden mitteilen. Gut, wir werden ihn in eine Klinik überweisen. Passen sie auf, dass er heute Morgen nicht abfährt."
„Gut. Danke, Herr Gräuber."
„Nichts zu danken, das ist selbstverständlich, wer soll sich sonst um den Jungen kümmern."
Wir legten beide auf. Es hatte sich schon eingespielt, das wir eher kurz angebunden waren, wenn wir miteinander telefonierten. Es war auch meist eher unangenehm. Ich ging und sah nach Markus. Es würde keine Probleme machen ihn hier zu halten, er war mit Arbeit eingedeckt. Also half ich noch ein wenig Fred, der seine Studenten beaufsichtigte, bis EZ Produktion eintraf und alles übernahm.
„Wann fahrt ihr?"
„Gegen Mittag. Wieso, willst du uns schon los werden?"
„Nein, ganz und gar nicht."
Ich vertrödelte die Zeit mit Kaffee trinken und die letzten liegen gebliebenen Papiere aufzuarbeiten. Dann, gegen Mittag kamen sie endlich. EZ Produktion mit ihren großen LKW und Autos. Gräuber kam sogar persönlich. In seinem Auto saßen noch zwei andere Männer in zivil. Sie kamen auf mich zu und er sah mich schon fragend an.
„Nun, wo ist er?"
„Im Zelt. Er ist bei Fred."
„Gut. Ich werde mich durchfragen und ihn herausholen. Warten sie hier bei Dr. Keller."
Die Männer lächelten mich an und warteten. Einer hatte eine kleine Tasche dabei die er nun öffnete. Darin waren eine Spritze und einige Ampullen. Er überprüfte, ob alles in Ordnung war und ich sah etwas missmutig dabei zu.
„Denken sie, dass die nötig sein werden?"
„Wer weiß. Da er nicht weiß, was auf ihn zu kommt, ist es gut möglich. Wir bereiten uns nur auf alles vor. Wir wollen nicht, das er sich noch verletzt."
Ich nickte. Das wollte ich natürlich auch nicht. Dann kam Gräuber mit Markus und Fred aus dem Zelt. Warum kam Fred mit? Die Drei sprachen angeregt miteinander. Sie hielten bei mir an. Die beiden Männer hielten sich dezent im Hintergrund. Einer der beiden schob sich unauffällig neben Markus.
„Wissen sie, Dr. Meinhard, wir haben interessante Neuigkeiten. Sie werden auch sie interessieren."
„Ja?"
Fred sah Gräuber neugierig an.
„Wir wissen endlich, wie Dr. Kleis gestorben ist."
Bei der Erwähnung des Namens zuckte Markus merklich zusammen. Er tat mir so leid. Nun tat auch der andere Mann einen Schritt auf ihn zu. Ich ging von dem Auto weg, damit ich ihnen nicht im Weg war. Fred sah mich etwas irritiert an, doch Markus bemerkte nichts.
„Ja, er wurde in Notwehr erstochen."
„Notwehr? Das ist wirklich eine Neuigkeit! Wer und wie?"
Markus war bleich geworden. Seine Knie zitterten und mir war als würde er gleich umfallen.
„Er versuchte seinen Gegenüber zu erwürgen und dieser erstach ihn."
„Mit sieben Stichen? Die Wut muss ja unbeschreiblich gewesen sein."
„Nun, wenn sie fast sterben, stechen sie auch mit allem zu."
„Ja, wahrscheinlich. Und wer?"
Markus zitterte nun am ganzen Körper. Er war fast leichenblass, seine Augen waren dunkel umrandet und er hatte begonnen zu schwitzen. Kleine Schweißperlen rannen entlang seines Haaransatzes hinab und ich hörte leise röchelnde Laute aus seinem Hals. Am liebsten wäre ich zu ihm hin gegangen und hätte ihn in den Arm genommen. Er sah so schutzbedürftig aus. So zerbrechlich. Ich wollte, dass es endlich endete, und warf Gräuber einen flehentlichen Blick zu.
„Nun.."
Gräuber sah langsam zu Markus. Dieser sah ins Leere. Fred begriff nur langsam. Doch dann folgte sein Blick dem von Gräuber und er starrte Markus fassungslos an. Die beiden Männer waren nun schon direkt neben ihm. Der eine sprach eben behutsam auf ihn ein. Markus nickte. Langsam führten sie ihn zum Wagen und er setzte sich wortlos hinein. Mir lief eine Träne die Wange hinab. Markus sah nicht noch einmal her. Sein Blick war vollkommen leer. Als hätte das Gehörte alles, was ihn noch wach gehalten hatte, gelöscht. Er war ganz ruhig. Er benötigte keine Spritze. Gräuber kam noch einmal zu mir und drückte mir die Hand. Dann ging er. So fuhr nun auch das letzte Puzzleteil davon.
Als es sich herumsprach, brach Chaos aus. Alle waren fassungslos. Elizabeth kam zu mir, verheult. Ich tröstete sie und wir brauchten noch über eine Stunde länger, bevor wir abfahren konnten. Ich fuhr, was mir gut tat. So konnte ich noch einmal alles überdenken. Die Tafelberge zogen an uns vorüber und wieder wirkten sie wie von Menschen geschaffene Kolosse. Ich weidete mich an diesem Anblick und freute mich auf zu Hause, auf mein Neues zu Hause, auf meine neue Zukunft. Auf alles, was sie mir brachte, auch auf die Abenteuer, auch auf die Vergangenheit.

DU LIEST GERADE
Zeitbarrieren
AdventureWas ist Zeit? Kann man einen Krieg um Sie führen? Was, wenn einige dank einer natürlichen Fähigkeit durch die Zeit reisen könnten? Was, wenn andere dies ausnützen wollten? Die Archäologin Margie wird zu einer Ausgrabung hinzugezogen. Zwar scheint es...