Einundvierzig

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    Der junge Mann schlug die Augen auf; er befand sich auf etwas, das wohl am ehesten einer Lichtung ähnelte, mit einem Gatter vor sich; das Gatter schien allerdings ins nirgendwo zu gehören, denn als er sich umdrehte, sah er nur eine leere, zerklüftete Fläche hinter sich, auf der vereinzelte Habseligkeiten lagen; eine zerrissene Puppe, die ihm im ersten Moment bekannt vorkam, lag direkt vor ihm. Er versuchte, sich zu erinnern, doch sein Kopf war eigenartig leer- so leer, dass er nicht mal wusste, wo er war. Wenigstens funktionierte das normale noch, er wusste, wer er war. Er war nämlich.. Sein Name war... Er schluckte schwer, fuhr sich durch die Haare, versuchte Probehalber einige Wörter zu sagen; das funktionierte noch, doch es war unsinnig, wenn er nicht mal wusste, wie sein eigener Name war. Etwas mit L... oder doch K? Vielleicht auch M? Er hatte absolut keine Ahnung.
„ Hallo?", fragte er probehalber noch einmal, „Kann mir jemand helfen?", fügte er hinzu, doch es erschien niemand, niemand kam hinter einer Ecke hervor und lächelte ihn an, half ihm, die Leere in seinem Kopf aufzufüllen. War er hier ganz allein? Und wieso zur Hölle tat ihm alles eigentlich weh, sobald er versuchte, sich auch nur minimal zu bewegen; er versuchte einen Schritt zu gehen und war nur mäßig überrascht, als er umfiel, mit dem Kopf auf die harte Erde prallte- ob er aufstehen konnte, wusste er nicht, aber er war so müde, obwohl er doch gerade erst wach geworden war? Vielleicht würde er sich wieder zurecht finden können, wenn er aufwachen würde.
Als er die Augen zum nächsten Mal aufschlug, nieselte es. Ihm war kalt, seine Nase lief- alles in allem war es eine ganz schön blöde Zeit, aufzuwachen; vor allem, als er sich aufsetzte und sein Körper ihm sagte, dass er schnell was essen musste, sonst würde er vielleicht sterben. Gut, bei den Schmerzen, die er noch immer hatte, war das wohl keine so schlechte Alternative- halt, was dachte er denn da? Er wollte nicht sterben, egal, wie furchtbar es ihm ging, oder wie müde er sich schon wieder fühlte, als er auch nur versuchte, sich aufzusetzen. Unsicher hob er eine Hand, und verfluchte sich innerlich selbst, als er wieder umfiel, seine Welt erneut schwarz wurde.
Er wurde geschüttelt, seine Welt bekam langsam wieder Licht- vor ihm kniete ein Mann mit dunklen Haaren, runden Wangen und angsterfüllten, grünen Augen; die Augenbrauen waren zusammengezogen, was das ganze Gesicht ziemlich zusammenknautschte; vorsichtig setzte er sich auf, der Mann starrte ihn immer noch an, aber er war schon mal froh, nicht sofort wieder umzufallen.
Und dann fiel ihm der Mann um den Hals, klammerte sich an ihn und begann doch tatsächlich zu weinen!
„ Tim", schluchzte der Mann, „Oh Gott, Tim- das Haus, was ist hier passiert? Und du lebst noch, Gott sei Dank, Dario sagte, vielleicht bist du tot, und ich hatte solche Angst. Bei Jul, Tim, hast du mir einen Schrecken eingejagt", ratterte der Mann hinunter, und er schob ihn ängstlich etwas weg. Sollte er diese Person kennen?
„ Entschuldigen Sie..", flüsterte er, „Wer ist Tim?"
Hinter den Augen des Anderen begann etwas zu zerbrechen, als er zurückschreckte, ihm dann hastig über den Kopf fuhr, nach Unebenheiten tastete, schließlich ganz zurück trat, die Lippen zusammen gepresst, kaum noch Farbe im Gesicht.
„ Herr Bergmann- an was können Sie sich noch erinnern?", fragte der Mann, seine Stimme zitterte, er selbst stand vorsichtig auf, sah stetig auf den Boden, dann nach oben, in die grünen Augen- die waren hübsch, daran konnte er sich festhalten.
„ An nichts", sagte er, wiederholte es dann nochmal, „Ich kann mich an nichts erinnern!", fügte er hinzu, und der Brünette schwieg, „Ich... Ich weiß nur, dass es so laut war, und dann lag ich hier, und alles war weg. Wer bin ich? Wer.. Wer Sind Sie?", fragte er, einige Zeit war es komplett still, dann räusperte sich der Andere.
