Zehn

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Triggerwarnung: Häusliche Gewalt.

Vor langer Zeit lebten alle Menschen mit den alten Göttern in Einklang; sie waren friedlich, und die Götter kamen gut mit den Sterblichen aus. Der mächtigste, dieser Götter, war Jul. Jul, der Gott des Winters und des Wassers, nachdem eines der wichtigsten Feste benannt war; neben ihm gab es noch drei Andere Götter, denen allen eine Jahreszeit und ein Element zugeordnet war. Cassandra, die Göttin des Sommers und des Windes, die auch die Schutzgöttin der Kinder war; Amalia, die Göttin des Herbstes und des Feuers, die Verlobte von Jul, welche aber schließlich für den Bruch der Alten Götter mit den Menschen geführt hatte. Ihre Eifersucht war es gewesen, die Jul von den Menschen entfernt hatte, und mit ihm auch die Anderen. Kinder, die im Herbst geboren waren, galten deshalb immer als gefährlich, und man sollte sich von ihnen fernhalten; Kinder, die im Winter geboren waren galten dagegen als stark und treu. Der letzte Gott, in dessen Zeit sie sich gerade befanden, hatte eines der wichtigsten Feste in seiner Aufgabenzeit. Nicht nur, das Florafest, nein auch der Meitanz lag im Aufgabengebiet von Fabianius, dem Gott des Frühjahrs und der Erde. Er war der Jüngste im Kreise der Alten Götter, aber dafür mit der wichtigste. Man sagte ihm große Kraft nach, da er auch für die Liebenden zuständig gewesen sei.

Bis zu dem Verhängnisvollen Tag, an dem die Mobs angriffen; die Alten Götter schickten die Menschen in die Schlacht, doch dabei fiel eine Frau, die großes Wohlwollen von Jul hatte. Niemand wusste, dass er sie liebte, bis zu diesem Augenblick. Aus Wut über die Untreue ihres Verlobten, der die Mobs mit einem Handschlag zerschmetterte, ließ Amalia die Bande der Menschen zerbrechen, so dass sie auch nach dem Angriff kein behütetes Leben mehr führen konnten. Sie zwang die Alten Götter sich zurückzuziehen, doch nach einiger Zeit konnte Fabianius das nicht mehr mitansehen und stieg ein letztes Mal zu den Menschen hinab, um ihnen wieder zu zeigen, was es hieß, zu lieben. Zu Anfang stieß er auf Hass; die Menschen kannten nichts mehr anderes als das, doch dann gab der Gott einen Tanzabend, den Meitanz, und die Menschen fanden ihre Liebe wieder, fanden wieder zueinander.
Nachdem diese Tat vollbracht war, verschwand der Gott, doch die Menschen schworen, dass sie die Feste fortführen würden und den Göttern ihre Opfer bringen würden. Sie besuchten die Kirche, jede Donnerstagnacht, und beteten bei ihren Hochzeiten und Festen bei den Alten Göttern für ihr Seelenheil.

