Zeitbarrieren

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Lukas schlief tief und fest bis zum Abend durch. Wie es aussah, war sein Ausflug wirklich anstrengend gewesen. Die Frage blieb, wo er sich aufgehalten hatte. Ich merkte das auch Paul und Fred ihn ein wenig skeptischer beäugten. Sie hatten bei seiner Firma angerufen und erfahren, dass selbst die nicht wussten, wo er sich aufgehalten hatte. Das war eigenartig. Selbst für welche, die viele der anderen Zwischenfälle nicht mitbekommen hatten, doch Paul hatte einige davon miterlebt. Er wusste, dass ich mitten in der Nacht fast überfallen worden war. Er wusste von den Leuten, die hier rumschnüffelten, von den Ereignissen mit Frau Münthing damals. Das alles ergab ein seltsames Bild, ohne die Erklärungen, die ich genossen hatte.

Natürlich war da neben all dem persönlichen Trubel um mich herum, auch noch die Grabung, welche mich beschäftigte. Dieser neue Raum, verkomplizierte alles noch einmal, obwohl wir gedacht hatten, noch schlimmer geht es eigentlich nicht mehr. Doch es ging! Wir sammelten im Laufe des Nachmittages Proben und schickten diese sofort an das Institut weiter, zur Analyse. Wir erhofften uns nicht wirklich aufschlussreiche Ergebnisse, nur eindeutige. Vielleicht sogar so eindeutig, dass wir endlich die Fälschung manifestieren konnten. Wir würden uns alle wohler fühlen, wenn es so kommen würde.

Nun hieß es wieder warten. Ich begab mich in den Gemeinschaftscontainer, zusammen mit Paul und Elizabeth. Die beiden Diskutierten über die Möglichkeiten, die sich uns bei diesem Fund boten. Ich hörte kaum hin. Meine Gedanken kreisten mehr um Lukas, Dr. Kleis und all dem anderen, was mein Leben auf einmal so schwierig machte. Doch ich kam zu keinem Punkt, an dem ich sagen konnte, ich hätte etwas Greifbares erreicht. Der Tod von Dr. Kleis passte ebenso wenig in das Bild, wie diese Funde, welche wir in dem Grab machten. Vielleicht bestand ein Zusammenhang zwischen Grab und dem Tod? Neue Möglichkeiten, immer wieder neue Abzweigungen taten sich auf, doch nie kam ein Ende in Sicht. Mir schwirrte der Kopf, ich brauchte Kaffee.

Fred stand schon und kochte Neuen. Er würde noch bis spät in die Nacht über den Aufzeichnungen sitzen, hatte er verlautbaren lassen. Jemand musste alles protokollieren, die Funde einordnen, da Dr. Kleis Tod war, musste diese Tätigkeit jemand anderes übernehmen und Markus sah sich außerstande nochmals in diesen Arbeitscontainer zu steigen, in dem er so viele Stunden mit ihm verbracht hatte. Ich konnte ihn verstehen, seit diesem Vorfall war ich kaum dort drinnen gewesen und dann nur kurz, oder ungern, da ich ein so seltsames Gefühl hatte, wenn ich mich dort aufhielt.

Doch am meisten beschäftigte mich Lukas. Was er zu verbergen hatte, was er mir alles noch nicht erzählt hatte, und natürlich die Frage, wie ich ihn dazu bringen konnte, sich mir anzuvertrauen! Ich musste einfach wissen, ob es zutraf, was sich seine und die Gegenorganisation dachten. War er ein Abtrünniger? Wenn ja, warum und was bedeutete das genau? Von was war er abtrünnig geworden? Was hatte ihn dazu gebracht? Wieder neue Fragen. Ich hatte so langsam das Gefühl, nur noch aus Fragen zu bestehen. Noch nie in meinem Leben war ich so unsicher gewesen, so unwissend, außer vielleicht als kleines Kind, doch da macht es einem ja nicht sonderlich viel aus. Ich wollte einfach alles genau wissen, wollte Anteil an dem nehmen, was er tat. Er hatte mich einmal erfolgreich aus seinem Leben ausgeschlossen, so leicht würde ihm das kein zweites Mal gelingen. Ich würde mich nicht noch einmal, so leicht davonjagen lassen.

Als wir alle am Tisch saßen und ein wenig aßen, kam Lukas herein, verschlafen und noch immer sehr blass. Doch er lächelte wieder und seine Augen blickten nicht mehr so Müde. Er setzte sich zu uns. Alle Gespräche waren verstummt und jeder sah ihn forschend und neugierig an. Er schaute ein wenig verlegen, wegen all der Aufmerksamkeit um seine Person.

„Was ist? Als ob ihr mich das erste Mal sehen würdet."

Er strich sich verlegen das Kinn. Fred gab ihm wortlos eine Tasse Kaffee, lächelte aber kaum dabei, sondern sah ihn vielmehr ernst an.

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