„ Mein Name ist Zone.. Dominik Zone; ich war Ihr Anwalt-"
„ Wozu brauche Ich einen Anwalt?", fragte er verzweifelt, Dominik Zone hob schlicht die Hand.
„ Ich erkläre Ihnen alles gleich.. Für jetzt müssen Sie nur wissen, dass ich Ihnen helfen werde. Sie heißen Tim... Tim Bergmann.", sagte Herr Zone nach einigem Zögern, „Wann.. Wie lange lagen Sie hier?", fragte er dann, Tim- war das wirklich sein Name?- zuckte hilflos mit den Schultern, doch als er zu verstehen gab, dass es schon eine Zeit her war, dass er zum ersten Mal aufgewacht war, seufzte der Anwalt nur sanft.
„ Ich möchte Sie bitten, mich zu begleiten, Herr Bergmann. Einige Zeit war ich außerhalb der Stadt, dorthin bringe ich Sie jetzt, da können wir Ihr Gedächtnis etwas auffrischen.", sagte Dominik leise, und etwas in Tim strebte sich danach, mit dem Anwalt mitzugehen; doch er war schon sehr seltsam, und was, wenn irgendetwas passierte? Er hatte nicht besonders viel Lust, irgendwo umgebracht zu werden, weil scheinbar er dieses Haus zerstört hatte.
„ Herr Zone", begann er deswegen leise, „Was... Was für eine Beziehung hatten wir zueinander?"
Der Anwalt sah ihn eine Sekunde an, mit irritiertem Blick, der irgendetwas aussagte, was er selbst nicht so ganz verstehen konnte; es war eine Mischung aus so vielen Emotionen, die Tim nicht lesen konnte; Dominik legte den Kopf schief.
„ Das erkläre ich Ihnen alles, wenn Sie mit mir kommen.", sagte der Anwalt ruhig, die Augen auf den Boden gerichtet, mit roten Ohren; und Tim wollte mit ihm gehen, wirklich. Aus irgendeinem Grund vertraute er dem Anwalt bedingungslos, doch sein Menschenverstand sagte ihm, dass er nicht nachgeben sollte, dass er Dominik nicht kannte, dass er ihm nicht vertrauen sollte; aber er wollte so gerne, „Bitte, Ti... Bitte, Herr Bergmann. Bitte kommen Sie mit mir", wiederholte der Anwalt, seine Stimme klang fast flehend, während er sich umsah, die Bruchstücke um Tim herum beobachtete; erst jetzt flackerte etwas wie Trauer in den grünen Augen auf; sie waren hübsch, sehr hübsch sogar. Schön anzusehen.
„ Also?", fragte Dominik Zone leise, und entgegen seines Verstandes nickte Tim, versuchte ein kleines Lächeln; an der Art, wie Herr Zone sich abwandte wurde ihm klar, dass er schlimm aussehen musste, seine Kleidung war auch verdreckt, wie alles an ihm; mit müden Augen sah er den Anwalt an.
„ Leiten Sie den Weg, Herr Zone.", sagte er, der Brünette sah ihn nur kurz an, schüttelte dann fast unmerklich den Kopf, und für eine Sekunde sah es aus, als wolle Dominik Zone nach seiner Hand greifen, dann räusperte er sich stattdessen, richtete die Krawatte und den Hut.
„ Haben Sie Ihren Hut verloren, Herr Bergmann? Nun gut, wo wir hingehen brauchen wir keinen- folgen Sie mir, bitte.", fügte er an, und wieder war Tim davon überzeugt, einen Fehler gemacht zu haben, doch jetzt war es schon zu spät, Dominik Zone ging voran, gab Tim alle Zeit der Welt ihn zu beobachten. Er lief schnell, zielstrebig, und an irgendetwas erinnerte ihn das, doch der Gedanke war weg, bevor er ihn ergreifen konnte; Zone war schon einige Schritte vor ihm, drehte sich jetzt wieder um.
„ Wir müssen etwas aus der Stadt raus- keine Sorge, T... keine Sorge, Herr Bergmann, uns passiert nichts.", sagte der Anwalt, und mehr und mehr wurde Tim von einem schlechten Gefühl geplagt; was, wenn es das Haus des Anwaltes gewesen war, das in die Luft geflogen war und verstreut herumlag, was, wenn er etwas damit zu tun hatte, und Zone ihn jetzt dafür umbringen wollte? Es war übertrieben, vielleicht, aber er kannte diesen Mann nicht. Er wusste ja nicht mal, wer er selbst war- und trotzdem war er mit der ersten Person mitgegangen, die er gesehen hatte; Gott, er war ja so blöd. Er war so ein Idiot.


Hewwo.
Ist ja auch schon seine Zeit her, dass hier ein Update kam. Aber ich bemühe mich, jetzt jede Woche was zu bringen, bis Leben rum ist!
Meinungen?
- Johanna

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