Tim öffnete die Augen, nachdem Dominik verstummt war; er war so in die Geschichte vertieft gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie nahe er an den Anwalt herangerutscht war, der ihm sanft mit der Hand über die Schulter fuhr, als sei das ganz alltäglich. Sie beiden schwiegen noch einen Moment, bevor von außen ein Aufschrei ertönte, und die beiden Männer kollektiv aufseufzten.
„ Soll ich gehen?", fragte Tim leise, und der Brünette schüttelte den Kopf, rutschte etwas von ihm weg, ging dann nach außen, nur um kurze Zeit später wieder hineinzukommen, Pepe und Manu auf den Armen, beide mit verschränkten Armen, beide zickend, beide mit blutenden Armen und Beinen.
„ Was habt ihr denn gemacht?", fragte Tim, sprang auf und ihm wurde kurz schwarz vor Augen; das legte sich schnell, und er ging auf Dominik zu, nahm ihm Pepe ab, der Manuel nur böse ansah, ihm die Zunge rausstreckte.
„Diese beiden", sagte Dominik mit verstecktem Groll in der Stimme, „Haben bei Richter Unge nicht nur ein Fenster eingeschmissen, sondern sich im Streit auch noch durch besagtes Fenster gewälzt", fuhr er fort, und Tim sah, wie die Hände des Anwaltes zitterten.
„ Pepe hat doch aber angefangen!", sagte Manuel aufgebracht, und der Brünette explodierte.
„ Es ist mir egal, wer angefangen hat! Ihr seid alte genug, um zu wissen, wie man sich zu benehmen hat!"; brüllte er, und Pepe zuckte zusammen, „Habt ihr überhaupt nachgedacht, was ihr damit anstellt? Mit meinem Ruf?", schrie er weiter, und Manuel lief eine Träne über die Wange, während er hastig zurückwich. Dominik hob die Hand, und in diesem Moment beschloss Tim, dass es Zeit war, einzuschreiten.
„ Das reicht", sagte er schlicht und einfach, ging auf Dominik zu, „Kinder, geht auf euer Zimmer. Darum kümmern wir uns später.", fügte er kühl hinzu, und die Jungen verschwanden, „Dominik. Du kannst sie nicht schlagen, das sind doch noch Kinder.", sagte er, „Das sind doch unserer Kin... das sind doch nur Kinder", wiederholte er müde, biss sich auf die Zunge. Beinahe hatte er sie ihre Kinder genannt; aber das waren sie nicht. Nicht im geringsten.
Der Anwalt sah ihn müde an, seufzte dann leise auf. Mit einem kleinen „Bin in der Kanzelei", verabschiedete er sich kurzerhand, ließ Tim alleine zurück; eine unangenehme Sehnsucht erfüllte Tim, und er beschloss, ein wenig nach den Anderen Kindern zu sehen, die noch mit Herr Paluten außen sein müssten.
Er lehnte sich in den Türrahmen, sah zu, wie Selfie mit Edgar- dem zweiten, wohlgemerkt- spielte, während Dario und Tourist zusammen mit Puppen spielten, dabei strahlten und lachten. Neben Selfie und Edgar- dem zweiten- saß Patrick, las seelenruhig in einem Buch. Tim schwindelte vor Augen, weshalb er noch einmal von seinem Wasser trank, dann langsamen Schrittes wieder nach oben ging, sich in sein Bett legen wollte- und nicht schlecht erschrak, als er Pepe dort kauern sah.
„ Was machst du hier?"
„ Ich verstecke mich vor Manu.", gab der Kleine nur von sich, und Tim nickte, legte sich hin, und entschwand wieder in einen schweren Schlaf. Im Hinterkopf fragte er sich noch, ob irgendetwas einschläferndes in diesem Wasser gewesen war; er wusste es allerdings nicht, weswegen er zuließ, dass er in einen Traum abrutschte, der ihn nach Hause führte; zumindest in seine Zeit.
Er saß in seiner Wohnung, doch sie wies einige Neuerungen auf, wie die Schreibmaschine, die er nie besessen hatte, oder das Bild, das ihn zusammen mit Selfie und Dominik zeigte. Er sah sich um, ging umher und öffnete dann eine Türe, aus der ihn das Gesicht von Dario Verzögerung ansah, das schwarze Augen vorwies. Bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte er schon begonnen, zu schreien. Laut, und so, dass es ihm selbst in die Knochen fuhr.


*literally everyone, chanting loudly* JOHANNA WHAT THE FUCK
Zu dem Zeitpunkt habe ich gerade ein Mittelalterbuch gelesen, und irgendwo musste ich Dominik einen schlechten Zug geben. Es tut mir selbst wirklich leid, himmel. Aber man darf nicht vergessen, dass Dominik eine Person des Mittelalters ist, wo sowas durchaus noch üblich war. (Aber keine Sorge, es ist die einzige Szene dieser Art.)
Trotzdem würde ich mich sehr über Feedback freuen, vor allem zur Göttergeschichte. Und ich hoffe ihr verzeiht mir diesen Ausflug in so ein heikles Thema.
- Johanna.

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